Hausdurchsuchung bei Hamburger Studentin: Kapitalismuskritik? Lieber ohne Kurden
Die Polizei durchsucht das WG-Zimmer einer Frau, die 2023 einen Kongress mit kurdischen Gruppen organisiert hat. Schon damals intervenierte der Staat.
Der Grund für die Hausdurchsuchung: Verdacht auf Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach Paragraph 129b – konkret: der kurdischen Arbeiterpartei PKK. D. hatte als Mitarbeiterin des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Uni Hamburg 2023 eine Konferenz mitorganisiert: „We want our world back“ hieß die, zu Wort kamen Kapitalismuskritiker*innen, Wissenschaftler*innen, Klima- und Frauenrechtsaktivist*innen – viele haben einen kurdischen Hintergrund, manche bezogen sich direkt oder indirekt auf die Kritik an der „Capitalist Modernity“ von PKK-Gründer Abdullah Öcalan.
Dass die Konferenz dem Staat ein Dorn im Auge ist, wird schon damals klar: Der Hamburger Verfassungsschutz warnt den Unirektor vor „PKK-Nähe“ – und der kündigt kurz vor Beginn der Konferenz die bereits zugesagten Räume. In letzter Minute können die Veranstalter*innen ins Bürgerhaus Wilhelmsburg umziehen.
Die Absage der Konferenz an der Hamburger Uni schlägt 2023 hohe Wellen – als „Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit“ und „Absage an den wissenschaftlichen Diskurs“. Über hundert Wissenschaftler*innen unterzeichnen einen Protestbrief des AStA, darunter drei Professor*innen der Hamburger Uni – und Philosoph Noam Chomsky.
Solidarisierung ist strafbar
Trotz der riesigen internationalen Solidarität bleibt die Uni bei ihrer Absage. Die Veranstaltung mit mehr als 1.000 Teilnehmenden muss umziehen. Die einzelnen Beiträge der Konferenz werden auf Youtube gestreamt, zwischen 40 und 890 Mal wurden sie bis heute aufgerufen – eine überschaubare Resonanz.
Doch vorbei ist es damit nicht, denn mindestens einmal angeklickt hat die Videos offenbar die Staatsanwaltschaft. Die Hausdurchsuchung bei D. wird im Untersuchungsbefehl nur mit ihrer Verantwortung für die Organisation und, so D., „mit sehr langen Zitaten aus der Konferenz“ begründet.
Die PKK ist in Deutschland verboten. Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs von 2011 wird sie üblicherweise nicht mehr nur als kriminelle Vereinigung gewertet, sondern als ausländische terroristische Vereinigung nach Paragraph 129b. Demnach ist jede Aktivität, die sich als Unterstützung oder Solidarisierung mit der PKK lesen lässt, prinzipiell verdächtig, Terror zu unterstützen – und auch dann strafbar, wenn die Aktivität selbst eigentlich strafrechtlich irrelevant wäre.
D. zeigt sich geschockt und „super wütend.“ Den Vorwurf der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung findet sie absurd. „Ich organisiere eine Konferenz und eineinhalb Jahre später reicht das aus für so einen Eingriff in die Privatsphäre. Das ist unverhältnismäßig“, sagt D. Sie sei durchaus „solidarisch mit der kurdischen Bewegung“, doch von ihrer politischen Arbeit, so D., mache das „einen eher kleinen Teil aus“.
Der Hamburger Verfassungsschutz sieht für die verbotene PKK im Stadtstaat ein Potenzial von 500 Anhänger*innen. Warum gerade D. in den Fokus der Staatsanwaltschaft gerät, wird nicht klar. Zum laufenden Verfahren will sich die Staatsanwaltschaft am Donnerstag nicht äußern. Und wie viele Ermittlungen es jährlich aufgrund von PKK-Nähe gebe, werde statistisch nicht erfasst. Ganz allgemein erhoffe man sich, durch Hausdurchsuchungen Beweismittel aufzufinden.
Hausdurchsuchung als „Einschüchterungsversuch“
D. glaubt nicht, dass es den Behörden bei den Ermittlungen gegen sie darum ging, einen Schlag gegen die PKK zu landen. „Es geht nur um die Repression; darum, Solidarität zu unterbinden. Solche Maßnahmen erzeugen ein Ohnmachtsgefühl.“ Auch wenn am Ende kein Verfahren folge und die Ermittlungen im Sande verliefen bliebe für sie als Betroffene der Eingriff in die Privatsphäre.
Das sieht der AStA Hamburg ähnlich. „Wir halten das Ermittlungsverfahren für einen Einschüchterungsversuch und sehen darin einen skandalösen Angriff auf die Organe der studentischen Selbstverwaltung“, schreibt die Studierendenvereinigung in einem Statement. Die Hausdurchsuchung füge sich ein in ein Klima zunehmender staatlicher Repression gegen kurdische Organisationen“. Häufig geschehe dies „auf Drängen der türkischen Regierung“.
Aus einem Statement der Studierendenvereinigung
Direkt gegen die Landesregierung richtet sich die Kritik von Cansu Özdemir, justizpolitische Sprecherin der Hamburger Linksfraktion: Das Strafverfahren sei „ein weiterer Versuch, kurdischen Aktivismus zu kriminalisieren“, schreibt sie. Und: „Wie schon beim Verbot der Konferenz macht sich die Hamburger Innenbehörde erneut zum willigen Handlanger des Autokraten Erdogan.“
„Es muss doch noch erlaubt sein, über das PKK-Verbot zu reden“, findet auch D. „Die Repression fühlt sich besonders absurd an, während man zeitgleich pragmatisch versucht, die Al-Qaida-Nachfolger von der Liste von Terrororganisationen zu streichen“.
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