Harris vs. Trump: Der Kontrast könnte kaum größer sein
Das TV-Duell wurde zum großen Schlagabtausch. Kamala Harris stichelte gegen Donald Trump, der ließ sich immer wieder aus dem Konzept bringen.
Über 90 Minuten hinweg versuchten die beiden Kandidat:innen, ihre Perspektiven und Visionen für Amerika zu präsentieren. Und der Kontrast hätte dabei wohl kaum größer sein können. Trump bezeichnet die USA mehrmals als eine „scheiternde Nation“ und gab der aktuellen Regierung um Präsident Biden die Schuld dafür. Harris, die Teil dieser amtierenden Regierung ist, sprach hingegen von einer Nation, in der die Menschen gemeinsam für eine besser Zukunft kämpfen.
Die vom US-Fernsehsender ABC News produzierte Debatte startete gleich mit einem Paukenschlag, als Harris schnurstracks auf Trump zumarschierte und sich mit einem Handschlag vorstellte. Es war nämlich nicht nur die erste Debatte zwischen den beiden Kontrahenten, sondern gleichzeitig auch das erste persönliche Aufeinandertreffen überhaupt.
„Trump wurde von 81 Millionen Menschen gefeuert“
Erörtert wurden die großen Themen im diesjährigen Wahlkampf wie Wirtschaft, Einwanderung, Abtreibung und die beiden Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen. Wie so oft im US-Wahlkampf blieb die Substanz leider zum großen Teil auf der Strecke. Bereits nach wenigen Minuten war ersichtlich, dass Harris eine einfache Strategie verfolgt. Sie köderte Trump immer wieder mit kleinen Sticheleien, um ihn aus dem Konzept zu bringen. Und der Ex-Präsident ließ sich darauf ein.
Und auch ohne Publikum hatte die Debatte einiges an Feuer zu bieten. Harris kritisierte Trumps Wirtschaftspläne, machte sich über seine Bewunderung für Diktatoren lustig und bestätigte, dass er die Wahl vor vier Jahren tatsächlich verloren hatte. „Donald Trump wurde von 81 Millionen Menschen gefeuert“, sagte die 59-Jährige mit Anspielung auf die Anzahl von Stimmen, die Präsident Biden 2020 erhielt.
Trump selbst gesteht auch fast vier Jahre nach seiner Niederlage diese nicht ein und erklärte erneut, viele Beweise und Statistiken zu haben, die seinen Sieg belegen würden. Dieser Fokus von Trump auf die Vergangenheit, sei es der angeblich gestohlene Wahlsieg oder Mutmaßungen darüber, dass es unter seiner Führung zum Krieg in der Ukraine erst gar nicht gekommen wäre, nutzte Harris umgehend aus.
„Ich bin nicht Joe Biden und schon gar nicht Donald Trump. Und was ich anbiete, ist eine neue Führungsgeneration für unser Land“, sagte die Vizepräsidentin.
Auch Trump konnte punkten
Harris wirkte über weite Strecken der Debatte besser vorbereitet und gelassener als ihr Gegenüber. Trump gelang es jedoch beim Thema Einwanderung und den politischen Kurswechseln, die seine Kontrahentin in den vergangenen Jahren vollzogen hat, zu punkten.
„Sie ist eine radikale Linke“, die ihre Politik danach ausrichte, wie der politische Wind gerade weht, erklärte Trump. „Sie wird euch eure Waffen wegnehmen und Fracking in Pennsylvania verbieten“, fügte der 78-Jährige hinzu. Fracking, das zur Gewinnung von Erdgas und Erdöl genutzt wird, ist in dem so wichtigen Swing State Pennsylvania von großer Bedeutung, da viele Arbeitsplätze daran hängen.
Wahlkampf mit Hetze gegen Migranten
Auch die Situation an der US-mexikanischen Grenze spielt Trump in die Karten. Zwar ist in den vergangenen Monaten die Zahl der unerlaubten Grenzübertritte stark zurückgegangen, doch Umfragen zeigen, dass viele Amerikaner weniger Einwanderung wollen und Trump als denjenigen betrachten, der dies umsetzen kann. Trump machte immer wieder die, wie er sagt, unkontrollierte Einwanderung für die Kriminalität im Land verantwortlich.
Weniger produktiv war vermutlich seine Erwähnung eines unbestätigten Berichts, der auf vielen rechten Onlineseiten verbreitet wird. Darin wird behauptet, dass Migranten aus Haiti in einem Ort in Ohio für Chaos sorgen und sogar Haustiere stehlen, um diese dann zu essen. Lokale Behörden erklärten bereits im Vorfeld, dass es keine glaubwürdigen Beweise für diese Vorkommnisse geben würde.
Trump wiederholte während der Debatte auch seine altbekannten Behauptungen, dass die Biden-Regierung das amerikanische Justizsystem gegen seine Person missbrauchen würde und dass die ganze Welt Präsident Joe Biden und damit auch die USA als schwach ansehen würden.
Taylor Swift spricht sich für Harris aus
Am Ende waren beide Lager zufrieden. Harris' Wahlkampfteam erklärte, dass die Vizepräsidentin für eine weitere Debatte im Oktober bereitstehen würde. Trump wollte sich darauf allerdings noch nicht einlassen, obwohl es seiner Meinung nach „seine beste Debatte“ war.
Für Harris kam die vielleicht bedeutendste Nachricht erst kurz nach dem Ende der Debatte. Musik-Superstar Taylor Swift erklärte in einem Instagram-Post, dass sie im November für Kamala Harris und deren Vizekandidaten Tim Walz stimmen werde. „Ich halte sie (Harris) für eine besonnene, begabte Führungspersönlichkeit und bin überzeugt, dass wir in diesem Land viel mehr erreichen können, wenn wir von Ruhe und nicht von Chaos geleitet werden“, schrieb Swift in dem Post.
Ob die Kandidaten mit der Debatte auch wichtige unabhängige Wähler für sich gewinnen konnten, bleibt abzuwarten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe