Hamburger Koalitionsvertrag: Rot-Grün macht weiter – so!
Für ein reiches Bundesland wie Hamburg sind die Pläne von SPD und Grünen ziemlich unambitioniert. Aber beim Thema Abschieben packt sie der Ehrgeiz.

W enn ein Regierungsbündnis fortgesetzt wird, und das sogar zum zweiten Mal, liegt es in der Natur der Sache, dass einem viele Dinge im Koalitionsvertrag bekannt vorkommen. Und ebenso gehört es zu den parlamentarischen Gepflogenheiten, dass die Opposition dann kritisiert, die Vereinbarung sei nichts als ein „Weiter so“, wie es CDU und FDP prompt gleichlautend taten.
Doch jenseits des Rituals haben sie Recht: Der rot-grüne Koalitionsvertrag liest sich nicht gerade überambitioniert. Worte wie „fortsetzen“, „weiterhin“ oder „verstetigen“ springen einen förmlich an. Und die Problemlösungen, für die der neue Senat sich in Berlin „einsetzen“ möchte, sind kaum zu zählen. Fragt man sich dagegen, was das große Projekt dieser Koalition sein soll, sucht man vergebens.
Oder soll man den Bestandsschutz für Parkplätze und die Abkehr von einem konkreten Ziel beim Fahrradwegeausbau schon als programmatisches Highlight verstehen?
Das ist vor allem deswegen traurig, weil das reiche Hamburg die finanziellen Mittel für große Würfe durchaus aufbringen könnte. Und es ist ja nicht so, dass es keine großen Probleme gäbe.
Für die Klimapolitik fehlt ein frischer Impuls. Da haben SPD und Grüne zwar niedergeschrieben, dass die Zukunft der Fotovoltaik gehört. Aber das Allerleichteste fehlt: Eine konkrete Verpflichtung, dass die Stadt endlich wenigstens ihre eigenen Dächer mit Solaranlagen versieht, die der alte Senat auf den letzten Metern verstolpert hatte.

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Gegen die Wohnungsnot fällt den Koalitionären nicht viel mehr ein, als das schon in den Vorjahren nicht erfüllte Ziel „10.000 Baugenehmigungen im Jahr“ wieder aufzulegen. Nur muss die ja auch jemand bauen. In der Konjunkturkrise müsste die Stadt hier, antizyklisch, im großen Stil als Bauherr einspringen.
Allein schon, um den vielen Geflüchteten eine Perspektive zu schaffen, deren jahrelanges Festhängen in öffentlichen Unterkünften nicht nur irrsinnig teuer, sondern auch im Koalitionsvertrag als Integrationshindernis benannt ist.
Mehr Abschiebungen
Eine der wenigen konkreten Zielsetzungen findet sich dagegen ausgerechnet beim Thema Abschiebungen: Steigern will der Senat sich da – so wie schon im vergangenen Jahr.
Dabei sollte es doch um schlichtes Verwaltungshandeln gehen, durch Recht und Gesetz geregelt und politischen Zielen gar nicht zugänglich. Dass die nun trotzdem vertraglich festgehalten sind, zeigt, dass auch dieser Senat gegen populistische Symbolpolitik nicht gefeit ist.
So muss man sich einstweilen daran erfreuen, dass mit Maryam Blumenthal erstmals ein Mensch mit Migrationsgeschichte im Senat sitzt – und Frauen damit, ebenfalls erstmals, die Mehrheit stellen; unter den grünen Senator:innen sogar eine Dreiviertelmehrheit. Es ist nicht alles schlecht.
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