Grüner Fraktionsvize über Solarindustrie: „Abhängigkeit ist gefährlich“
Deutschland brauche eine eigene Solarindustrie, fordert der grüne Fraktionsvize Andreas Audretsch. Sonst drohe wichtiges Know How verloren zu gehen.
taz: Herr Audretsch, die Grünen wollen, dass Deutschland wieder eine Solarindustrie bekommt. Die für eine Ansiedelung vorgesehenen Mittel sind aber eingedampft worden. Wird das trotzdem noch was?
Andreas Audretsch: Die Solarindustrie ist eine der ganz großen Zukunftsindustrien. In wenigen Jahren wird sie weltweit eine größere Relevanz haben als die Autoindustrie. Wenn Deutschland Teil dieser Entwicklung sein will, muss die Solarindustrie hier eine Zukunft haben. Deswegen ist es wichtig, dass wir für die Förderung der Produktionskapazitäten Geld im Klima- und Transformationsfonds bereitgestellt haben.
Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts sind die Mittel stark geschmolzen. Wie viel ist für die Solarindustrie übrig geblieben?
ist 39 und seit 2021 Bundestagsabgeordneter und seit 2022 stellvertretender Vorsitzender der grünen Bundestagsfraktion.
Für den Aufbau von Produktionskapazitäten bei Zukunftstechnologien stehen 50 Millionen Euro bereit, darunter fällt auch die Solarindustrie. Gerne hätten wir mehr Geld bereitgestellt, aber wir konnten einen substanziellen Betrag sichern, um Unternehmen beim Aufbau der Produktion zu unterstützen. Eine andere Frage ist, wie wir die deutsche Solarindustrie vor unfairen Handelspraktiken und wirtschaftlichen Angriffen schützen.
Also vor chinesischen Importen zu Dumpingpreisen.
China hat in den vergangenen zehn Jahren nach vorsichtigen Schätzungen etwa 50 Milliarden US-Dollar in die Solarindustrie investiert – zehnmal so viel wie alle EU-Staaten zusammen. Es wurden riesige Produktionskapazitäten aufgebaut, um Technologieführerschaft zu erringen, aber auch, um Märkte international zu übernehmen. China verbindet technologischen Fortschritt und Machtausübung. Deutschland hat parallel die Förderung der Solarenergie zusammengekürzt. Die damalige Koalition unter CDU-Führung hat die Einspeisevergütung drastisch abgesenkt, die Folge war der Zusammenbruch der Solarindustrie in Deutschland. Seit einigen Jahren hat die Branche nun einen neuen Anlauf gestartet und bereits viele gute Jobs geschaffen.
Nach dem größten Solarhersteller Meyer Burger haben weitere Produzenten den Rückzug aus Deutschland für den Fall angekündigt, dass die Regierung sie nicht fördert. Der Bundesrat hat am vergangenen Freitag die Unterstützung der Branche durch den Bund angemahnt.
Was will Deutschland mit einem kleinen Betrag bewirken, wenn China 50 Milliarden in die Hand genommen hat?
Das zeigt die Dimensionen. Auf der einen Seite ist China, auf der anderen sind die USA, die ebenfalls Milliardenbeträge in die Solarindustrie investieren. Die USA haben eine strategische Entscheidung getroffen, die Solarindustrie als Zukunftstechnologie und Branche hochlaufen zu lassen. Europa hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 mindestens 40 Prozent des jährlichen EU-Bedarfs im Bereich strategischer Zukunftstechnologien durch europäische Produktion zu decken. Dazu braucht es jetzt Investitionen.
In homöopathischen Dosen?
Wir stehen nicht vor der Frage, ob wir bald eine Solarindustrie haben, die in der Größe mit der Chinas gleichzieht. Die Frage ist, ob wir die Technologie hierbehalten und Kapazitäten hochfahren, um unabhängiger zu werden. Wenn wir keine Unternehmen mehr haben, die hier produzieren, haben wir keine Forschung mehr und keine Weiterentwicklung von Technologien. Dann sind wir zu 100 Prozent abhängig.
Wenn die Module sowieso aus China kommen, ist die Förderung einer eigenen Solarindustrie nicht Geldverschwendung?
Nein. Wir haben gesehen, wie gefährlich Abhängigkeit ist, beim russischen Gas, bei den Masken in der Pandemie, bei Antibiotika. Die Lehre daraus muss doch sein, dass wir in der Lage sein müssen, zentrale Produkte hier herzustellen. Was für ein Glück, dass wir hier einen Impfstoff gegen Corona entwickeln konnten. Das war möglich, weil wir Unternehmen und Fachleute hatten, die wussten, wie es geht.
Die Solarbranche fordert im Rahmen des Solarpakts I einen sogenannten Resilienzbonus zur Unterstützung der heimischen Hersteller: die Vergütung von Strom aus hierzulande produzierten Solarmodulen soll höher sein als bei importierten Anlagen. Kommt das?
Wir Grüne wollen beides: den Aufbau der Produktionskapazitäten unterstützen und einen Markt garantieren, auf dem hier produzierende Firmen bestehen können. Wenn Hersteller in Deutschland produzieren, müssen sie die Möglichkeit haben, ihre Solarpaneele zu kostendeckenden Preisen hier abzusetzen. Wie genau eine Lösung am Ende aussieht, werden wir sehen. Die Verhandlungen laufen sehr konstruktiv.
Wie ist der Stand?
Die Ergebnisse werden nicht besser, wenn man öffentlich über Details spricht.
Besteht die Gefahr, dass sich die Geschichte wiederholt und die Solarindustrie wieder von der Politik im Stich gelassen wird? FDP-Politiker sind gegen eine Förderung.
Ich nehme beide Koalitionspartner so wahr, dass sie die Dimensionen sehr gut erfasst haben. Beide haben vor Augen, was Abhängigkeit von China bedeutet und dass wir nicht wissen, wie sich der Taiwankonflikt entwickelt. In der Bewertung der Gefahren, die von China ausgehen können, stehen insbesondere wir Grüne und die FDP eng beieinander. Ich bin zuversichtlich, dass wir eine gute Lösung finden, so dass die Solarindustrie in Deutschland eine Zukunft hat.
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