Häusliche Pflege in Deutschland: An Mamas Seite
Weil die Mutter unserer Autorin immer mehr vergisst, benötigt sie Hilfe. Deshalb ist Marcela bei ihr, kocht, putzt, wechselt die Windel.
M eine Mutter hat heute Morgen mal wieder keine Lust zu duschen. Knieschmerzen, behauptet sie. Vielleicht stimmt das sogar, sie ist vor zwei Wochen gefallen. Nach dem Gang auf die Toilette ist das Waschen aber unverzichtbar. Marcela weiß das und deshalb lässt sie auch nicht locker. Bestimmt, aber grenzenlos geduldig zeigt die junge Frau Mitleid für die Wehwehchen, formt die Hände zur bittenden Geste, lacht herzlich über die betont gequälte Miene, die meine Mutter aufsetzt.
Irgendwann gibt die ihren Widerstand auf – vielleicht hat sie ihn vergessen, vielleicht ist sie zu müde. Sicher will sie auch die Harmonie nicht gefährden. Feinste Stimmungen zu erspüren ist ihre besondere Fähigkeit, seit Raum und Zeit um sie herum zu verschwimmen beginnen.
Meine Mutter ist 75 Jahre alt und seit etwa fünf Jahren ist uns klar, dass sie Demenz hat. Sie weiß, wie wir heißen, und kann sich sogar unsere Geburtstage merken, ist aber jeden Morgen aufs Neue verwirrt, in ihrem Haus im Münchner Süden aufzuwachen, das sie seit über 40 Jahren bewohnt. In allen Räumen hängen Fotos von uns und von engen Freunden, alle beschriftet: „Das sind Deine Enkelkinder, sie sind 9 und 6 Jahre alt.“
Kleine Whiteboards stehen auf der Anrichte im Esszimmer, auf dem Fensterbrett, im Badezimmerschrank. Meine Schwester hat mit bunten Stiften Erinnerungen, mit Blümchen oder Girlanden verziert, darauf geschrieben: „Liebe Mutti, bitte duschen nicht vergessen“, „Am Donnerstag kommt der Florian und macht Sport mit Dir“, „Samstagabend holt dich Christl zum Geburtstagsessen ab, Magda wird 70“.
Die Tafeln sind Orientierungspunkte für die schwarzen Löcher in Mamas Gehirn. Sie soll nicht allzu oft nachfragen müssen, am besten sie denkt gar nicht drüber nach, dass sie „Probleme mit dem Gedächtnis“ hat. Denn auf Unsicherheit und Angst gedeihen Aggressionen, gern auch gegen die Pflegekraft.
Marcela K., seit acht Jahren Pflegekraft in Deutschland
Marcela K., 27 Jahre alt, langes rotes Haar, dunkelbraune Augen, weiß das. Sie hat es in einem Pflegecrashkurs in ihrer Heimat, der Slowakei, gelernt, bevor sie vor acht Jahren das erste Mal nach Deutschland kam. Und sie hat es schmerzhaft erlebt, bei einer ihrer ersten Patientinnen an der Ostsee, erzählt sie. Die alte Frau war ebenfalls dement. Darüber hinaus litt sie unter Schlafstörungen, Panikattacken und Wutanfällen. „Ich musste jede Nacht mehrmals aufstehen, manchmal sogar zehn Mal, weil meine Patientin aus dem Bett gestürzt war. Wenn sie wütend war beschmierte sie die Wände mit Kot, schlug mich und zog mich an den Haaren.“
Doch immer wieder auch kam eine andere Seite zum Vorschein, eine hilfsbedürftige, wertschätzende. In diesen Phasen sagte sie ihrer Pflegerin, wie wichtig sie für sie sei. „Dann konnte ich ihr nicht mehr böse sein“, sagt Marcela K. mit weichem Akzent und entschuldigendem Lachen – und so kam sie wieder. Insgesamt drei Mal für je drei Monate. Danach war sie seelisch und körperlich am Ende. Sie ging nicht zurück an die Ostsee, selbst als die Tochter der alten Dame ihr viel Geld anbot, weil das Pflegeheim sich weigerte, die schwierige Patientin wieder aufzunehmen.
