Halbzeitbilanz der Großen Koalition: „Es bleibt noch viel zu tun“
Die Große Koalition legt ihre Halbzeitbilanz vor. Sie schreibt auf, was sie schon geschafft hat und was noch zu tun ist. Eine tatsächliche Bewertung liefert sie nicht.
Das Bundeskabinett will sich am Mittwoch damit befassen. Formell soll das Kabinett dem Vernehmen nach eine Kenntnisnahme beschließen. Eine politische Bewertung sollen die jeweiligen Koalitionsparteien übernehmen.
Die Bestandsaufnahme orientiert sich dem RND zufolge an den 13 Kapiteln des Koalitionsvertrags und listet alle Vorhaben auf, die bis Anfang November 2019 vom Bundeskabinett beschlossen, bereits in Kraft getreten sind, sich im parlamentarischen Verfahren oder anderweitig in der Umsetzung befinden. In jedem Kapitel gebe es zudem einen Absatz unter der Überschrift „Was wir noch vorhaben“.
Streitthema Grundrente
„Wir leben in einer Zeit, in der die politischen und gesellschaftlichen Fliehkräfte zunehmen. Der Ausgleich unterschiedlicher Interessen und die in einer Demokratie unabdingbare Bereitschaft zum Kompromiss verlieren an Akzeptanz“, heißt es in der Bilanz laut Funke-Zeitungen und RND. Kompromissfähigkeit brauchen die Partner beim aktuell strittigen Thema Grundrente. Wegen offener Fragen war das für Montag geplante Spitzentreffen der Koalition auf kommenden Sonntag verschoben worden.
„Unser Anspruch ist es, für die großen Fragen unserer Zeit, die politisches Handeln erfordern, zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln“, betont die Koalition weiter. Eine positive Zwischenbilanz gilt als eine wesentliche Grundlage für den Fortbestand der Großen Koalition von Union und SPD. Sie wurde auf Betreiben der SPD in den Koalitionsvertrag aufgenommen.
Die Sozialdemokraten wollen auf ihrem Parteitag im Dezember eine neue Spitze wählen. In der Stichwahl bewerben sich derzeit zwei Duos um den Parteivorsitz. Finanzminister Olaf Scholz und Klara Geywitz gelten als Bewerberpaar, das die große Koalition fortführen will. Die Gegenkandidaten, der frühere NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans und die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken, stehen der großen Koalition eher skeptisch gegenüber. Esken sagte am Dienstagabend im ZDF-„heute journal“ mit Blick auf die Halbzeitbilanz, die wirklich wichtige Frage sei, ob die Koalition noch Antworten für die Zukunft habe. Da könne man Fragezeichen setzen.
Hilfe für Kommunen
Den Funke-Zeitungen zufolge bietet der Bund in der Halbzeitbilanz mehr Unterstützung für überschuldete Kommunen an. „Der Bund ist bereit, zur Unterstützung hoch verschuldeter Kommunen, bei deren Zins- und Tilgungslasten dann einen Beitrag zu leisten, wenn andere Hilfe alleine nicht ausreichend ist und es einen nationalen politischen Konsens gibt, den betroffenen Kommunen einmalig gezielt zu helfen“, schreibt demnach die Regierung. Ein solcher Konsens setze voraus, dass in Zukunft eine neue Verschuldung über Kassenkredite nicht mehr stattfinde.
Arbeitgeberverband BDA und Gewerkschaften kommen zu einem gegensätzlichen Fazit der Koalitionsarbeit. „Es ist tragisch, dass die Große Koalition ihre große Mehrheit nicht für große Taten nutzt“, kritisierte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch). „Einem Unternehmen mit einer solchen Bilanz würde vermutlich jede Hausbank berechtigterweise schwerlich einen Kredit gewähren“, sagte der frühere CDU-Politiker.
DGB-Chef Reiner Hoffmann befand dagegen: „Obwohl die GroKo keine Liebesheirat war, können SPD und CDU eine ganz ordentliche Bilanz vorlegen, vor allem im Bereich Arbeit und Soziales.“ In den Funke-Zeitungen nannte Hoffmann unter anderem bessere Möglichkeiten für Langzeitarbeitslose, für pflegende Angehörige sowie das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit. Er forderte aber auch, die „Hängepartie“ bei der Grundrente zu beenden. Zudem müssten dem Versprechen der Kanzlerin, die Tarifbindung zu stärken, konkrete Taten folgen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja