Hamburger Projekt zur Kostenkalkulation: Der Preis der Klima-Schäden

SPD und Grüne in Hamburg wollen bei Investitionen der Stadt die Schäden durch CO2-Emissionen mitberechnen. Das Projekt erhält viel positive Resonanz.

Bagger sind auf einer Baustelle an den Elbbrücken zu sehen.

Gehen mit viel CO2-Ausstoß einher: Baustellen wie hier an den Hamburger Elbbrücken Foto: Marcus Brandt / dpa

HAMBURG taz | Ernteverluste, zerstörte Gebäude oder gesundheitliche Schäden: Die Kosten, die durch den Klimawandel entstehen, sind volkswirtschaftlich höchst relevant. In den realen Preisen etwa für Konsumgüter und Baumaterialien spiegeln sie sich jedoch kaum wider. Auch die öffentliche Hand beachtet bei Investitionen bisher vor allem die unmittelbare Wirtschaftlichkeit, ohne die Kosten für Umweltschäden in die direkten Kosten miteinzurechnen.

In Hamburg planen die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen nun in einem Pilotprojekt erstmals, Emissionskosten einzupreisen. Dazu wollen sie jeweils ein städtisches Bauprojekt und ein städtisches Beschaffungsvorhaben aus dem Liefer- und Dienstleistungsbereich auswählen und zusätzlich zu den wirtschaftlichen Aspekten einen sogenannten CO2-Schattenpreis von rund 201 Euro pro Tonne CO2 einberechnen. Am 1. Dezember stimmt die Hamburger Bürgerschaft über den Antrag ab. Wird er angenommen, sollen die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt bis Ende 2023 ausgewertet werden.

Wie die Fraktionen in ihrem Antrag schreiben, soll mithilfe dieses fiktiven CO2-Preises der tatsächliche wirtschaftliche Wert beurteilt werden – also auch zukünftige Schadenskosten, die durch das CO2 entstehen, im Marktpreis jedoch noch nicht enthalten sind – zum Beispiel Schäden durch Starkregen und extreme Dürren. „Vermeintlich billige Preise lügen: Sie spiegeln die tatsächlichen Folgekosten für Gesellschaft, Umwelt, Gesundheit und das Klima nicht wider“, erklärt Rosa Domm, klimapolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion.

Deutschlandweit gibt es bereits eine CO2-Bepreisung. Im Gegensatz zu dem in Hamburg geplanten Schattenpreis wird diese aber über ein nationales Emmisionshandelssystem gesteuert. Dabei müssen Unternehmen, die CO2 ausstoßen, Emissionsrechte in Form von Zertifikaten kaufen. Die Preise dafür bilden sich am Markt aus Angebot und Nachfrage, decken jedoch nicht zwingend die tatsächlichen Folgekosten von Emissionen ab. Derzeit liegen die Kosten für die bundesweiten CO2-Zertifikate bei einem Festpreis von 25 Euro pro Tonne CO2.

Katja Schumacher, Öko-Institut

„Bisher haben die Schäden keinen Preis“

Katja Schumacher vom Öko-Institut begrüßt den Vorstoß der Hamburger Regierungsfraktionen. Der Antrag sei der Weg der Wahl: „Bisher haben die Schäden keinen Preis. Dieser Ansatz trägt zum Klimaschutz bei.“ Ähnlich sieht es der Umweltverband BUND in Hamburg: „Man macht sich was vor, wenn man die Folgekosten für das Klima nicht berücksichtigt. Daher ist es grundsätzlich ein sehr spannendes und wichtiges Projekt“, sagt Pressesprecher Paul Schmid. Es könne wichtige Erkenntnisse darüber liefern, was es kostet, „was wir dem Klima antun“.

Auch Stephan Jersch, Fachsprecher für Umwelt der Hamburger Linken, beurteilt den Antrag als Schritt in eine richtige Richtung: „Den Klimaeffekt in Planungsprojekte einzupreisen, bringt natürlich etwas und dürfte den Schwerpunkt verschieben. Bei der Planung der U5 hätte dieser Ansatz sicherlich einen Effekt gehabt.“

Der Ansatz sei aber nicht konsequent, sagt Jersch. So berücksichtigt der Antrag einen CO2-Preis, der die Schäden für heutige Generationen höher gewichtet als die langfristigen Schäden für künftige Generationen. „Gerade auch auf Grundlage des Bundesverfassungsgerichtsurteils wäre es folgerichtig, dass man die Kosten für die folgenden Generationen gleichwertig miteinpreist.“ Statt 201 Euro pro Tonne CO2 ergäben sich dann laut Umweltbundesamt 698 Euro.

Vor allem hält Jersch das dahinter liegende grundsätzliche Denken für falsch: „Das Klima ist unbezahlbar und ein Wert an sich. Das sollte man nicht abwägen, sondern immer vo­ranstellen.“ Statt eines CO2-Preises spricht er sich für ein festes Treibhausbudget aus. Das würde ähnlich wie ein Finanzhaushalt funktionieren: Es gibt eine begrenzte Menge CO2, die in einem bestimmten Zeitraum ausgestoßen werden darf. Plant man dann etwa ein Bauprojekt, bucht man das dort anfallende CO2 vom Budget ab.

Leider nur ein Pilotprojekt

Auf taz-Anfrage betont Friedhelm Keimeyer vom Öko-Insititut, dass verschiedene Ansätze nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten: „Wir sollten CO2-Budget und Schattenpreis zusammen denken.“ Der Schattenpreis könne Aspekte berücksichtigten, die durch Ordnungspolitik nicht geregelt würden.

Auch wenn er wie seine Kollegin Schumacher die grundsätzliche Richtung befürworte, sei das Vorhaben „zurückhaltend“, ergänzt Keimeyer: „Es ist schade, dass es nur ein Pilotprojekt ist und man nicht direkt in die Umsetzung geht.“

Der BUND fordert zudem, das Projekt auf Dauer auszuweiten: „Wenn die Ergebnisse belastbar und gut sind, ist Hamburg in der Pflicht, sich über den öffentlichen Bereich hinaus für eine CO2-Schattenbepreisung einzusetzen. Auch in privaten Projekten müssen die wahren Kosten berücksichtigt werden.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.