Harmonischer Wahlkampf in München: Und alle sind für Willy

Nur noch noch sechs Kandidatenteams sind übrig und die Basis hat das Wort. Die SPD hat in Eintracht ihren Wahlkampf um ihre Vorsitzenden beendet.

Die Kandidaten für den Parteivorsitz der SPD stehen bei der letzten Regionalkonferenz auf der Bühne und halten übergroße Ballons mit der Aufschrift "#UnsereSPD"

Die Regionalkonferenzen sind beendet – der Ball liegt nun in ihrem Feld Foto: dpa

MÜNCHEN taz | „Tja, das ist jetzt euer Problem“, sagte Lars Klingbeil am Ende. Man hatte den Eindruck, als sei der Generalsekretär der SPD tatsächlich froh, dass die amtierende Parteiführung diesmal nicht für die nun kommende Entscheidung in Haftung genommen werden kann. „Der Ball liegt nun bei euch“, rief Klingbeil in den Saal des Münchner Löwenbräukellers und ließ von den Kandidaten um den SPD-Vorsitz symbolisch sieben riesige weiße Luftballons ins Publikum werfen. Rund tausend bayerische Genossen saßen hier stellvertretend für die Basis der SPD, um die Kandidatenteams für den Parteivorsitz kennenzulernen.

Begonnen hat die 23. und letzte der regionalen Vorstellungsrunden zwar nicht gerade mit einem Paukenschlag, aber doch einer gewissen Überraschung in diesem späten Stadium des Schaulaufens: Eines der sieben Teams, die sich um die Nachfolge von Andrea Nahles im Parteivorsitz beworben hatten, verabschiedete sich aus dem Rennen. Die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis und der ver.di-Chefökonom Dierk Hirschel zogen ihre Kandidatur zurück – in der Hoffnung, es damit einem der anderen „linken Teams“ leichter zu machen.

Zum Beispiel dem aus der Bundestagsabgeordneten Saskia Esken und dem ehemaligen NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans bestehenden Gespann. Borjans – das ist der, der die Steuer-CDs aufgekauft hat – äußerte denn auch zum wiederholten Mal die Befürchtung, die Partei könne in der GroKo – vom Kompromiss kompromittiert – in die „neoliberale Pampa“ verschleppt werden.

Die Teams gaben sich leidenschaftlich und schlugen sich tapfer, wobei: Von Schlagen konnte nicht wirklich die Rede sein. Vielmehr war allen auf dem Podium sichtlich daran gelegen zu zeigen, wie wichtig ihnen der Zusammenhalt der Partei, der fairen Umgang miteinander ist. Fast konnte man fürchten, nun werde bald einer der Anwärter der CSU den Terminus der „legendären Geschlossenheit“ streitig machen.

Kein Pakt mit „rechten Idioten“

So weit kam es nicht; stattdessen beschwor man – auch hier in demonstrativer Eintracht – den Kampf gegen den Rechtsextremismus. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, der mit Christina Kampmann, Nordrhein-Westfalens ehemaliger Familienministerin, antritt, bezeichnete die SPD als „das älteste Bündnis gegen Rechts“.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius sprach von der „größten Gefahr seit dem Zweiten Weltkrieg“ und forderte: „Die wehrhafte Demokratie muss jetzt ihre Zähne zeigen“. Und Ralf Stegner empfahl, den Populisten die einfachen Inhalte zu überlassen, aber nicht die einfache Sprache. Und: „Wir paktieren niemals mit diesen rechten Idioten.“

Dann durften die Genossen im Saal noch die eine oder andere Frage an die Kandidaten loswerden. Dabei erfuhren sie etwa, dass die brandenburgische Abgeordnete Klara Geywitz und Partnerin von Olaf Scholz nicht möchte, dass ihre drei Kinder „legal kiffen“. Dass Gesine Schwan nach einer gewonnenen Wahl die Mitbewerber erst mal zum Abendessen einlädt. Und warum Ralf Stegner zum Bedauern der Genossin, die neben ihm saß, so selten gehört werde. Mangelnde Lautstärke werde ihm zwar selten unterstellt, gab Stegner sich überrascht, in der Tat sei er aber einer, der auch immer mal wieder mit Überzeugung Minderheitenmeinungen in der Partei vertrete.

„Willy Brandt hätte das niemals mitgemacht“

Immer wieder nahmen die Kandidatenteams Anleihe bei einem der Männer, die sie im Amt beerben wollen. Nein, nicht bei einem jener Ex-Vorsitzenden, von denen man schon genug habe und die „uns immer wieder das Leben schwer machen“, wie Kampmann beklagte, sondern bei Willy Brandt.

So wies Gesundheitsexperte Karl Lauterbach auf eine Entfremdung zwischen SPD und Jugend hin. Es könne nicht sein, dass die jungen Leute gegen und nicht mit der SPD auf die Straße gingen. „Willy Brandt hätte das niemals mitgemacht.“ Kampmann erinnerte daran, dass schon Brandt den blauen Himmel über der Ruhr gefordert habe, und Pistorius daran, dass er „ohne das Schüler-BaföG von Willy Brandt“ niemals hätte Abitur machen können.

Brandt könnte den Aspiranten auf seine Nachfolge freilich auch in anderer Hinsicht als Vorbild dienen. Schließlich hatte kein anderer das Amt so lange inne wie er: 23 Jahre lang war er Parteichef. Und man trete ja an, „um zu bleiben“, gab Kampmann zu.

Gretchenfrage GroKo

Die Gretchenfrage, die für manchen Genossen vielleicht auch wahlentscheidend sein dürfte, blieb letztlich: Wie halten es die Kandidaten mit der Großen Koalition? Während sich Lauterbach und seine Partnerin, die Umweltpolitikerin Nina Scheer, sowie das Team Esken-Borjans in dieser Frage eindeutig – nämlich gegen die Fortsetzung der Koalition – positioniert haben, vermieden die anderen Kandidaten eine klare Absage, verwiesen etwa wie Scholz auf den Parteitag im Dezember, auf dem ja ohnehin Zwischenbilanz gezogen werden soll.

Auf diesem Parteitag werden dann auch die neuen Vorsitzenden gekürt. Vom 14. bis 25. Oktober können nun die rund 425.000 Parteimitglieder ihre Stimme abgeben – online oder per Briefwahl. Es gilt als wahrscheinlich, dass es im November dann noch eine Stichwahl gibt. Bevor sie selbst sich heute aus dem Rennen verabschiedete, rief Hilde Mattheis ihren Parteifreunden noch zu: „Nehmt diese Chance wahr, es könnte unsere letzte sein!“

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