Grüner Spitzenpolitiker Hofreiter: Er hat die Haare schön
Es ist unfair, aber das Aussehen von Politikern ist wichtig. Ein sperriges Äußeres kann sich nur leisten, wer es etwa mit Charisma ausgleicht.
Politik ist ein brutales Geschäft – und natürlich ist sie nicht fair. Hans-Jochen Vogel wäre wahrscheinlich ein besserer Bundeskanzler gewesen als Helmut Kohl, aber die Chance, dies zu zeigen, hat er nie bekommen. Joschka Fischer hat bei den Grünen Talente zerstört, wenn sie seine Dominanz nicht hinnahmen. Und ist es nicht auch etwas schade etwa um den klugen Norbert Röttgen, den Angela Merkel eiskalt abserviert hat, weil er ihr zu gefährlich wurde?
Wer in der Spitze der Politik mitspielen will, muss sich ein dickes Fell anschaffen und akzeptieren, dass es nicht fair zur Sache geht – und das betrifft, leider, auch das Äußerliche. Es sollte nicht so sein, aber natürlich spielt in einer Mediendemokratie das Aussehen der Politikerinnen und Politiker eine Rolle.
Hat irgendjemand im Willy-Brandt-Haus schon mal hochgerechnet, wie viele Wählerstimmen die Leibesfülle ihres Chefs und möglichen Spitzenkandidaten bei der kommenden Bundestagswahl, Sigmar Gabriel, kosten könnte? Merkel wurde vor ihrer Kanzlerschaft auch deshalb lange nicht für voll genommen, weil ihre Frisur so seltsam war – man erinnere sich etwa an die Sixt-Werbung. Und diese Werbeleute haben da qua Jobbeschreibung eine ziemlich gute Nase.
Und nun also Anton Hofreiter. Seit zehn Jahren sitzt der 45-Jährige für die Grünen schon im Parlament, vor zwei Jahren wurde er zum Fraktionschef gewählt. Seitdem gibt es in der Partei unter der Hand Gegrummel, dass der „Toni“ zwar ein kluger Mann sei, aber halt nicht so dolle rüberkomme. Auch wegen seines Äußeren, vor allem wegen seiner langen blonden Haare, die vielleicht an Jesus von Nazareth erinnern, wenn der denn Mitteleuropäer gewesen wäre.
Wie auch immer: Hofreiter hat jetzt in der taz angekündigt, als Spitzenkandidat bei den Bundestagswahlen anzutreten – und es ehrt ihn, dass er sein Äußeres offensiv thematisiert: Er glaube, viele Leute hätten die Nase voll von „genormten Figuren“: „Die Leute wollen eher Politiker, die nicht vorgeben, etwas zu sein, was sie nicht sind.“ Das mag so sein, aber es trifft sicherlich nur auf einen Teil der Wählerschaft zu. Und wie groß ist die?
Es ist ungerecht, aber viele Wählerinnen und Wähler schauen eben doch, ob da jemand nur mit bayerischem Akzent sprechen kann, ob die Frisur vielleicht in den 70ern in Oberbayern cool war und ob da jemand etwas zu viele Kilos auf die Waage bringt oder nicht. Herrschaft, auch die Herrschaft des Volkes, hatte schon immer etwas mit Ästhetik zu tun – und nur in Monarchien oder Diktaturen spielte und spielt das Äußere der Leute an der Spitze des Staates überhaupt keine Rolle, durfte und darf keine Rolle spielen.
Joschka Fischer hat das gespürt: Er joggte sich geradezu brutal die Kilos vom Leib, als Mitte der neunziger Jahre eine rot-grüne Machtperspektive sichtbar wurde – auch seinen Stil änderte er radikal, von der Lederjacke zum schicken Anzug. War er dadurch weniger authentisch? Überhaupt: Dürfen sich nicht auch Politikerinnen und Politiker neu erfinden, und sei es im Äußerlichen?
Fischer joggte sich brutal die Kilos vom Leib
Trägt man es Jürgen Trittin wirklich nach, dass er irgendwann seinen Schnauzer der Macht oder der Seriosität opferte – und Angela Merkel, dass sie sich im Styling ihrer Garderobe beraten ließ und angeblich sogar den so peinlichen Hauptstadtfigaro Udo Walz beehrte? War nicht ein Faszinosum an Fischer damals, dass er zwar sein Äußeres veränderte, aber immer noch die rhetorisch brillante Schnodderschnauze blieb, in der man den Straßenkämpfer der Putztruppe aus Frankfurt noch erahnte?
Ein aus dem Rahmen fallendes Äußeres kann sich in der Demokratie nur leisten, wer an anderer Stelle, etwa in der Rhetorik, glänzen kann. Dann kann das sperrige Äußere sogar etwas Cooles haben. Für die anderen aber gilt, leider: Die Klage über die Bedeutung des Äußeren in einer TV-Demokratie ist etwa so sinnvoll und weiterführend wie die über trübes Wetter im November.
Wer als Politiker in einer Demokratie sein Äußeres als zweitrangig erklärt, mag dafür Beifall in einem Politologiegrundkurs an der Uni von besonders politisch korrekten Menschen oder lieben Parteifreunden erhalten – es bleibt aber Wunschdenken.
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