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Hamburgs Skandal-WolkenkratzerElbtower zieht Bahnbrücken runter

Weil beim Neubau der Grund absackt, werden die benachbarten Bahnanlagen streng überwacht. Nun sind die Grenzwerte überschritten, melden Prüfer.

Soll zweieinhalbmal so hoch und entsprechend schwerer werden: Der Elbtower Foto: Stephan Wallocha/Imago

Hamburg taz | Da hat Hamburg wohl nicht den schlausten Platz ausgesucht, um sein höchstes Haus zu bauen. „Elbtower verursacht Schäden an den Bahnanlagen“, meldete dieser Tage die Bürgerinitiative „Prellbock Altona“. Das stehe in einem Bescheid des Amtes für Bauordnung und Hochbau, der im Transparenzportal der Stadt einsehbar ist.

Die Bauarbeiten an dem Turm, der mal 245 Meter hoch werden soll, ruhen seit Herbst 2023, weil der Investor René Benko pleite gegangen ist. Nun schreibt das Amt, vor einer Wiederaufnahme von Bauarbeiten sei der Nachweis zu erbringen, dass „Kompensationsmaßnahmen“ an Bahnbauten erfolgt seien, die infolge inzwischen aufgetretener „Überschreitungen von Grenz- und Alarmwerten angezeigt sind“.

Dass solche Werte in einem Monitoring erhoben werden, hatte die Deutsche Bahn (DB) durchgesetzt, wie die taz 2022 berichtete, weil sie eine Beeinträchtigung des Bahnverkehrs befürchtete. Direkt gegenüber dem schon 100 Meter hohen Bauwerk am Elbufer liegen wichtige Brücken für Fernzüge sowie ein S- und U-Bahnhof.

Die Bahn befürchtete, dass sich der Boden in der Umgebung setzt, wenn die Baugrube ausgehoben wird und der Koloss in die Höhe wächst. Solche „Mitnahmesetzungen“ könnten „die Nutzbarkeit der DB Bauwerke einschränken beziehungsweise einen sicheren Eisenbahnbetrieb unmöglich machen“, schrieb die Bahn in einer Stellungnahme und ließ sich zusichern, dass Schäden behoben werden.

Baugenehmigung läuft aus

Zurzeit verhandelt der Insolvenzverwalter mit Investoren über eine Übernahme des Projekts. In der Diskussion ist der Einzug des Naturkunde­museusms. Doch bevor die Kräne wieder arbeiten, müssten nun jene Maßnahmen erfolgen. Das Amt weist noch darauf hin, dass die Baugenehmigung bis zum 23. März 2026 verlängert sei und danach nur noch einmal bis März 2027 verlängert werden könne. Länger sei „nicht möglich“.

„An den Elbbrücken darf nicht länger va banque mit der Sicherheit des Bahnverkehrs gespielt werden“, sagt Prellbock-Sprecher Michael Jung. Die Gefahr von schweren Schäden wie einer Verschiebung der Gleisanlage mit möglicher Entgleisungsgefahr „wächst mit der Höhe des Turms“, warnte er. Das Haus dürfe nicht höher gebaut werden, sondern gehöre umgeplant oder abgerissen. Und bereits entstandene Schäden müssten „schnellstmöglich behoben“ werden.

Die zuständige Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) sieht die Lage weniger dramatisch. Im Verlauf der Bauunterbrechung habe das Monitoring „Grenzüberschreitungen der sehr eng definierten Grenzwerte aufgezeigt“, teilt Sprecher André Stark mit. Diese beträfen „Differenzsetzungen, Kantungen und Verwindungen“ bei benachbarten Bahnbauten, würden aber von den Sachverständigen als „unkritisch“ in Bezug auf Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit bewertet. Dennoch wolle man die Bauunterbrechung nutzen, um Vorsorge zu treffen, damit später an den Bahn-Bauwerken „gezielte Lagerkorrekturen schneller und einfach durchgeführt werden können“.

Die Bahn bleibt gelassen

Auch die Deutsche Bahn sieht die Sache gelassen. „Die Anlagen und der Zugverkehr sind sicher – für die DB ist Sicherheit immer das oberste Gebot“, sagt ein Bahnsprecher. Bisher seien Setzungen im erwarteten Umfang aufgetreten. Damit diese keinen negativen Einfluss haben, habe die DB 2024 bereits bei einer Brücke ein Lager ausgetauscht. Weitere Kompensationsmaßnahmen unter Federführung der Elbtower Immobilien GmbH sollten in diesem Jahr folgen.

In dem Monitoring werden neun Bauten der Bahn und die U4-Haltestelle der Hochbahn überwacht. Fragen nach der Anzahl der Alarmmeldungen und dem Zeitraum der Maßnahmen beantworten Bahn und Stadtentwicklungsbehörde nicht, da man sich gerade mit allen am Tower beteiligten Parteien in „Abstimmung“ befinde.

