piwik no script img

Hertha BSC spielt gegen den BVBEin Remis und jede Menge Verlierer

Hertha-Ultras brennen bengalische Feuer in der Kurve ab. Als die Dortmunder Polizei eingreift, eskaliert die Auseinandersetzung.

Die Berliner Ultras zünden Feuerwerkskörper in Dortmund Foto: dpa

Immerhin die Berliner konnten sich leidenschaftlich freuen, nach einem Fußballspiel, das genug Stoff bot, um einen kleinen Band bunter Erzählungen zu füllen. Ein Heldenstück über Salomon Kalou dürfte zum Beispiel nicht fehlen, der Berliner Angreifer hatte trotz der vielen Erfolge in der ersten Phase der Saison noch keinen einzigen Treffer erzielt, nun sind ihm beim 2:2 von Hertha BSC in Dortmund beide Tore gelungen.

Eine Geschichte könnte Mario Götze feiern, der wie schon drei Tage zuvor gegen Atlético Madrid­ ein hervorragendes Spiel der Sturmspitze gemacht hatte. „Er findet Lösungen für die anderen, er hilft viel in der Defensive, er läuft viel, presst, das ist sehr gut“, sagte Trainer Lucien Favre.

Dann war da noch Jadon Sancho, der beide Dortmunder Tore geschossen hat, nach dem ehemaligen Hamburger Heung Min Son ist der 18-Jährige nun der zweitjüngste ausländische Spieler der Bundesligageschichte, der in einer Partie doppelt traf.

Vor allem aber diskutierten die Dortmunder nach dem Abpfiff über Dan-Axel Zagadou. Der 19-jährige Innenverteidiger spielt seit Wochen unglaublich souverän, raubt einem prominenten Stürmer nach dem anderen den Nerv, trägt mit einem brillanten Passspiel zum Aufbau bei, auch gegen Berlin war der Franzose großartig.

Derartige Ausschreitungen gab es lange nicht

In der Nachspielzeit ließ er sich allerdings zu einem Foul an Davie Selke im Strafraum hinreißen, was den BVB um den Sieg brachte. „Ein bisschen naiv“ habe der Tabellenführer in der Schlussphase agiert, als es darum ging, den knappen 2:1-Vorsprung über die Zeit zu retten, sagte Kapitän Marco Reus.

In den kommenden Tagen und Wochen wird die Frage diskutiert werden, ob sich in solchen Fehlern die Schattenseite des freudvollen und von der Unbekümmertheit der vielen jungen Dortmunder Profis getragenen Fußballs zeigt. Und jenseits dieser Geschichten vom Rasen gab es da noch die Ausschreitungen in der ersten Halbzeit, die es in dieser Form in der Bundesliga schon sehr lange nicht mehr gegeben hat.

Das halbe Stadion schaute bis zur 20. Minute auf die Schlacht vor dem Gästeblock

Eine behelmte Polizeieinheit war nach rund 10 Minuten in den Bereich zwischen dem Gästeblock und dem Spielfeld eingelaufen, es kam zu einem Gewaltausbruch, der die Freude an diesem wunderbaren Fußballspiel bis zum Abpfiff spürbar eintrübte.

Zuvor hatte die Berliner Ultragruppierung „Hauptstadtmafia“ ihr 15-jähriges Bestehen mit dem Abbrennen von Pyrotechnik gefeiert, durch die starke Rauchentwicklung hätten sich „zehn unbeteiligte Besucher der Veranstaltung mit Verletzungen der Atemwege“ ärztlich behandeln lassen müssen, teilte die Polizei später am Abend mit.

Zwei Sanitäranlagen komplett zerstört

Die Ultras hatten – wie in solchen Fällen üblich – ein großes Banner verwendet, unter dem sie sich vor dem Abbrennen ihrer Feuerwerkskörper vermummten, um später nicht über Kameraaufnahmen identifizierbar zu sein.

„Nachdem die Fahne im Anschluss durch die Berliner vor dem Block abgelegt wurde, sollte diese zur Verhinderung weiterer Straftaten sichergestellt werden“, heißt es in der Stellungnahme der Polizei. Das führte zur Eskalation. „Nach der polizeilichen Intervention wurden zwei große Sanitäranlagen komplett zerstört und einschreitende Polizeikräfte mit zerstörter Sanitärkeramik, abgetretenen Toilettentüren und abgebrochenen Fahnenstangen durch vermummte Straftäter erneut angegriffen“.

Das halbe Stadion schaute zwischen der 10. und der 20. Minute auf die Schlacht vor dem Gästeblock, und nicht wenige Dortmunder Zuschauer unterstützten die Berliner Gewalttäter, indem gemeinsam „Alle Bullen sind Schweine“ gesungen wurde. Als die Lage beruhigt war, stellten der Berliner Block, aber auch ein Teil berühmten gelben Wand ihren Support komplett ein.

Die Vorkommnisse seien „eine „Katastrophe“, sagte Hertha-Manager Michael Preetz, Pyrotechnik und Gewalt gehörten nicht in ein Fußballstadion, „insofern ist das heute eine ganz bittere Stunde für den deutschen Fußball und insbesondere für Hertha BSC“.

45 Verletzte am Ende der Auseinandersetzungen

Am Abend versprach der Klub dann in einem Schreiben, „alles daran zu setzen, die Störer zu identifizieren“, zwischen den Zeilen wurden aber zugleich Zweifel am Vorgehen der Polizei erkennbar. „Noch schlimmer“ als das Abbrennen des Feuerwerks seien „die Gewaltszenen gegenüber der Polizei“, man werde „auch die Gründe für den Polizeieinsatz mit den Ordnungskräften“ analysieren.

Am Ende der Auseinandersetzungen war von 45 Verletzten die Rede, 35 davon als Folge des Tränengaseinsatzes der Beamten. Sanitäter kamen in den Block, um auch Unbeteiligte zu behandeln, die unter den Folgen des Gaseinsatzes litten. Der Umgang mit Fans, die Pyrotechnik abbrennen, bleibt hochkompliziert.

Zwar handelt es sich um eine Straftat, dagegen vorzugehen führt aber fast zwangsläufig zur Eskalation wie am Samstag, zu vielen Verletzten, zu hässlichen Szenen. Es ist eine Lose-lose-Situation, genau deshalb sieht die Polizei in der Regel tatenlos zu, wenn Feuerwerk in den Kurven der Stadien brennt. An diesem Nachmittag war zu sehen, was passiert, wenn die Sicherheitskräfte anders agieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Ich kann nicht nachvollziehen was die Hooligans dazu bewegt. Lebenslanges Stadionverbot ist hier angebracht.

  • Schade, dass es so hässliche Szenen immernoch im Fußball gibt. Mein größter Respekt gilt unserer Polizei, die sich solchen Idioten in den Weg stellt, um uns zu schützen.

    • @joschi88:

      Könnten Sie bitte präzisieren, wen die vorgenommenen Handlungen geschützt haben? Die 35 Reizgasopfer werden sich in wahrscheinlich kaum bei der Polizei für diesen "Schutz" bedanken... Wie im Artikel bereits geschildert, wird in solchen Fällen üblicherweise nicht eingegriffen, um Verletzte zu vermeiden. Aber da es sich ja nur um ein paar "Idioten" handelt, kann man ja mal auf physische Gewalt zurückgreifen