Meine Mutter ist zum Glück kein allzu schwerer Fall. Sie ist in aller Regel verträglich, sie kann noch relativ viel selbst machen, manchmal hilft sie sogar beim Kochen. Sie schaut viel fern und hat einen stabilen Freundeskreis, der an manchem Nachmittag die Unterhaltung übernimmt. Marcela hat ihr eigenes Zimmer unterm Dach, mit Balkon und Fernseher, natürlich freie Kost, Internet – und sie wird enorm wertgeschätzt.
„Ohne Geduld geht gar nichts“
Marcela K. ist ein echter Glücksfall, nicht nur für uns. Sie ist bei ihren Patientinnen über die Maßen beliebt, hat noch viele Kontakte in die Familien, bei denen sie gewesen ist. Warum ist das so, frage ich sie, während wir zusammen das Frühstück vorbereiten. Erst lacht sie kurz, ein wenig verlegen, ein wenig entschuldigend. Sie rührt Kürbiskerne und Nüsse ins Müsli und sucht nach den richtigen Worten. „Ich glaube, es hat mit Geduld zu tun. Ohne Geduld hat man schon verloren, egal wie gut man ausgebildet ist.“ Es könnte aber auch noch einen anderen Grund haben: Marcela K. hat eine emotionale Bindung zu ihren Patientinnen.
Klar, sie ist vor allem hier, um meiner Mutter morgens und abends ihre Tabletten zu reichen, einzukaufen, Essen zu zubereiten, das Haus sauber zu halten, sie beim Waschen zu unterstützen. Mit ihr zu spielen, fernzusehen, sie bei Laune zu halten. Und sie abends schließlich ins Bett zu bringen, mit einer Windel, damit es keine Unfälle gibt.
Aber sie selbst sieht sich für noch viel mehr zuständig: Sie will, dass die Patientin glücklich ist. Dass sie sich nicht allein fühlt und eine Ansprechpartnerin hat, die ihr wirklich zugeneigt ist, die sie auch mal umarmt und ihr sagt, dass sie auf dieser Welt noch eine Bedeutung hat. Auch wenn sie immer alles vergisst. Marcela verlangt von sich, stets gute Laune zu versprühen, sagt sie. Und dafür geht sie auch über ihre eigenen Grenzen.
Am Ende ihrer drei Monate langen Schicht fällt sie nahezu in sich zusammen. Aber wenn sie sich ein paar Wochen ausgeruht hat, kommt sie immer wieder. So ist das Modell angelegt: bis zu drei Monate Arbeit, dann ein bisschen Pause. Dann auf zum nächsten Einsatz. Dass dieselbe Pflegekraft immer wieder kommt, ist nicht unbedingt vorgesehen. Aber wenn es für beide Seiten passt, versuchen alle, zusammenzukommen.
Rund ein Dutzend Pflegerinnen hatte meine Mutter in den letzten fünf Jahren. Einige davon mehrmals. Und auch Marcela K. kommt immer wieder. „Ihr seid wie eine Familie für mich, danke, dass Ihr mich so warm aufgenommen habt und respektiert“, schreibt Marcela mir in einem Brief. Sie legt Fotos bei, die sie gemacht hat. Mama und sie beim „Mensch ärgere Dich nicht“-Spielen. Meine kleine Tochter und sie mit bizarren Frisuren und überall Lippenstift. Die Familie bei ihrem letzten Abschied im Restaurant.
Zahlen In geschätzt 300.000 Haushalten bundesweit werden pflegebedürftige Menschen von insgesamt etwa 600.000 bis 700.000 zumeist osteuropäischen Betreuungskräften versorgt. Sie werden meist über Agenturen privat an Familien vermittelt. Für viele Pflegebedürftige ist diese Betreuungsform eine Alternative zum Pflegeheim.Kritik Gewerkschaften und Sozialverbände bemängeln eine unsichere rechtliche Lage im sogenannten „grauen Pflegemarkt“: Geregelte Arbeitszeiten, angemessene Bezahlung, Beschwerdestellen und Kontrollmöglichkeiten müssten geschaffen werden, aber auch die Sicherung von Qualitätsstandards für die Pflegebedürftigen müsse ermöglicht werden. Zugleich sei die häusliche Pflege auch wegen des Personalmangels aus der deutschen Pflegelandschaft nicht mehr wegzudenken, sagt die Verbraucherzentrale.
