Historiker zu Kolonialismus in Osnabrück: „Nur Europa ist bekleidet“

Museumskurator Thorsten Heese zeigt auf seinem Stadtrundgang koloniale Orte in Osnabrück. Die Stadt hat massiv an Leinenhosen für Versklavte verdient

Werbeplakat für die Osnabrücker Kolonial-Ausstellung 1913

Aufwändig beworben: Osnabrücker Kolonial-Ausstellung von 1913 Foto: Thorsen Heese/Museumsquartier Osnabrück

taz: Herr Heese, welche Rolle hat Osnabrück im Kolonialismus gespielt?

Thorsten Heese: In puncto kolonial-imperiales Bewusstsein war Osnabrück genauso ein Rädchen im Getriebe wie die größeren Akteure Hamburg und Bremen. Auch hier gab es Ortsgruppen der „Deutschen Kolonialgesellschaft“, des „Alldeutschen Verbandes“ und des „Deutschen Flottenvereins“ sowie kolonialistisch gesinnte Militärvereine und Kaufmannsvereinigungen.

Wie stark hat Osnabrück wirtschaftlich profitiert?

Osnabrück hat in der Frühen Neuzeit vor allem am Leinen verdient. Daraus wurden unter anderem „Osnabrücker Hosen“ hergestellt, die versklavte Menschen auf karibischen und amerikanischen Plantagen als Arbeitskleidung trugen. Interessant ist, dass alle profitierten: von der Stadt über die Tuchhändler bis zu den einfachen Flachsbauern und Webern.

Was weiß man über den „Ersten Afrikaner von Osnabrück“?

Thorsten Heese54, Historiker, Politologe und Kunsthistoriker, ist Kurator für Stadt- und Kulturgeschichte am Museumsquartier Osnabrück.

Einzige Quelle ist eine gedruckte Taufpredigt von 1661. Da steht, dass er als Vierjähriger in Guinea von niederländischen Soldaten entführt wurde und als Sklave nach Holland gelangte. Altbürgermeister Schepeler hat ihn später in Hamburg gekauft und nach Osnabrück gebracht. Seine groß als „Heidenrettung“ inszenierte Taufe war gegen die Ka­tho­li­k:in­nen gerichtete protestantische Propaganda.

Gab es weitere Sklaven in Osnabrück?

Es fehlen zwar Belege, aber er blieb vermutlich nicht der einzige. Gerade Adlige erwarben als Statussymbol solche vermeintlich „exotischen“ Diener:innen.

Wurden weitere Menschen öffentlich zur Schau gestellt?

1893 hielt ein Forschungsreisender im „Großen Club“ einen Vortrag über Afrika, während zwei Afrikanerinnen auf ein Podium gesetzt wurden und 1913 zeigte man in der Stadthalle eine Kolonialausstellung mit Afri­ka­ne­r:in­nen in einem „Hüttendorf“. Beides galt als spektakulär. Bei unserem Rundgang suchen wir beide Orte auf; auch das Leggehaus, in dem das erwähnte Leinen gegen Leggesteuer auf Qualität geprüft wurde.

Wie kolonialistisch sind die „Erdteilallegorien“ am Schloss?

„Osnabrück post-kolonial – eine Spurensuche“, Rundgang mit Thorsten Heese: Nächster Termin mit freien Plätzen: 22. 3., 16 Uhr. Treffpunkt Museumskasse Museumsquartier Osnabrück, Lotter Str. 2. Maximal zehn Personen. Anmeldung über felix-nussbaum-haus@osnabrueck.de

Es sind vier um 1740 geschaffene Statuen, die Europa, Asien, Afrika und Amerika symbolisieren. Obwohl sie sich in Größe, Accessoire und Ästhetik gleichen, sagt der Subtext etwas anderes: Nur Europa ist vollständig bekleidet und wirkt mit Schild, Helm und Toga wie eine antike Siegesgöttin. Die anderen sind, mit erotisch-„wilder“ Konnotation, nur halb bekleidet. Asien trägt ein Rauchgefäß, was auf religiöse Riten sowie den Handel mit asiatischen Produkten verweist. Amerika und Afrika werden mit wilden Tieren (Krokodil und Löwe) in Verbindung gebracht, Amerika durch einen Menschenschädel sogar mit Kannibalismus. Hier werden deutlich koloniale Stereotype bedient.

Wird das unkommentiert bleiben?

Ich hoffe nicht. Eine Studierendengruppe der hiesigen Universität hat sich im Blog des Geschichtsvereins schon zum Thema geäußert und fordert, dass die Uni, auf deren Gelände die Figuren stehen, eine kontextualisierende Tafel anbringt.

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