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Handel zwischen Europa und SüdamerikaWettbewerb mit China reicht nicht

Kommentar von Leila van Rinsum

Die Ampelkoalition will Handelsabkommen vorantreiben, um Peking auszubooten. Das ist paternalistisch. Eher muss Wirtschaften neu gedacht werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz unterwegs nach Lateinamerika Foto: Kay Nietfeld/dpa

D er nachhaltige Umbau der Energiesysteme setzt einen neuen Wettlauf um Ressourcen – und Subventionen – in Gang: Lithium oder Kupfer für Batterien, Flüssiggas und Wasserstoff.

Die rot-grün-gelbe Bundesregierung will deshalb die neoliberalen Handelsabkommen der 2000er Jahre wieder zum Leben erwecken. Der Ceta-Pakt der EU mit Kanada wird vorangetrieben. Neue Partnerschaften mit afrikanischen Staaten werden aufgesetzt und die EU-Afrika-Abkommen namens EPAs überarbeitet. Der EU-Mexico-Vertrag lebt wieder auf.

Jetzt soll das EU-Handelsabkommen mit den lateinamerikanischen Mercosur-Staaten wieder auf den Tisch, nachdem der rechtsextreme brasilianische Regierungschef Bolsonaro durch den linken Lula abgelöst wurde. Vorrangig geht es bei den alten Freihandelsabkommen, die die neue Bundesregierung wieder aus der Schublade geholt hat, um Partnerschaft, betont etwa Bundeskanzler Scholz. Europa will, nein muss China den Rang ablaufen, heißt es gleichzeitig.

Auf einmal sind Politiker und Manager empört, dass China überall Handel treibt – ohne Werte. Zwar produzieren europäische Autohersteller mit Zwangsarbeit durch Uiguren in China, aber Afrika oder Lateinamerika China zu „überlassen“ – das geht natürlich nicht. Diese paternalistische Argumentation offenbart eine internalisierte koloniale Grundstimmung Europas. Klar, die Abhängigkeit Deutschlands oder der EU von China etwa bei vielen Rohstoffen einzudämmen und die Diversifizierung der Lieferketten zu erreichen, ist wichtig. Das bedarf aber einer grundsätzlichen Umstrukturierung unseres Wirtschaftens.

Das Narrativ „im Wettbewerb mit China“ liefert kein ausreichendes Argument dafür, ein über 20 Jahre altes Abkommen voranzutreiben, das viele Ziele in Sachen Menschenrechte und Umweltschutz unterläuft – auch wenn ein bisschen mehr Nachhaltigkeit im Subtext des Vertrags vorkommt. Statt neue Absatzmärkte für klimaschädliche Produkte wie Verbrenner oder Pestizide zu suchen, sollten die Subventionen dafür beendet werden.

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Wirtschaftsredakteurin
ist Redakteurin im Ressort Wirtschaft & Umwelt. Dort schreibt sie über Internationalen Handel und Entwicklungspolitik. Sie war zuvor freie Journalistin in Nairobi und Berlin und schrieb über Nord-Süd Beziehungen, Kapitalismus und Queeres.
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3 Kommentare

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  • "...China zu „überlassen“ – das geht natürlich nicht. Diese paternalistische Argumentation offenbart eine internalisierte koloniale Grundstimmung Europas."



    Dass China in diesem Wettstreit deutlich paternalistisch-kolonialistischer vorgeht, wird bei dieser Argumentation dezent ausgeblendet. Angesichts der zu erwartenden und bereits vorhandenen wirtschaftlichen und militärischen Macht Chinas ließe sich sogar argumentieren, dass sich Europa gegen eine Kolonialisierung Chinas wehren muss.



    Aber es ist natürlich bequemer, in den alten Denkmustern des "kolonialistischen Europas" zu verharren.

    • @Encantado:

      Wie kommen Sie darauf, dass China in Afrika oder Sued-Amerika "paternalistisch" vorgehe?

  • Paternalististisch ist die Expansionspolitik Chinas, die seit Jahren im nahen Osten und in Afrika voranschreitet.



    Die "neue Seidenstraße" wird zwar von chinesischen Firmen gebaut, bezahlt wird sie von den Anrainerstasten. Wenn diese nicht zahlen können, stehen sie in der Schuld Chinas. Ein Umstand, der sich eher ungünstig auf unabhängige Entscheidungen auswirkt. Es gab ein großes Trara, als eine chinesische Firma Teilhaber an der Betreiberfirma des hamburger Hafens werden wollte.



    In Afrika gehört China Infrastruktur unterschiedlichster Art, von militärischen Stützpunkte mal ganz abgesehen. Bei allem Verständnis für die altersbedingte Ablehnung des eigenen Staates: Die deutsche Außen- und Wirtschaftspolitik hat sehr wenig mit der Chinas gemein.



    Es ist ein Fortschritt mit demokratischen Ländern enger zusammen arbeiten zu wollen.



    Für angeschlagene Demokratien, wie Brasilien, ist eine solche Partnerschaft ein Rettungsanker.



    Lula muss liefern. Das heißt Arbeitsplätze schaffen und Alternativen zum Profit durch Umweltzerstörung kreeiren. Lula hat viele Gegner. Es ist gut, wenn er nun von uns Unterstützung erhält.



    Und,ja, Handel treiben heißt auch, dass wir etwas erreichen wollen. Wir wollen weg von Fossilien Energien? Woher sollen die seltenen Erden für die Akkus kommen ? Weiterhin aus China, weil das System so human ist?



    Wer für den Erhalt des Regenwaldes ist und für den Klimaschutz, muss schon was machen. Ich bin froh, dass die Regierung diesen Schritt zur rechten Zeit geht.