Urteil Im Juni hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass auch ausländische Pflegekräfte Anspruch auf Mindestlohn haben. Und das gilt auch für die Zeit, in der die Pflegerinnen in Bereitschaft sind. Branchenverbände sehen dadurch das gesamte Modell der häuslichen Pflege vor dem Aus. (taz)
K. ist es gewohnt, hart zu arbeiten und entbehrungsreich zu leben. Sie wuchs mit drei Geschwistern in einem kleinen Haus auf, die Eltern hielten ein paar Tiere, Schweine, Ziegen und Hühner, um die sich täglich jemand kümmern musste. Meistens war das Marcela. Ein Bruder und die Schwester halfen hier und da, aber das Meiste blieb an ihr hängen. Sie war es auch, die ihre alkoholkranken Eltern immer wieder aufrichten musste, die die Wohnung vor Chaos und Vermüllung bewahrte, die die ebenso alkoholkranke Oma pflegen und ihr aufhelfen musste, wenn die im Rausch mal wieder die Treppe hinuntergestürzt war.
Sie ist darüber nicht hart und verbittert geworden, die Erfahrung hatte aber Auswirkungen, psychische: „Ich hatte starke Depressionen und litt elf Jahre an Essstörungen. Ich war einfach nicht zufrieden mit mir und meinem Körper.“ Weil es irgendwie trotzdem weitergehen musste, besann sie sich auf das, was sie von Kindheit an gelernt hatte: Sich um die Schwachen zu kümmern.
Von der Friseurin zur Pflegekraft
Aber was ist mit Marcela? Ist sie zufrieden mit ihrem Job? „Ich könnte niemals in einem Büro arbeiten, das war mir immer klar. Es muss etwas mit Menschen zu tun haben.“ Sie sitzt im Schneidersitz auf der Esszimmerbank und dreht ihre langen Haare. Meine Mutter wird derweil von den Enkeln belagert, aus dem Wohnzimmer hört man kindliche Protestschreie – wahrscheinlich hat sie mal wieder versucht beim „Malefiz“ zu mogeln und es dann auf die Kinder geschoben. Solange die Kabbeleien zwischen Kindern und Kinder-Oma nicht eskalieren, hat Marcela K. ein bisschen Zeit zum Erzählen.
Nach der Schule beginnt sie eine Ausbildung als Friseurin. Doch sie merkt bald, dass sie mit den Leuten selbst arbeiten will – und nicht nur mit ihren Haaren. Als ihr die Schwester einer Freundin von den Jobmöglichkeiten in Deutschland erzählt, habe sie das angefixt, sagt sie: Sich um Alte und Kranke kümmern, das kann sie. Ihr Interesse für fremde Länder und Kulturen und ihre guten Deutschkenntnisse sprechen auch dafür. Also bittet sie ihren Vater, ihr Geld für den Pflegecrashkurs zu leihen.
Der Kurs dauert vier Wochen und führt sie in ein slowakisches Pflegeheim. Marcela lernt: Windeln wechseln, Betten machen, waschen, füttern. Aber es gefällt ihr nicht. „Dort hatte man für jede Patientin nur sehr wenig Zeit. Die Arbeit ist hart – auf andere Weise als hier bei der Rundum-Betreuung“, erklärt sie, lacht verlegen und rührt in ihrem Müsli. In Deutschland hat sie Zeit und Nähe, eine Beziehung zu ihren Patientinnen aufzubauen. Rückschläge und Schwierigkeiten berechnet sie ein, bevor sie in eine Familie kommt.
Sie weiß mittlerweile auch, dass den Infomails der Agentur nicht ganz zu trauen ist. „Ruhige Frau, 65 Kilo schwer“ steht etwa über meine Mutter darin. Das ist schwer untertrieben: Die Wahrheit liegt knapp 30 Kilo und einige Dezibel darüber. Aber auch die Pflegekräfte können nicht immer so gut Deutsch, wie die Agentur gern behauptet. Und das ist nicht das einzige Problem.
