piwik no script img

Haltung von Milchziegen auf BiohöfenAlles „Lug und Trug“?

Bioland kündigt einem Ziegenhof, nachdem dem Betrieb Tierquälerei vorgeworfen wurde. Dennoch darf der Hof weiter das EU-Biosiegel führen.

Glückliche Ziegen auf einer Wiese: leider nicht der Normalfall bei EU-Bio-Ziegenhöfen Foto: imago/Lars Reimann

BERLIN taz | Immer wieder schlagen Mitarbeiter die Ziegen mit Stöcken und Fäusten oder ziehen sie an den Hörnern. Viele der Tiere haben offene Verletzungen, andere sind bis auf die Knochen abgemagert. Die Videosequenzen, die die TV-Sendung „hundkatzemaus“ auf Vox sowie die Tierschutzorganisation Peta Mitte Februar veröffentlicht hatten, zeugen von äußerster Brutalität. Sie sollen in einem Ziegenmilchbetrieb im westfälischen Brilon gefilmt worden sein. Neben der offensichtlichen Tierquälerei scheint es der Betreiber auch mit anderen Vorschriften nicht so genau zu nehmen: Man sieht tote Ziegen, die achtlos aufeinandergestapelt sind, nur provisorisch mit einer Plane überdeckt.

Besonders pikant an den Aufnahmen: Sie stammen von einem Bioland-Betrieb. Bioland und andere Ökoverbände brüsten sich damit, dass dem Wohl der Tiere auf den von ihnen zertifizierten Höfen besonders Rechnung getragen wird – mehr als auf konventionellen Höfen und sogar mehr als auf Biohöfen, die nur den Mindeststandard der EU-Ökoverordnung erfüllen.

Um das sicherzustellen, haben die Verbände 2014 den sogenannten Tierwohlcheck eingeführt. Dieser zielt darauf, nicht mehr nur die Rahmenbedingungen der Tierhaltung zu prüfen, sondern zudem zu kontrollieren, wie es dem Vieh tatsächlich geht.

Doch im Fall des Ziegenhofs in Brilon hat dieser Check offenbar versagt. Bioland habe dem Betrieb unmittelbar die Mitgliedschaft gekündigt, nachdem der Verband von den Vorwürfen erfahren habe, heißt es vonseiten des Ökoverbandes. „Wir waren schockiert von den Bildern und bedauern sehr, wie mit den Tieren umgegangen wurde.“

Peta hat derweil Anzeige gegen den Hofbetreiber erstattet. Die Tierschutzorganisation zeigt sich vom Versagen des Tierwohlchecks wenig überrascht. „Das ist alles Lug und Trug“, sagte Sprecher Edmund Haferbeck über die Kontrollmechanismen auf den Biohöfen. Dabei spielt er etwa auf den Umstand an, dass die Biohöfe sich ihre Kontrollstellen selbst auswählen können und die Inspektionen nur in Ausnahmefällen unangekündigt sind.

Mängel reichen nicht aus

Überprüft wurde der Ziegenhof in Brilon im Auftrag Biolands von der ABCert AG, einer von insgesamt 18 privaten Ökokontrollstellen in Deutschland. Diese kontrollieren die Betriebe sowohl im Sinne der EU-Ökoverordnung als auch im Sinne der strengeren Richtlinien der Bioverbände.

Bioland weist zwar darauf hin, dass die ABCert erhebliche Gesundheitsmängel auf dem Ziegenhof festgestellt habe, woraufhin der Betrieb aufgefordert worden sei, ein Gesundheitskonzept zu erarbeiteten. Doch haben die Mängel allein offensichtlich nicht gereicht, dem Betrieb das Bioland-Siegel zu entziehen.

Die Mitgliedschaft kündigte Bioland dem Ziegenhof erst Anfang Dezember 2016, als der Anbauverband von dem Videomaterial erfahren hatte. Auf die Frage, ob man die Zusammenarbeit mit der ABCert aufgrund dieses Vorfalls überdenkt, wollte sich Bioland gegenüber der taz nicht äußern.

Doch Skepsis scheint angebracht: Am 18. Januar 2017 hatte die ABCert den Ziegenhof erneut kontrolliert – dieses Mal auf Veranlassung des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (Lanuv), das verantwortlich für die Vergabe des EU-Biosiegels ist. Ergebnis dieser Überprüfung: Der Ziegenhof Brilon bleibt zertifizierter Hersteller ökologischer Erzeugnisse und darf seine Produkte weiterhin unter dem EU-Biosiegel verkaufen. Das Lanuv wollte mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht Stellung zu den Vorwürfen gegen den Biohof beziehen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen