Heuschnupfen breitet sich aus: Haaatschi!
Immer mehr Menschen leiden unter Heuschnupfen. Unser Autor ist seit seiner Kindheit Allergiker und ruft zum Kettensägen-Aufstand.
Der Frühling kann weg, der Sommer auch, der Herbst ist mit seinem unbeständigen Wetter eh nicht zu gebrauchen, und wer den Winter wirklich mag, der hat ein gestörtes Temperaturempfinden. Außerdem geht es in manchen Wintern auch schon los – mit der Haselnuss. Es gibt Jahre, in denen Haselnusssträucher schon im Dezember beginnen, die Menschheit mit ihren Pollen zu drangsalieren.
Jetzt ist es raus. Ich bin Allergiker. Wenn ich im Frühling eine Birke sehe, muss ich an Kettensägen denken. Ich leide unter Heuschnupfen und allergischem Asthma. Gerne erzähle ich das nicht. Allergiker gelten oft als Schwächlinge. Ich kenne nicht wenige, die abstreiten, dass sie unter einer Allergie leiden. Einen richtigen Infekt zu haben, wäre ihnen lieber. Der geht nämlich wieder weg. Im Gegensatz zu Heuschnupfen. Der bleibt einem erhalten. Und wer will schon von sich sagen, dass er zu den Vulnerablen gehört?
Aber Stopp! Bloß nicht jammern. Eine Allergie ist in den Augen vieler irgendwie keine echte Krankheit, sondern eben bloß ’ne Allergie. Also kein Mimimi. Das kommt nie gut an.
Nur: Ich musste schon mehrmals den Notarzt rufen, weil ich keine Luft mehr bekommen habe. Schon als Kind wurde ich regelmäßig mit Kortison behandelt. Man kann das an den Schwangerschaftsstreifen sehen, die ich an vielen Stellen am Körper habe. Ich bin ein Bindegewebsschwächling. Monatelange Spritzenkuren haben nicht zu der versprochenen Desensibilisierung geführt.
Alles habe ich versucht – alles. Ich gestehe: Ich habe sogar Kügelchen eingeworfen und mir irgendeine homöopathische Substanz unter die Haut gespritzt, obwohl ich doch weiß, dass Homöopathie nicht hilft. Kiloweise schulmedizinische Medikamente habe ich sowieso genommen. Zur Pflege meiner Lunge sind wir im Frühjahr obendrein mal an die Nordsee gefahren, obwohl es uns da eigentlich gar nicht gefällt. Im Garten vor der Ferienwohnung standen drei Birken. Es war die Hölle! Warum ist dieses Unkraut unter den Laubbäumen überhaupt erlaubt? Wo bleibt die Gründung einer Verbotspartei, wenn man sie braucht?
Im Ernst. Es muss etwas passieren. Schwächlinge aller Länder, vereinigt euch! Allergien müssen auf die politische Agenda. Dafür gilt es zu kämpfen. Heuschnupfen ist eine Zivilisationskrankheit. Die Zahl der Menschen, die darunter leiden, stieg innerhalb von einem Jahrzehnt um 11,5 Prozent. Weil sich das Klima erwärmt, schwirren immer mehr Birken- und Gräserpollen durch die Luft, Feinstaub und Stickoxide machen die Pollen aggressiver, Schadstoffe in der Umgebung verstärken die Symptome.
Wenn der Kampf gegen Klimawandel und Luftverschmutzung weiter so boykottiert wird, wie es FDP und Bild-Zeitung gerade tun, dann hilft nur noch ein millionenfaches Niesen aller Allergiker, um die Gegner umzupusten. Also: Auf die Plätze! Fertig! Hatschi!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?