„Das ist meine dritte Agentur jetzt“, erklärt Marcela K. Die erste hatte sie mit der aggressiven Frau von der Ostsee lange alleingelassen. Dann hatten sie ihr doch jemanden zur Unterstützung geschickt, einen älteren Mann, der Marcela von Anfang an belästigte und ihre Situation ausnutzte. „Er sagte mir ständig, dass er mit mir zusammen verreisen wollte. Es war sehr unangenehm“, sagt sie und verzieht das Gesicht. Die zweite Agentur warb sie ab, zahlte dann aber nicht pünktlich. „Damit war für mich das Vertrauensverhältnis kaputt“, sagt sie, gar nicht mehr sanft.
Ein enormes Verdienstgefälle
Bezahlt bekommt Marcela K. von allen in etwa dasselbe. Rund 1.300 Euro im Monat, etwas mehr als die Hälfte dessen, was wir monatlich bezahlen. Dafür soll sie eigentlich rund um die Uhr auf Abruf bleiben – auch wenn die Agenturen sich mit der Bitte an ihre Kundinnen wenden, für ausreichend Freizeit zu sorgen. Es bleibt aber ein Appell. Wer soll das schon kontrollieren?
Natürlich profitieren die Patientinnen in Deutschland und Österreich bei diesem Modell vom enormen Verdienstgefälle zu den Herkunftsländern der Frauen. Der Durchschnittsverdienst in Tschechien, Ungarn, Rumänien oder der Slowakei liegt unter dem, was Marcela nach Hause bringt, zumal als ungelernte Fachkraft. Als Friseurin in der Slowakei würde sie um die 700 Euro verdienen. In Deutschland wiederum bekäme meine Mutter für 2.500 Euro kaum ein gutes Zimmer in einem Pflegeheim. Und für halbwegs wache Menschen wie sie wäre das wohl auch nicht das Richtige.
Selbst wenn sie sich jeden morgen aufs Neue wundert, wo sie wieder mal aufwacht: Der Weg morgens aus dem Schlafzimmer ins Bad, dann die Treppe hinunter in die Küche und zur Kaffeemaschine ist ihr über vier Jahrzehnte in eine verborgene Hirnregion eingebrannt, die noch unbeschädigt ist. Manchmal triggert ein Topf kochendes Wasser auf dem Herd oder der Geruch nach Schweinebraten mit Zwiebeln bei ihr die Routine. Dann steht sie plötzlich von ihrem Sudoku auf, nimmt ein Messer in die Hand und schneidet Karotten. All das hält die Demenz in Schach. Und Marcela, Sofia, Ella und Maria – sie alle helfen ihr dabei, dieses möglichst selbstständige Leben zu führen.
Einige von ihnen haben im Laufe der Zeit eine enge Beziehung zu meiner Mutter aufgebaut. Sofia kam vier Jahre lang zu ihr. Dreißig Jahre lang hatte sie beim Geflügelzüchter Wiesenhof am Fließband geschuftet, um ihrer Tochter das Studium zu finanzieren. Dann kam sie zu meiner Mutter. Am Ende war sie schon fast 60 Jahre alt, der Mann zu Hause in Rumänien herzkrank. In dieser Zeit saß sie meist stumm auf einem Stuhl und wartete, bis Mama aufgegessen oder den „Tatort“ zu Ende gesehen hatte. Sie machte sich wenig bemerkbar, trotzdem gab es eine Verbindung zwischen den beiden.
Als Corona ausbrach, kam sie nicht mehr. Heute wartet sie in Rumänien auf Enkelkinder, will ihre Tochter bei ihren Projekten unterstützen, für sie putzen, erzählte sie mir einmal. Aber an dem Tag, da sie zum letzten Mal vom Sammeltaxi abgeholt wurde, das sie und andere Pflegekräfte aus Süddeutschland nach Timișoara zurückbringen sollte, saßen Sofia und meine Mutter auf der Esszimmerbank mit Blick aufs Fenster und warteten. Sie saßen eng beieinander, hielten sich an den Händen und sagten kein Wort, selbst meine Mutter nicht. Nach ein paar Stunden kam der dunkelrote Kleinbus. Sofia stand auf, nahm ihren Koffer, verabschiedete sich knapp, so wie es ihre Art ist, und verschwand.