Die Verkehrspolitikerin Heike Sudmann (Die Linke) beruhigen solche Aussagen noch nicht. „Wenn man Grenz- und Alarmwerte erreicht, wo es kritisch wird, kann man nicht sagen: ‚Das ist alles normal‘.“ Sie hat nun eine Anfrage an den Senat gestellt, an welchen Bauten Grenzwerte überschritten wurden und was die Verantwortlichen tun.

Auch Peter Schönberger von Prellbock wollte dies genauer wissen. Er nahm über das Transparenzportal Einsicht in die Stellungnahme der mit der Überwachung betrauten Ingenieure. Danach hat sich im Baugrund zwischen Norderelbe und Oberhafenkanal großflächig über mehrere Jahre eine „Setzungsmulde“ ausgebildet, die Einfluss auf die Bahnbauten hat. Deshalb müssten Brückenlager bis zum Ende dieser Setzungen über Jahre mehrfach korrigiert werden, auch wenn nicht weiter gebaut wird. Nach Messungen im Dezember sei wegen Überschreitung zweier Grenzwerte sogar ein Krisenstab einberufen worden, so Schönberger.

Insgesamt sind die Werte laut der Stellungnahme in der Tat noch unkritisch. Bis zum Einbau neuer Lager müsse das Bauwerk aber weiter streng beobachtet werden, so die Ingenieure, auch durch „Sichtprüfungen“ eines Brückeninspekteurs.

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6 Kommentare

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  • Ha Ha Ha HH... politischen Zombies, die in Baden Württemberg das Milliardenloch Stuttgart 21 am Neckar verantworten, treiben ihr Unwesen ebenfalls an der Elbe. In Stuttgart treibt die grün-schwarze Landesregierung die Gier nach Bodenspekulation mit einer zweiten City auf dem Gelände des bisherigen Kopfbahnhofs. In Hamburg ist es die provinzielle rot-grüne Grossmanssucht von Provinzpolitikern - jeder bekommt das, was er/sie gewählt hat!

  • Die TAZ in den Fußstapfen Hanussens: taz.de/Elbtower-In...loslegen/!5895387/

  • taz.de/Scholz-Wolk...aechtnis/!5883941/

    Das war, wohlgemerkt, vor Baubeginn:

    Zitat: "Das Unternehmen weist insbesondere darauf hin, dass „die vorhandene Längsneigung der Bahnsteige im absoluten Grenzbereich der Konformität“ liege. Eine stärkere Neigung führe zu einem „unbeherrschten Zustand, was zum Entzug der Betriebserlaubnis durch das Eisenbahnbundesamt führen kann“."

  • Da gibt es nur eine einzige so unbedingt sofortigst umzusetzende Lösung: Dr. Peter Tschentscher, Regierender Bürgermeister Hamburgs, muss die Bauhöhe des Elbturmes auf die bisher praktisch erreichte Höhe begrenzen. Ein teures Heer der besten Bauingenieure muss dann dafür sorgen, dass wirksame Sicherungsmaßnahmen gegen ein weiteres Absacken oder gar Kippen des Gebäudes ergriffen werden. Das Geld, das für die Erreichung der ursprünglichen Zielhöhe des Gebäudes verplant war, muss nun für diese notdürftige Rettung des Bauprojektes aufgewendet werden. Alles andere (außer Abriss) wäre totale Dummheit a la Trump.

    • @Uwe Kulick:

      Auch wenn der Turm nicht höher gebaut würde, wäre er, fertig gebaut, nicht leichter. Denn der Krempel, der da noch fehlt und die Leute, die sich dann da aufhielten, wögen ja nicht weniger als nichts. Also wäre Investoren zumindest ein Teilrückbau aufzuerlegen, um die die Baugrundbelastung nicht noch weiter steigern zu lassen.

  • taz: *Insgesamt sind die Werte laut der Stellungnahme in der Tat noch unkritisch.*

    Der Elbtower ist ja auch noch keine 245 Meter hoch. Man muss auch kein Bauingenieur sein, denn ein Blick auf das obige Bild genügt, um zu erkennen, dass die Kräfte die der Turm erzeugt, ja auch irgendwo hin müssen. Statik erste Stunde: 'alle Kräfte in x-, y-, und z-Richtung und alle Drehmomente in x-, y-, und z-Richtung müssen Null werden'. Ich sehe aber nur Brücken die das gar nicht aufnehmen können, ohne selbst statische Probleme zu bekommen.

    Der Turmbau zu Babel ist in der Bildenden Kunst ein Symbol menschlicher Hybris. Und was wird dann wohl der Elbtower sein? Mal davon abgesehen, dass der 245 Meter hohe Turm die schöne Hansestadt verschandelt, wird sich der Boden in der Umgebung immer mehr setzen. Also viel Arbeit für Anwaltskanzleien, die dann Klage einreichen werden.