Deutsche Sportjustiz: Strafbarer Fehlschuss
Neue Gesetze gegen die Manipulation von Profiwettbewerben werfen Fragen auf. Warum werden die Amateure ausgenommen?
Mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren kann künftig bestraft werden, wenn jemand Geld oder andere Vorteile fordert oder annimmt, um einen „berufssportlichen“ Wettbewerb zu manipulieren. Das kann ein Spieler sein, der gegen Schmiergeld einen Elfmeter verschießt, aber auch der Trainer, der seinen besten Mann auf der Bank sitzen lässt. Auch Schiedsrichter, die ein Spiel gegen Geld „verpfeifen“, machen sich nach der neuen Vorschrift strafbar.
Einerseits wollte der Gesetzgeber die Vermögensinteressen der Sportler, Vereine und Verbände schützen. Wer wegen Manipulationen nicht gewinnt oder gar absteigt, kann viel Geld verlieren. Zudem stehe der Sport aber auch für wichtige gesellschaftliche Werte wie Fairness.
„Warum wird dann aber nur der Profisport vor Manipulationen geschützt?“, fragte der Münchener Anwalt Michael Reinhart, „sonst sind doch immer die Amateure das Aushängeschild für die Integrität des Sports.“
Ein verschossener Elfer begründet noch keinen Verdacht
Die Abgrenzung ist schwierig genug: Denn wo genau fängt der Berufssport überhaupt an? Laut Gesetzesbegründung gehören im Fußball nur die drei oberen Ligen dazu. Ab der Regionalliga abwärts müsste ein Staatsanwalt bekannt werdende Manipulationen demnach ignorieren. Es blieben nur Sanktionen der Sportverbände wie Punktabzüge und Sperren. Der Kölner Richter Jan F. Orth sieht aber auch die Regional- und Oberligen vom Gesetz geschützt. „Dort verdienen Spieler doch auch 1.000 oder 1.500 Euro pro Monat.“
Wie viele Fälle es pro Jahr geben wird, ist noch völlig offen. „Theoretisch kann jeder Fan durch eine Strafanzeige Ermittlungen anstoßen“, sagte der Staatsanwalt Christoph Ebert, „aber nicht jeder verschossene Elfmeter begründet schon einen Anfangsverdacht.“
Bremen „helfen“
Legendär ist der Bundesligaskandal der Saison 1971/72, als Arminia Bielefeld sich mit gekauften Spielen den Klassenerhalt sicherte. Außer Strafen wegen Meineids gegen Schalker Spieler gab es damals keine strafrechtlichen Sanktionen.
Im Mai wurde ein neuer Skandal beim Drittligisten VfL Osnabrück bekannt, nur einen Monat nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes. Drei Osnabrücker Spieler sollen im Mai vor einem Spiel gegen das abstiegsbedrohte zweite Team von Werder Bremen sondiert haben, ob man eine Prämie bekommen könne, wenn man den Bremern in ihrer Not helfe. Diese lehnten den Deal jedoch ab.
Wetten auch im Amateursport strafbar
Strafrechtlich relevant könnte künftig auch die Rolle von Sponsoren sein, die mehrere Vereine unterstützen. „Wenn der Sponsor finanziell Einfluss nimmt, damit die besser zu vermarktende Mannschaft gewinnt, wäre das strafbar“, so Strafrechtsprofessor Michael Kubiciel, der die Augsburger Tagung veranstaltete. Allein der Volkswagen-Konzern unterstützte mit seinen Marken VW, Audi, Seat und MAN zeitweise 16 Vereine der Ersten und Zweiten Bundesliga.
Kubiciel glaubt, dass die neue Strafvorschrift nicht auf eine hohe Zahl von Verurteilungen abzielt, sondern vor allem die Vereine in die Pflicht nehmen will. Er erklärt: „Trainer und Funktionäre müssen ihren Spielern die drohenden Konsequenzen aufzeigen.“
Letztlich gehe das Thema auch Amateurvereine an. Denn wenn bezahlte Manipulationen im Zusammenhang mit Sportwetten stehen, sind sie auch im Amateursport strafbar. Eine entsprechende Strafvorschrift gegen „Sportwettbetrug“ (§ 265c) wurde im April ebenfalls eingeführt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt