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Grüne vor Landtagswahl Baden-Württemberg„Kretsch… äh … Özdemir“

Die Baden-Württemberger Grünen verabschieden ihr Programm und feiern den alten und den vielleicht neuen Ministerpräsidenten. Da kommt mancher durcheinander.

Winfried Kretschmann (l.) und Cem Özdemir (r.) haben sich gern Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Benno Stieber

Aus Ludwigsburg

Benno Stieber

Es ist eine Übergabe, wie sie sich die Grünen im nächsten Jahr wünschen: Ein Handschlag, Jubel und Winfried Kretschmann verlässt mit der Mappe unterm Arm die Bühne. Cem Özdemir übernimmt. Doch bis es so weit kommen könnte, gilt es, noch einen Winterwahlkampf zu bestreiten und die Landtagswahl im März zu gewinnen. Deshalb findet diese Staffelübergabe erst einmal beim Grünen-Parteitag am Wochenende in Ludwigsburg statt.

„Es geht um Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft“, sagt Özdemir in seiner Kandidatenrede. Angesichts immer neuer Nachrichten vom tausendfachen Stellenabbau an den Autostandorten im Land ist das sicher keine falsche Analyse. Aber schwieriges Terrain für die Grünen, mit überschaubaren direkten Einflussmöglichkeiten für die Landesregierung.

Der Betriebsratschef von Daimler Trucks, Michael Brand, hatte am Freitag auf dem Parteitag die Versäumnisse der Arbeitgeber bei der E-Mobilität markiert und sich für eine klare Strategie für elektrische Antriebe ausgesprochen. Zugleich aber erklärte er, dass Strafzahlungen an die EU, weil Klimaziele nicht eingehalten werden, besser in klimafreundliche Strategien investiert werden sollten.

Trotzdem rutscht im Grünen-Wahlprogramm Klimapolitik zumindest als eigenes Kapitel zugunsten von Innovation und Bürokratieabbau und auch Bildung nach hinten. Grüne Kernthemen haben gerade keine Konjunktur in Umfragen. Aber den Markenkern zu vernachlässigen, könnte andererseits die grüne Stammklientel in Heidelberg und Freiburg zur Linkspartei treiben. Das weiß Özdemir und macht zumindest Jungwählern ein Angebot mit einem Jugendbeirat, der künftig die Landesregierung beraten soll.

Den Wahlkampf seines Lebens will Özdemir führen

„Rotzfrech ins Gesicht gelogen“

Wo die CDU die direkte Konfrontation mit dem prominenten grünen Kandidaten meidet, setzt Özdemir in seiner Rede auf die dosierte Attacke gegen den bisherigen Koalitionspartner. „Wer Beliebigkeit suche, findet bei der Konkurrenz das bessere Angebot“, sagt Özdemir und wirft Bundeskanzler Merz vor, den Wählern mit seinem Nein zum Sondervermögen bei der Bundestagswahl „rotzfrech ins Gesicht gelogen“ zu haben.

Und er geißelt die Anschaffung der Polizeisoftware des umstrittenen US-Software-Unternehmens Palantir durch das CDU-geführte Landesinnenministerium: Statt zuerst mit deutschen und europäischen Unternehmen zu reden, hätte man sich auf Marktforschung anderer Landesregierungen verlassen. „Europäische Technologiesouveränität können sie nicht“, sagt Özdemir.

Auch Bildungskompetenz reklamiert Özdemir für die Grünen, die seit bald fünf Jahren die Kultusministerin stellen. Er wirft der CDU Lehrerbashing vor und erinnert daran, dass Kultusministerin Theresia Bauer von Experten ein gutes Zeugnis für ihre Arbeit ausgestellt wird.

„..ääh, Cem Özdemir!“

Den „Wahlkampf seines Lebens“ wolle er führen, um Kretschmanns Nachfolger zu werden, ruft Cem Özdemir den Delegierten entgegen. Dabei folgt er ganz Kretschmanns Erfolgsspur. Das erste Wahlplakat zeigt den Kandidaten im Vordergrund und den Amtsinhaber dahinter: „Sie kennen ihn“ steht da. Auch das erinnert an Kretschmanns Wahlkämpfe.

Da kann man dann schon mal durcheinanderkommen. Fraktionschef Andreas Schwarz will den Saal einstimmen und ruft, die Grünen gäben alles für „einen Ministerpräsidenten Winfried Kretsch… äh Cem Özdemir“.

