Streit über Bienenkiller: Um­welt­schüt­ze­r:in­nen loben EuGH

Mitgliedstaaten dürfen die von der EU verbotenen Pestizide Thiamethoxam und Clothianidin nicht zulassen. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Eine Biene auf einer Blüte

Bienen und andere Insekten wird das EuGH-Urteil freuen Foto: Wolfgang Kumm/dpa

BERLIN taz | Um­welt­schüt­ze­r:in­nen haben begrüßt, dass der Europäische Gerichtshof mehrere Notfallzulassungen für eigentlich in der EU verbotene Pestizide gekippt hat. „Mit diesem Urteil wird nahezu der Hälfte der von den EU-Ländern gewährten Notfallzulassungen für verbotene Pestizide ein Riegel vorgeschoben werden“, sagte Hans Muilerman, Chemikalienbeauftragter des europäischen Pestizid-Aktions-Netzwerks (PAN Europe). Die Organisation hatte das Verfahren mit einer Beschwerde vor einem belgischen Gericht gegen Notfallzulassungen für die Pestizide Thiamethoxam und Clothianidin aus der Gruppe der Neonikotinoide in Gang gebracht.

Eigentlich hat die EU 2018 verboten, Thiamethoxam und Clothianidin im Freiland auszubringen. Mehrere Studien hatten gezeigt, dass praxisübliche Mengen dieser Pestizide Bienen schädigen. Neonikotinoide können Ex­per­t:in­nen zufolge Insekten bereits bei einer niedrigen Dosierung lähmen, töten oder das Lernvermögen und die Orientierungsfähigkeit beeinträchtigen. Das betrifft nicht nur Bienen, sondern auch andere Insekten und Wasserorganismen. Da immer mehr Insektenarten aussterben, wollte die EU das nicht länger hinnehmen.

Doch Belgien und andere Mitgliedstaaten erteilten mehrere Notfallzulassungen. Die EU-Pestizidverordnung erlaubt solche Ausnahmen, wenn sich eine „Gefahr“ nicht anders abwehren lässt. Die „Gefahr“ war zum Beispiel eine Blattlaus, die durch Saugen die Pflanzen mit verschiedenen Vergilbungsviren infiziert. Die Blätter verfärben sich gelblich, die Photosynthese stockt, und die Rübe verkümmert. Das kann die Ernte erheblich schmälern.

Der EuGH bestätigt mit seinem am Donnerstag veröffentlichten Urteil nun, dass die giftigen Stoffe nicht eingesetzt werden dürfen. Das begründet er mit dem europäischem Vorsorgeprinzip. Dieses besagt, dass Pestizide schon verboten werden, wenn ihre Gefährlichkeit nur teilweise bewiesen ist.

Neonikotinoide werden in der Landwirtschaft eingesetzt, um Pflanzen vor Insekten zu schützen. Oft wird bereits das Saatgut mit den Mitteln behandelt, weswegen anschließend die ganze Pflanze die giftigen Stoffe enthält. Vor allem Bienen nehmen das Gift dann über Blüten oder den Nektar der Pflanzen auf.

Thomas Radetzki ist Imker und Vorstand der Aurelia Stiftung, die sich für den Erhalt der Artenvielfalt einsetzt – und zufrieden mit dem Urteil. Er sagt, dass es ein langer Kampf gewesen sei bis zu dem Verbot der Pestizide 2021. „Umso glücklicher bin ich jetzt darüber, dass das Gericht urteilt: ‚es war ernst gemeint‘“, sagte Radetzki der taz.

Das Urteil sei „bahnbrechend“ und werde eine EU-weite Wirkung haben, sagen die Umweltorganisationen. Imker Radetzki kritisiert aber, dass das Urteil „hochspezifisch“ sei. Es betreffe nämlich nicht alle verbotenen Stoffe, für die es Notfallzulassungen gibt. Radekzki hofft aber, dass „eine moralische Wirkung“ von dem jetzigen Urteil ausgeht.

Intransparenz bei Notfallzulassungen

PAN Europe schreibt in einem Bericht, dass zwischen 2019 und 2022 Notfallzulassungen für 24 gefährliche Substanzen erlassen wurden, die eigentlich verboten sind. Insgesamt wurden demnach 236 Notfallzulassungen festgestellt, knapp die Hälfte davon für Neonicotinoide. Die meisten davon in Österreich, Finnland und Dänemark. In Deutschland seien es neun gewesen. Und nur eine Notfallzulassung für Neonicotinoide.

Radetzki beklagt die Intransparenz der Sonderzulassungen. „Wir wissen gar nicht, welche Pestizide eingesetzt werden, obwohl sie schon verboten wurden“, sagt der Vorstand der Aurelia Stiftung. Zwar seien Sonderzulassungen wichtig, sie dürften aber nur dann eingesetzt werden, wenn sie verhältnismäßig und befristet sind.

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