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Hinrichtungen in IranChamenei gehört auf die Terrorliste

Kommentar von Bahman Nirumand

Es ist nicht nachvollziehbar, warum Irans Revolutionsführer Ali Chamenei und die Revolutionsgarden von der EU nicht härter sanktioniert werden.

Irans Revolutionsführer Ali Chamenei Foto: wana/reuters

D ie Rufe der Demonstranten, die seit drei Monaten Tag für Tag landesweit auf Irans Straßen protestieren, stoßen bei den Herrschenden auf taube Ohren. Auch alle Appelle, selbst aus den eigenen Reihen, bleiben wirkungslos. Im Gegenteil, das Regime erhöht den Druck. Es gibt bereits mehr als fünfhundert Tote, unzählige Verletzte und 20.000 Gefangene, Folterung und Vergewaltigung. Und nun auch Hinrichtungen mit dem Ziel, Angst zu verbreiten und „dem Spuk“ ein Ende zu setzen.

Es ist nicht vorauszusagen, wie lange die vorwiegend jungen Frauen und Männer, die sich mit bloßen Händen den schwerbewaffneten Schergen des Gottesstaats entgegenstellen, ihren Widerstand fortsetzen können. Offenbar haben sie die Angst überwunden, sonst hätten sie es nicht so lange durchhalten können.

Während bei früheren Demonstrationen die Teilnehmer sich zuriefen: „Habt keine Angst, wir sind nicht allein“, rufen sie jetzt an den islamischen Staat gerichtet: „Fürchtet euch, denn wir sind nicht allein.“ Ja, sie sind nicht allein, aber sie brauchen noch viel mehr Unterstützung, im Innern des Landes und auch von außen. Denn bei aller Bewunderung für den mutigen Einsatz der Frauen und Männer können sie den Kampf auf den Straßen nicht ewig fortsetzen.

Das Regime hat zwar empfindliche Schläge hinnehmen müssen, die Kleriker werden aber nicht freiwillig das Feld räumen. Ja, sie werden vermutlich noch mehr Gewalt einsetzen. Sie scheuen kein Verbrechen, zehn weitere Personen stehen auf der Liste der Todeskandidaten. Den Protestierenden muss es gelingen, weitere Schichten der Bevölkerung zu mobilisieren. Dazu brauchen sie Organisationsstrukturen, ein klares Programm und eine ernstzunehmende, glaubwürdige Alternative. All dies ist bislang nur sporadisch geschehen.

Will die EU sich ein Türchen offenhalten?

Auch die Unterstützung von außen muss wesentlich verstärkt werden. Zu begrüßen ist, dass die Iraner im Ausland beachtliche Aktivitäten entwickelt haben und trotz bestehender Differenzen einheitlich den Widerstand im Innern unterstützen.

Aber die Sanktionen, die gegen das Regime beschlossen wurden, sind längst nicht genug. Es ist zum Beispiel nicht einsichtig, warum auf der EU-Liste der Terroristen der Name des Revolutionsführers Ali Chamenei fehlt. Er ist doch für all die Verbrechen der Hauptverantwortliche.

Es ist auch nicht nachvollziehbar warum die EU die Revolutionsgarden nicht als terroristische Organisation einstuft. Will man doch noch ein paar Türen offen lassen, um im Falle der Weiterexistenz des Gottesstaats mit ihm Geschäfte machen zu können? Schließlich ist Iran das zweitgrößte Land mit Gasreserven und das viertgrößte Land mit Ölreserven – genau das, was Europa gerade braucht.

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12 Kommentare

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  • Die Forderung nach mehr internationaler Unterstützung für die Protestbewegung ist völlig richtig, aber die Analyse am Ende des Kommentars führt etwas in die Irre. Es sind nicht die Öl- und Gasreserven des Iran, auf die die EU schielt. Es ist vielmehr so, dass die Spitzen des EU-Apparats lieber einen faulen Atomdeal mit dem Mullah-Regime aushandeln wollen und dafür auch bereit sind, das Regime durch fortgesetzte Wirtschaftsbeziehungen zu stützen und die Protestbewegung ausbluten zu lassen.

    Hätte die EU einfach ein kurzfristiges Handelsembargo gegen den Iran verhängt, würde das Regime womöglich recht schnell kollabieren. Aber dann würde man es sich dauerhaft mit den Mullahs verscherzen, und die würden, wenn sie doch an der Macht bleiben, kein Atomabkommen mehr unterzeichnen. So zumindest die feige Logik hinter der EU-Politik. Einer derjenigen in Deutschland, der maßgeblich für die Linie steht, unbedingt das Atomabkommen mit den Mullahs zu retten, ist der außenpolitische Sprecher der SPD, Nils Schmid. Und es sieht so aus, als ob der Kanzler auf ihn hört. Da können einem die mutigen jungen Menschen, die gerade im Iran ihr Leben verlieren oder brutal verstümmelt werden, nur leid tun.

