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Grüner WasserstoffNoch keine tragfähige Energiequelle

Grüner Wasserstoff ist ein Hoffnungsträger der Dekarbonisierung. Doch bislang ist er kaum bezahlbar.

Im Energiepark Bad Lauchstädt soll mit Windenergie und Elektrolyse grüner Wasserstoff erzeugt werden Foto: Jan Woitas/dpa

Freiburg taz | Selbst 1,3 Milliarden Euro an staatlicher Förderung reichten nicht aus: Der Stahlhersteller ArcelorMittal teilte mit, er werde seine Pläne zur Dekarbonisierung seiner Flachstahlwerke in Bremen und Eisenhüttenstadt nicht weiterverfolgen. Damit kollabiert ein weiteres Herzens­projekt von Robert Habeck. Im Mai 2024, als der damalige Bundeswirtschaftsminister dem Unternehmen den Förderbescheid überreichte, sprach er noch von einem „Meilenstein bei der Transformation unserer Industrie“. Jetzt zeigt sich: Selbst die hohe Fördersumme konnte dem Projekt nicht den Weg bereiten.

Das Projekt sollte aus mehreren Teilen bestehen: Am Standort Bremen sollte eine Direktreduktionsanlage (DRI) gebaut werden, die Wasserstoff einsetzt. In klassischen Hochöfen kommt zur Reduktion des Erzes hingegen noch Koks zum Einsatz. Die DRI sollte dann drei Elektrolichtbogenöfen – einen in Bremen sowie zwei weitere in Eisenhüttenstadt – mit ihrem Eisen versorgen. Mit der Technik wäre auch dort ein Wechsel weg von der traditionellen Kohle hin zu den Energieträgern Erdgas und Strom verbunden gewesen.

Ursprünglich sollten so mehr als 3,8 Millionen Tonnen an „grünem“ Stahl jährlich produziert werden, wie das Bundeswirtschaftsministerium einst vorrechnete. Doch nun erklärte ArcelorMittal, „grüner Wasserstoff“ sei „noch keine tragfähige Energiequelle“ und „nicht wettbewerbsfähig“.

Der Mangel an grünem Wasserstoff ist ein internationales Phänomen. Nur sieben Prozent der ursprünglich für 2023 angekündigten Kapazität zur Wasserstoffproduktion seien fristgerecht fertiggestellt worden, heißt es in einer Publikation des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung aus diesem Jahr. Laut der Studie ließen sich „die jüngsten Probleme des Markthochlaufs von grünem Wasserstoff auf gestiegene Kosten, fehlende Zahlungsbereitschaft auf der Nachfrageseite und Unsicherheiten über zukünftige Förderung und Regulatorik zurückführen“.

Grüner Wasserstoff braucht enorm viel Strom

Dabei ist das grundsätzliche Problem keinesfalls neu: Grüner Wasserstoff, der per Elektrolyse erzeugt wird, braucht enorme Mengen an Strom. Bei der Elektrolyse wird Wasser mit elektrischer Energie in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. So wird die Energie, die der Wasserstoff später liefert, vorab in Form von Strom hineingesteckt, zuzüglich der unvermeidbaren Verluste.

Die Grenzen der Ausbeute setzt die Natur: Theoretisch sind für die Erzeugung eines Kilogramms Wasserstoff 42 Kilowattstunden Strom nötig, das ist das physikalische Minimum. In der Praxis braucht ein Elektrolyseur mitsamt seiner Nebenkomponenten rund 55 Kilowattstunden pro Kilogramm. Die Stromkosten müssen sich also zwingend im Preis des Wasserstoffs widerspiegeln.

Fehlender Markt

Aber offenkundig machen selbst die zeitweilig auftretenden negativen Strompreise, die aus Überschüssen der Erneuerbaren resultieren, den Bau von Elektrolyseuren für potenzielle Investoren noch nicht attraktiv genug. Denn zu Zeiten ohne Wind und Sonne müssten sie dann entweder extrem hohe Strompreise zahlen oder aber ihre Anlage stilllegen. Beides verhagelt die Bilanz.

Hinzu kommt, dass auch der fehlende Markt für grünen Wasserstoff Investoren abschreckt. Zugleich tun sich potenzielle Abnehmer schwer, auf Wasserstoff umzustellen, weil es kaum Produzenten gibt. So gibt es im Wasserstoffsektor noch keine funktionierenden Geschäftsmodelle abseits der staatlichen Förderung.

Befürworter von grünem Stahl fordern einen Dreiklang der staatlichen Förderung: Man brauche staatliche Gelder erstens für die Produzenten des Wasserstoffs, zweitens für den Aufbau der Netzinfrastruktur und drittens für die industriellen Verbraucher. Nur unter solchen Bedingungen könne eintreten, was sich Firmen wie ArcelorMittal wünschen: dass sie grünen Wasserstoff irgendwann billiger beziehen können als Erdgas.

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