„Hamburg enteignet“ in der Bürgerschaft: Rege Debatte um Vergesellschaftung
Die Hamburger Volksinitiative präsentiert dem Stadtentwicklungsausschuss ihre Forderungen. Und bietet den Abgeordneten die Stirn.
Mit Verweis auf Statista-Daten legten die Ini-Vertreter*innen dar, dass die Mieten in Hamburg seit 2011 im Durchschnitt um 26 Prozent gestiegen seien. Zugleich seien im Zuge der Inflation die Verbraucherpreise gestiegen, während die Reallöhne zum Vorjahr um 4,6 Prozent gesunken seien. Das Leben in Hamburg werde stetig teurer und die Wohnungssuche sei besonders für mehrfach diskriminierte und marginalisierte Personengruppen mühselig, so Marco Hosemann, einer der Sprecher*innen der Initiative.
Aus einer Recherche der Rosa Luxemburg-Stiftung trägt die Ini vor, dass rund 25 Prozent des Wohnungsmarktes privaten und börsenorientierten Unternehmen gehören, Immobilienkonzernen Vonovia, Nordelbe Heimstaden oder Potenberg. Unklar bleibe jedoch, wie die Verteilung konkret aussieht, da es aus datenschutzrechtlichen Gründen keinen Zugriff auf die Grundbücher gibt. Zusätzlich sinke der Bestand der Sozialwohnungen trotz der hohen Wohnungsbauzahlen, die der rot-grüne Senat in den vergangene Jahren vorweisen konnte.
In Anlehnung an die Berliner Modelle zur Vergesellschaftung von Wohnraum schlägt die Initiative die Einrichtung einer Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) vor, die 100.000 Wohnungen verwalten soll. Juristische Grundlage ist der Artikel 15 des Grundgesetzes, der die Vergesellschaftung von Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln zum Zwecke der Allgemeinheit gegen Entschädigungen per Gesetz ermöglicht. Diese und weitere Kosten sollen von der AöR berechnet werden. Die Kommission soll sich paritätisch zusammensetzen und verschiedene Perspektiven berücksichtigen.
Daten in Grundbüchern nicht zugänglich
Abgeordnete reagierten mit Skepsis. Auf deren Fragen hatte die Initiative aber immer eine souveräne Antwort parat. So schlug Ralf Niedmers (CDU) vor, der von der Initiative zur Verwaltung der Wohnungen vorgeschlagene AöR „Alice im Wunderland“ zu nennen. Weniger hochmütig kritisierte Niedmers die unzureichende Datenlage und fragte häufig nach der Finanzierbarkeit des Vorhabens. Dem entgegnete „Hamburg enteignet“, dass die von der Initiative geforderte Kommission genau solche Fragen zur Finanzierbarkeit behandeln solle. Das Argument mit der unzureichenden Datenlage wiesen sie mit Verweis auf die Intransparenz der Grundbücher zurück, genaue Zahlen und Fakten zur Eigentümerstruktur seien nicht öffentlich bekannt.
Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Kienscherf reagierte skeptisch. Volksabstimmungen bräuchten eine gewisse Klarheit, sagte er. „Sie sagen selber: Sie haben keine Ahnung davon. Das soll alles eine Komission machen. Hamburger*innen sollen darüber entscheiden, was noch gar nicht klar ist.“ Marleen Neuling von der Initiative entgegnete: „Wir wollen eine Rekommunalisierung und Demokratisierung der Wohnungen, das ist doch ziemlich einleuchtend.“ Die SPD habe aber Sympathie, so Kienscherf, „wenn es um gewisse Unternehmen auf dem Wohnungsmarkt gibt. Auch wir glauben, dass man mit Wohnraum nicht spekulieren darf.“
Weniger skeptisch ist Heike Sudmann von den Linken. Über Vergesellschaftung zu reden sei sinnvoll, die Initiative sei der „absolut saubere Weg“. Wenn es so weiterginge „mit dieser Politik der ganz kleinen Stellschrauben, dann muss man den Mieter*innen sagen, dass die sich die Wohnungen nicht leisten können“.
Neuling von der Initiative versteht die Skepsis nicht. „Demokratie kostest nun mal Geld. Wir haben 18.000 Gespräche geführt. Hamburger*innen haben Skepsis, ob sie sich noch eine Wohnung leisten können und ob die Politik etwas bewirkt. Wir haben Gemeinsamkeiten: Spekulationen mit Wohnraum ist nicht gut. Lassen Sie uns eine Kommission einrichten“.
Unterstützung hat bislang nur die Linke signalisiert, alle anderen Parteien lehnen sie ab oder haben sich nicht eindeutig geäußert. Übernehmen wird die Bürgerschaft sie also wahrscheinlich nicht. Der nächste Schritt wäre nun ein Volksbegehren. Dafür muss die Ini nun in einer Frist von drei Wochen 65.000 Unterschriften sammeln.
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