Meine Mutter lief noch lange am Gartentor hin und her. In ihrem Gesicht standen so viele Fragen und sie wusste nicht einmal welche. Alle paar Wochen ruft Sofia bei ihr an, um zu fragen, wie es geht. Ihr Foto hängt am Kühlschrank, meine Mutter hat sie noch immer nicht vergessen. Sofia wusste genau, wie sie mit meiner Mutter umgehen musste. Aber wir wussten eigentlich kaum etwas über sie.
Das Machtgefälle
Vielleicht wollte sie nichts über sich preisgeben. Vielleicht hatte sie sich mit der Ordnung einfach abgefunden: Es geht immer um die Patientin, ganz egal, wie eng das Verhältnis ist, egal wie familiär es sich anfühlen mag. Das Machtgefälle ist nicht zu leugnen, immer ist klar, wer zahlt und wer arbeitet. Viele Frauen vermissen ihre Familien, sind mit launischen Patientinnen überfordert oder leiden unter der Einsamkeit, weil es sich verbietet, die Patientin mit den eigenen Problemen zu belasten. Und nicht alle kommen damit klar, so eng mit jemandem zusammenzuleben und gleichzeitig als Mensch keine Rolle zu spielen, nur eine Funktion auszuführen.
Einmal kam eine Frau zu uns, die nachts feindselig und betrunken in Mamas Zimmer stand und sie in einer fremden Sprache anfauchte. Sie bedrohte sie, sie stahl, Geld und Alkohol vor allem, und dann verschwand sie, ließ die verwirrte Frau allein zurück. Wochenlang hatte unsere Mutter Angst, wenn sie abends zu Bett ging.
Eine andere Frau, wegen ihrer Resolutheit wärmstens von der Agentur empfohlen, stellte klare Bedingungen: Um täglich eine gewisse Zeit frei haben zu können, schlug sie vor, unsere Mutter so lange einzusperren, damit die nicht weglaufen könne. Zudem sollte sie auch tagsüber eine Windel tragen, damit es kein Risiko gab, dass sie das Sofa einnässte. Panisch riefen wir bei der Agentur an, baten um kurzfristigen Ersatz.
Die meisten Pflegerinnen, die wir kennen gelernt haben, haben diesen Job mit zusammen gebissenen Zähnen gemacht. Mit Leidensfähigkeit und dem Blick fest auf den Termin der Ablösung. Marcela K. ist eine Ausnahme, die wir mit Geld nicht aufwiegen können. Marcela wiederum findet, dass Geld nicht das Wichtigste ist. Am Anfang benutzte sie es, um bei ihrer Rückkehr das Haus ihrer Eltern in Ordnung zu bringen. Aber sie merkte bald, dass in einem Alkoholiker-Haushalt Investitionen ins Nichts laufen. „Dann musste ich die schwere Entscheidung treffen: Rette ich meine Eltern oder rette ich mich selbst“, sie lächelt traurig, macht wieder eine entschuldigende Geste.
Nach elf Jahren schwerer psychischer Probleme verwendet sie ihren Verdienst heute zum Großteil für sich selbst. Für Ernährungscoachings, Ayurveda-Kurse, Therapien. Dass sie endlich auf einem guten Weg ist, besser für sich selbst zu sorgen und nicht nur für andere, daran habe auch der Umgang mit den dementen Menschen seinen Anteil, meint sie. Trotzdem wolle sie den Job nicht mehr ewig machen, sagt Marcela nachdenklich und blickt mir dann ins Gesicht. „Weißt du, mein Traum ist es eigentlich, mit jungen Frauen zu arbeiten, die Essstörungen haben.“ Psychologie zu studieren, das habe sie schon immer interessiert, es sei aber zu schwer für sie gewesen. Dann blickt sie plötzlich auf: „Mal sehen, was noch kommt. Vielleicht schaffe ich es noch.“ Sie lacht plötzlich auf und diesmal ist es ein befreites Lachen.
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