HIV-Selbsttest in der Apotheke: Hallo, ich möchte mich auf HIV testen
Am 1. Dezember ist Welt-Aids-Tag. In Deutschland kann man inzwischen HIV-Tests in Apotheken kaufen. Wie fühlt sich das an? Ein Selbstversuch.
Einer Apothekerin in die Augen schauen und nach einem HIV-Schnelltest fragen – das fällt wohl mindestens in die Kategorie „merkwürdige Alltagserlebnisse“. Man merkt auf beiden Seiten die Nervosität, das Unangenehme, die Scham. Denn mit der Frage gibt man in den meisten Fällen zu: Ich hatte ungeschützten Geschlechtsverkehr. Selbst wenn man nur aus journalistischem Interesse danach fragt, fühlt man sich einem wissenden Blick auf der anderen Seite des Tresens ausgesetzt. Für Menschen, die sich tatsächlich Sorgen machen, ob sie sich nach einem sexuellen Kontakt mit HIV infiziert haben, ist die Situation womöglich noch um einiges schwieriger.
Seit zwei Monaten sind HIV-Selbsttests in deutschen Apotheken, Drogerien und im Onlinehandel erhältlich. Grundsätzlich eine gute Idee, denn viele Menschen scheuen sich noch viel mehr davor, wegen eines HIV-Tests zur Ärztin oder zum Gesundheitsamt zu gehen. Doch auch der persönliche Kontakt in der Apotheke kann unangenehm sein.
In den Apotheken im Umkreis der taz, in Berlin-Kreuzberg und Berlin-Mitte, sind bisher nur wenige der Tests über den Ladentisch gegangen. Die meisten Apotheken haben mindestens einen der Tests vorrätig, in einer muss man ihn zunächst bestellen, kann ihn aber nach drei Stunden abholen. Die Apotheker*innen erzählen, dass sie bisher nur zwei bis drei HIV-Tests verkauft haben. Interesse sei aber vorhanden. „Es gab schon einige Nachfragen“, sagt eine Apothekerin in der Lindenapotheke. Allerdings würden die meisten Menschen die Tests dann wohl doch im Internet kaufen, das sei „anonymer“.
Absurd eigentlich: Da lässt man sich den Test lieber an die Heimatadresse schicken als kurz einem anderen Menschen beim Kauf in die Augen zu sehen. Aus Datenschutzsicht ist das ganz sicher nicht anonymer. Aber es ist eben weniger unangenehm.
Dabei hat der Kauf in der Apotheke zusätzlich den klaren Vorteil, dass man sich die Anwendung des Tests noch einmal von einer Expertin erklären lassen kann. Da es sich um einen Bluttest handelt, bei dem man sich selbst in den Finger stechen muss, ist das keine schlechte Idee.
Und wie lässt sich das nun lösen? Die freiverkäuflichen Tests sollen auch dazu beitragen, die Scham um das Thema HIV-Infektion zu senken. Für jede und jeden sollte es normal sein, sich gelegentlich zu testen, um Aids rechtzeitig behandeln zu können und die Ansteckung anderer wegen Nichtwissens zu vermeiden. Im Idealfall trägt das letztlich auch dazu bei, dass die Frage nach einem solchen Test als Sorgfalt um die eigene Gesundheit verstanden wird – und nicht als schambesetztes Eingestehen eines sexuellen Kontakts. Sodass es in Zukunft hoffentlich auch kein Problem mehr ist, in die Apotheke zu gehen und zu sagen: Hallo, ich möchte mich auf HIV testen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“