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Historischer Wettskandal im FußballEine Schmierenkomödie

Vor 50 Jahren erschütterte ein Wettskandal die Bundesliga. Spiele wurden manipuliert. Im Fokus war auch der spätere Werder-Torwart Dieter Burdenski.

Seinerzeit kurios beteiligt: Dieter Burdenski bei einem Hallenturnier im Jahr 2013 Foto: Thomas Eisenhuth/dpa

Bremen taz | Sieht man sich heute die Berichte und Bilder vom bislang größten Bestechungsskandal in der Fußball-Bundesliga an, der im Sommer vor 50 Jahren die Fußballwelt erschütterte, wirken sie wie einer großartigen Schmierenkomödie entnommen.

Der Höhepunkt ist die mit Kamera festgehaltene Enthüllung des Skandals durch den Präsidenten von Kickers Offenbach, Horst-Gregorio Canellas. Auf der Gartenparty zu seinem 50. Geburtstag spielte er auf einem geliehenen Telefunken-Gerät vor einer nichtsahnenden Herrenriege kompromittierende Telefongespräche ab. Der anwesende Bundestrainer Helmut Schön soll die Party fluchtartig verlassen haben.

Insgesamt wurden in der Endphase der Saison 1970/71 gleich 18 Bundesligaspiele manipuliert – oder es wurde versucht, sie durch Geldzahlungen zu beeinflussen. Am Ende konnten sich Arminia Bielefeld und Rot-Weiß Oberhausen retten und Kickers Offenbach sowie Rot-Weiß Essen standen als Absteiger fest.

Eine kuriose Rolle spielte im Verlauf des Skandals Dieter Burdenski, der spätere langjährige Torwart von Werder Bremen. Als junger Nachwuchs-Torwart stand er beim ersten manipulierten Spiel zwischen Schalke 04 und Arminia Bielefeld (0:1) im Tor. Er wusste allerdings nichts von den Absprachen seiner Schalker Mitspieler, da er kurzfristig für den Stammtorwart eingesprungen war. Er hielt wie ein Weltmeister und hätte so den Betrug fast verhindert. „Das Spiel war für mich als Torhüter perfekt – bei so vielen Gelegenheiten, mich gegen frei vor mir auftauchende Stürmer auszuzeichnen“, erinnerte sich Burdenski im Kicker.

Tausender auf dem Parkplatz

Als er anschließend auf einen Parkplatz bestellt wurde, nahm „Budde“ dennoch wie alle anderen die dargebotenen 2.300 Mark entgegen. „Die Summe war einfach enorm hoch, auch gemessen an unserem damaligen Verdienst.“ Als junger Mensch habe er sich nicht die Fragen gestellt, die er sich heute sicherlich stellen würde.

Als erster Spieler gab Burdenski 1972 vor Gericht zu, Geld angenommen zu haben. Als er zwei Tage nach seinem Geständnis mit Arminia Bielefeld, wohin er inzwischen gewechselt war, nach Schalke zurückkehrte, wurde er von den Fans mit Bierflaschen beworfen, bespuckt und beschimpft.

Die Ermittlungen brachten immer neue Fälle ans Licht. Als der Chefermittler des DFB Hans Kindermann 1973 den Skandal als „zu fast 100 Prozent aufgeklärt“, bezeichnete, waren 53 Spieler, zwei Trainer und sechs Funktionäre mit Geldstrafen und Sperren von ein paar Monaten bis lebenslang belegt worden. Die meisten der Bestraften wurden noch vor der Heim-WM 1974 begnadigt. Für acht Schalker Spieler schloss sich noch ein Verfahren wegen Meineids an, in dem sie Ende 1975 zu Geldstrafen verurteilt wurden.

„Heute geht es im Profisport weniger um sportliche Ziele, sondern darum, mit Wetten auf manipulierte Spiele viel Geld zu verdienen“, sagt Rechtsanwalt und Compliance-Experte Carsten Thiel von Herff, der als unabhängiger Ombudsmann der DFL und des DFB in den Nachwuchsleistungszentren die Spieler ab der U15 zum Thema „Verhinderung von Spiel- und Wettmanipulationen“ schult.

„Das hohe Einkommen schützt nur bedingt. Wir reden im Bereich der Wettmanipulationen über Erpressung und Abhängigkeiten. Wenn ein spielsüchtiger Topverdiener zwei Millionen Euro auf eine Partie setzt, ist das auch für ihn viel Geld. Die Manipulanten suchen gezielt nach Schwachstellen. Für einen Oberligaspieler mit Geldsorgen sind schon 5.000 Euro eine Verlockung.“

Horst-Gregorio Canellas hat bis zu seinem Tod 1999 daran festgehalten, dass längst nicht alle Absprachen von 1971 ans Licht gekommen sind. 1977 saß er in der Lufthansa-Maschine Landshut, die nach Moga­di­schu entführt wurde. „Der Skandal war schlimmer, viel schlimmer“, soll er laut dem Magazin 11Freunde gesagt haben. „Moga­di­schu hatte noch mensch­liche Züge.“

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