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10 Kommentare

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  • Schaut man sich die Wahlumfragen an, wird deutlich, dass Özdemir nicht den Hauch einer Chance hat, Kretschmann als Ministerpräsident zu beerben. Aber die Grünen könnten natürlich Juniorpartner der CDU werden, mit Özdemir als Vize-Ministerpräsident. Die Baden-Württemberger Grünen würden damit dem NRW-Modell folgen. Özdemir, der ja vielleicht auch das Wirtschaftsressort übernimmt, würde das wahrscheinlich sogar sehr in den Kram passen. Er könnte sich wirtschaftsnah präsentieren, den Schmusekurs auch personell unterfüttern, und grüne Themen ließen sich sehr leicht mit dem Verweis auf den Koalitionspartner einstampfen. Auch hier würde dann dem NRW-Modell gefolgt.

    • @NormalNull:

      Die Erklärung des NRW-Modells sind die Mehrheitsverhältnisse, aber auch der sinnlose Versuch der SPD, in gemeinsamer Koalition dem Partner Grün das Wasser abgraben zu wollen und Vereinbarungen nicht einzuhalten. Da frisst grün sogar schwarze Fliegen.

  • Grüne und CDU werfen mit Wattebällchen aufeinander, weil jeder beteiligte weiß, daß die Koalition fortgesetzt wird.



    Es geht doch nur darum, wer den Juniorpartner machen muss. Und das werden wohl die Grünen sein.

  • Beeindruckt hätten mich die Grünen, wenn sie an der Frage Palantir die Koalition gesprengt hätten



    Wenn die Machtfrage im Raume steht, geben sie eben auch gerne nach.

    • @Oliver Wagner:

      Das nennt sich Koalition. Das Innenressort ist bei der Union, und darauf hatten sie auch sehr bestanden.

      Ist das Thema stark genug, um damit Neuwahlen im Winter auszurufen? Was würde dann nicht mehr geschehen? Wird Palantir nicht vielleicht bereits durch Karlsruhe erstickt?



      Die Fragen sind vielleicht ebenso berechtigt, auch wenn nicht alles durchzuwinken ist.



      Mich stört im Ländle etwa, dass progressiver Fortschritt im Verkehr so langsam einsetzt, unter dem eigentlich aufrechten W. Herrmann. Besser mit der Union oben wird's wohl leider nicht, im Gegenteil.

  • "Die Baden-Württemberger Grünen verabschieden ihr Programm und feiern den alten und den vielleicht neuen Ministerpräsidenten."

    Zuviel ungerechtfertigter Optimismus am Montag morgen.

    Die nicht-grünen Baden-Württemberger sind froh, dass Kretschmann endlich weg ist; zumindest die letzten 5 Jahre waren verlorene Jahre für das Bundesland. Und man muss eine Menge von Özdemirs Balkon-Pflänzchen verbraucht haben, um zu glauben, er habe auch nur einen Hauch einer Chance.

    • @Monika Dietrich:

      Dazu hätte ich jetzt gerne mal Umfragezahlen, damit wir unsere Blase nie mit allgemeinfähigen Datengrundlagen verwechseln.

  • Noch ist Kretsche ja auch noch am Ruder.

    Inhaltlich haben die Grünen immer noch die stärksten Karten, zumindest verglichen mit der spätpietistischen SPD und den bott-schwarzen Unionisten, die die Erneuerung schon 12 Jahre vergeigen.



    Ich werde wohl stets Boris Palmer als Regierungschef nachtrauern. Zwar einige Sätze zum Fremdschämen, doch so ein Macher-Talent mit Werten, Fleiß und Hirn hat BaWü nicht noch mal.

    • @Janix:

      In Sachen Boris Palmer gebe ich ihnen recht.



      Die Grünen, früher meine Partei der Wahl, haben einen Kurs eingeschlagen, den ich schon lange nicht mehr gut finde. Wobei ich jetzt auch nicht sagen könnte, von welcher Partei ich mich überhaupt noch vertreten fühle. Nur eines ist sicher, von der AfD, der BSW und der Linke ganz sicher nicht.

  • Zitat : Zugleich aber erklärte er, dass Strafzahlungen an die EU, weil Klimaziele nicht eingehalten werden, besser in klimafreundliche Strategien investiert werden sollten.



    Zitat: und wirft Bundeskanzler Merz vor, den Wählern mit seinem Nein zum Sondervermögen bei der Bundestagswahl „rotzfrech ins Gesicht gelogen“ zu haben.

    Wo er Recht hat, hat er Recht!

    Zitat: und erinnert daran, dass Kultusministerin Theresia Bauer von Experten ein gutes Zeugnis für ihre Arbeit ausgestellt wird.

    Und was sagen Lehrer und Statistiken dazu? Experten sind so eine Sache, ich finde immer einen, der mich bestätigt.



    Wie beim Fußball. Erst erklären einem die Experten, warum Team A auf jeden Fall gewinnt und nach dem Spiel warum A auf jeden Fall verlieren musste.