Hitzeaktionsplan für Hamburg: Nicht für alle gibt es genug Schatten
Mehr Brunnen und eine Karte mit „kühlen Orten“ sollen helfen, sich vor der Sommerhitze zu schützen. Für vulnerable Gruppen sind sie schwer zugänglich.
Im Januar dieses Jahres war es dann auch in Hamburg so weit: Die Stadt hat 179 Seiten voller Überlegungen zum Thema Hitze veröffentlicht. Der Aktionsplan sei „ein geeignetes Instrument zur Bewältigung extremer Hitzeereignisse“, so die Gesundheitsbehörde. Ziel des Plans sei es, „hitzebedingte gesundheitliche Risiken frühzeitig identifizieren und minimieren zu können sowie gezielte Handlungsstrategien aufzuzeigen“.
Anlässlich des Hitzeaktionstags am 4. Juni hat die Stadt nun auf ihre Maßnahmen für den Sommer hingewiesen: Leere Flaschen können an öffentlichen Trinkwasserbrunnen und sogenannten Wasser-Refill-Stationen aufgefüllt werden, es gibt Sonnencremespender in den Freibädern von Bäderland, automatisierte Hitzewarnungen, einen telefonischen Hitzeinformationsservice und eine Öffentlichkeitskampagne mit Tipps zum Verhalten bei Hitze.
Einen Überblick verschaffen kann man sich mit der „Kühle Orte“-Karte. Auf den ersten Blick zu sehen sind dort Grünflächen und Wassertropfen. Erstere sollen Schutz vor der sommerlichen Hitze zwischen Beton und Asphalt bieten. Wer sich drinnen abkühlen möchte, wird auf Bücherhallen verwiesen.
Smartphone nötig
Leicht zu finden sein sollen auch die Refill-Stationen für Trinkwasser. Dazu zählen nicht nur Wasserspender an öffentlichen Orten, sondern auch beispielsweise an Unternehmenssitzen oder in Läden. Als Ergänzung zu den Trinkbrunnen im Hamburger Stadtgebiet setzt der Senat hier auf freiwilliges Engagement, um Versorgungslücken zu schließen.
Die Karte, auf der diese Orte verzeichnet sind, ist jedoch nur online abrufbar. Wer in der Stadt unterwegs ist und schnell an Informationen kommen möchte, wo es gratis Wasser zum Trinken gibt, braucht also ein Smartphone. Gerade für ältere Menschen, die besonders unter extremer Hitze leiden, ist das nicht selbstverständlich.
Auch Menschen ohne Wohnung sind angesichts extremer Hitze besonderen Belastungen ausgesetzt. Ohne Zugang zu Schutzräumen, fließendem Wasser und schneller medizinische Hilfe sind sie der Hitze und ihren Folgen besonders stark ausgeliefert.
Gerade für sie aber seien viele der Trinkwasserspender nur eingeschränkt zugänglich, warnt Stefanie Koch von der Diakonie Hamburg. Befindet sich der Wasserhahn etwa im Sitz eines Öko-Energieanbieters, in einer Weinboutique oder in einem Reisebüro, dann steigt die Hemmschwelle, dort nach Wasser zu fragen. Und je weiter vom Zentrum man sich befindet, desto weniger gibt es.
Abhilfe schaffen würden mehr öffentliche Wasserquellen. „Im Bundesvergleich schneidet Hamburg mit 54 öffentlichen Trinkwasserbrunnen schlecht ab“, sagt Koch. Der Hamburger Ableger des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) verweist zum Vergleich auf Wien: Dort stehen rund 1.600 Trinkbrunnen, das sind etwa 30-mal so viele wie in Hamburg.
Aber auch Plätze im Schatten zu finden, ist bei extremer Hitze wichtig. Weil es jedoch nur wenige Tagesaufenthaltsstätten für wohnungslose Menschen gibt und auch die begehrten Schattenplätze in öffentlichen Parks und auf Plätzen knapp sind, gibt es eine Konkurrenz zwischen verschiedenen Gruppen – zum Leidwesen der vulneralbelsten.
Die Öffnung von Bibliotheken, Bezirksämtern und Museen sowie das Aufhängen von Sonnensegeln, wie sie in Südeuropa üblich sind, könnten hier Abhilfe schaffen, so Koch.
Extrem warme Sommer werden auch in Zukunft häufiger. Der SoVD fordert deshalb grundsätzlichere, auch städtebauliche Maßnahmen. Denn obwohl Hamburg eine vergleichsweise grüne Stadt ist, sind fast 50 Prozent der Stadtfläche versiegelt. Das sei angesichts von mehr Hitze und Starkregen zu viel, sagt der Hamburger Vorsitzende des SoVD, Klaus Wicher.
Es brauche mehr Grün an Häuserfassaden und eine klimagerechte Stadtentwicklung. Das betrifft nicht zuletzt Neubauten. Statt mit Beton, Glas und Stahl müsse man hitzetauglich bauen. Nötig seien außerdem verpflichtende Vorgaben und Ziele sowie eine ausreichende Finanzierung.
Im Hitzeaktionsplan der Gesundheitsbehörde heißt es, dass der Ausbau der sogenannten blau-grünen Infrastruktur, also eine strategische Kombination von natürlichen und naturnahen Grün- und Wasserflächen, und die Entsiegelung von Flächen im Hitzeaktionsplan „bewusst ausgeklammert“ wurden. Darum kümmere man sich bei der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft.
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