    P.S. Auch die deutschen Medien tragen eine gewisse Mitverantwortung, da viel zu wenig über das ganze Ausmaß der Brutalität bei der Niederschlagung der Proteste berichtet wird (bspw. wie junge Menschen durch Schrotkugeln ihr Augenlicht verlieren, etc.). So kann leider auch kein Druck aus der Öffentlichkeit auf die deutsche Außenpolitik entstehen.

  • Die Kollaboration mit diesem widerlichen Kerl ist eben mit der Aussicht auf Geld verbunden. 'Wirtschaftliche Zusammenarbeit' ist eben nicht verbunden mit dem Bekenntnis zu Menschenrechten und gegen Verbrechen.

  • Die Anmaßung der Mullahs, sich zum Gottesstaat zu krönen, ist eine Gotteslästerung.

  • Bin auch dieser Meinung aber dann muss Saudi Arabien genau so auf die Terrorliste. Von den wöchentlichen Hinrichtungen von Oppositionellen und Schwulen lesen wir nichts.

    Oder sind die moralischer als die Iraner weil sie von uns Waffen kaufen und Öl liefern?

    • @AndreasHofer:

      „ Bin auch dieser Meinung aber dann muss Saudi Arabien genau so auf die Terrorliste.“

      Aus rein moralischer Sicht haben Sie recht. Den großen Unterschied zw. Iran und Saudi Arabien dürfen wir aber nicht ignorieren.

      Im Iran leisten die Menschen seit über 40 Jahren Widerstand gegen das herrschende Gottesstaat und bis jetzt haben Tausende Menschen mit ihrem Leben hierfür bezahlt. Die Mehrheit der iranischen Gesellschaft lehnt eindeutig die islamistische Herrschaft ab. Für mich sind diese zwei Länder nicht miteinander vergleichbar und somit wäre auch gleiche politische Parteinahme hier nicht angemessen.

      • @ghost dog:

        Ich denke dass durch die regelmässigen Hinrichtungen in Saudi Arabien jeder Widerstand im Keim erstickt wird.

    • @AndreasHofer:

      Volltreffer!

    • @AndreasHofer:

      Step by step.



      Erstmal den Iran mit seinen Atomfabriken angreifen.

  • Nun, einzelne Schritte muss man sich schon vorbehalten. Politischerweise. Immerhin wissen wir, daß der Iran Sanktionen im Staatsblut hat.

  • 》Will man doch noch einpaar Türen offen lassen, um im Falle der Weiterexistenz des Gottesstaats mit ihm Geschäfte machen zu können? Schließlich istIran das zweitgrößte Land mit Gasreservenund das viertgrößte Land mit Ölreserven – genau das, was Europa gerade braucht《

    Mein Eindruck: das AA, Baerbock, sitzen die Sache aus - "feministische, wertegeleitete Außenpolitik" war von Anfang an nichts weiter als ein Aushängeschild.

    Und ja, wenn der Aufstand niedergeschlagen ist, geht's weiter wie bisher.

  • Chameini und sein Klerikalregime werden geschützt.

    Z. B. wenn Baerbock im Bundestag meint, der Terror gegen die Frauen im Iran habe nichts, aber auch gar nichts mit Religion zu tun.

    Und das, obwohl sich das iranische Regime selbst als islamische Republik bezeichnet und laut der eigenen Verfassung als Gottesstaat versteht, dessen offizielles Oberhaupt der Mahdi ist, der letzte und verborgene Imam, eine Erlöserfigur in der Shia, der bis zu seiner Wiederkehr vom obersten Rechtsgelehrten, dem Ayatollah, vertreten wird.

    Chameini ist also der Vertreter Gottes. Er spricht und handelt als solcher.

    Nun, vielleicht will die EU noch Öl vom Iran? Kaum anzunehmen. Das wäre mit einer neuen nicht faschistischen Regierung leichter.

    Atomwaffengespräche? Der Iran hat längst seine Bombe.

    Die EU macht sich wieder einmal nur lächerlich. Deutschland sowieso.

  • Das ganze beschissene Regime gehört auf die Terrorliste und wenn sich die halbwegs zivilisierten Nationen darauf verständigen würden, die ökonomischen Beziehungen zu dem Horror-Regime zu beenden, wären wir einen Schritt weiter.