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Grüne planen neues ProgrammRaus aus der Nische, rein ins Kabinett

Volksparteien sind out, sagen die Grünen. In einem Zwischenbericht zum neuen Programm geben sie sich anschlussfähig und offen für neue Partner.

Weltuntergang vorerst abgesagt: Robert Habeck und Annalena Baerbock Foto: dpa

BERLIN taz | Vor vierzig Jahren, als sich die ersten Landesverbände der Grünen in Westdeutschland gründeten, taugten sie noch als Bürgerschreck. Im ersten Grundsatzprogramm aus dem Jahr 1980 beschreiben sie sich als „Alternative zu den herkömmlichen Parteien“. Heute regieren die Grünen in neun Bundesländern mit und wollen endlich auch im Bund an die Macht. Die Parteivorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock machen keinen Hehl daraus, in der nächsten Regierung sitzen zu wollen.

Wie verorten sich die Grünen in einer komplizierter werdenden Welt? Ein Zwischenbericht zum neuen Grundsatzprogramm, den die Parteispitze am Freitag vorlegt, gibt erste Antworten. Seit gut einem Jahr arbeiten die Grünen am Neuentwurf ihres Grundsatzprogramms, der 2020 fertig sein soll. Die Grünen stellten sich als „Bündnispartei mit Wertekompass“ auf, sagt Baerbock. Von der Anti-Parteien-Partei in den 80ern über die Projektpartei, die in eine rot-grüne Regierung mit Gerhard Schröders SPD eintrat, zur Bündnispartei: Diese Entwicklung hat eine strategische Komponente. Die Grünen präsentieren sich seit Längerem als anschlussfähig in alle Richtungen, um Regierungsmehrheiten zu schaffen – in Schleswig-Holstein arbeitet eine Jamaika-Koalition, in Thüringen Rot-Rot-Grün.

Die Grünen-Spitze fasst den Begriff Bündnispartei aber weiter, als Antwort auf eine ausdifferenzierte Gesellschaft, in der Volksparteien an Zuspruch verlieren. Alte Milieus lösten sich auf, sagt Habeck. „Da müssen wir neue Bündnisse schmieden, basierend auf Grundwerten und mit klaren Zielen.“ Die Grünen suchen seit einiger Zeit gezielt den Kontakt zu gesellschaftlichen Playern wie den Gewerkschaften oder den Kirche, um Verbündete zu finden.

Bei der Lektüre des 68-seitigen Berichts fällt auf, dass die Grünen den früher beliebten Weltuntergangssound vermeiden. Die Einleitung des Programms von 1980 klang einigermaßen apokalyptisch. Da reiht sich Giftskandal an Giftskandal, da werden Tiergattungen ausgerottet, und „Flüsse und Weltmeere verwandeln sich in Kloaken“. Heute wollen die Grünen Optimismus ausstrahlen. „Veränderung in Zuversicht“, lautet der Titel des Berichts. Die Grünen wollen die „optimistische, gestaltende gesellschaftliche Kraft im 21. Jahrhundert“ sein.

Provokation bei Gentechnik

Immer wieder schimmert Tech­nik­optimismus durch. So stießen Habeck und Baerbock vor einem Jahr eine Debatte an, ob neue Formen der Gentechnik angesichts des Hungers auf der Welt und der Erderwärmung nicht neu diskutiert werden müssten. Für die tradi­tio­nell Gentechnik ablehnende Partei war dies damals eine Provokation. Im Zwischenbericht wird nun Offenheit signalisiert. So kritisieren die Grünen weiterhin, dass die Gentechnik in der Landwirtschaft agrarindustrielle Strukturen gestärkt und den Pestizideinsatz erhöht habe. Sie schreiben aber auch: „Heute sind wir gefordert, differenzierte Maßnahmen zur Regulierung der neuen Gentechnik zu finden.“

Anders als früher bekennen sich die Grünen zum Staat und zu Sicherheitspolitik

In dem Bericht findet sich ein Werteteil, in dem die Grünen sozusagen ihre Verfassung festlegen. Sie schreiben, dass das Wissen um die planetaren Grenze die Leitlinie grüner Politik sei. Dass Umweltschutz soziale Gerechtigkeit immer miteinbeziehen müsse. Dass zu große Ungleichheit den Zusammenhalt der Gesellschaft bedrohe. Und dass die Demokratie erst dann verwirklicht ist, „wenn Frauen und Männern gleichberechtigte Gestaltungs- und Entscheidungsmacht zukommt“. Anders als in früheren Grundsatzprogrammen bekennen sich die Grünen zum Staat und zu Sicherheitspolitik. Der Rechtsstaat sei „nicht der Streichposten der Sicherheitspolitik“, sondern ein „zentrales Schutzgut“.

Die Handschrift Baerbocks und Habecks ist deutlich zu erkennen. Beide werben dafür, dass die Partei aus ihrer Nische müsse, um sich der ganzen Gesellschaft zuzuwenden. So findet sich im ganzen Bericht nur das einladende „Wir“ – nirgends ist wie in anderen Parteipapieren von „Wir Grüne“ die Rede. Manche Formulierung klingt altbekannt, manche etwas wolkig. Dies ist aber auch dem Charakter eines Grundsatzprogramms geschuldet, das die Partei für die nächsten zwanzig Jahre verorten soll.

Dem Zwischenbericht ging ein breit angelegter Beteiligungsprozess voraus. Mehr als 1.000 Mitglieder hätten sich an den Debatten bisher beteiligt, heißt es in der Parteizentrale. 235 Mitgliederbegehren wurden gestartet, 26 davon waren erfolgreich. Diese Begehren sind eine Besonderheit der Grünen. Mitglieder können auf einer internen Onlineplattform Projekte diskutieren. Finden sich 50 UnterstützerInnen, muss sich der Vorstand mit der Idee befassen.

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34 Kommentare

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  • Ein schönes Paar, die Sonnenblume im Hintergrund - da könnte die Bunte ja glatt neidisch werden.

  • Obwohl ich seit 1994 immer die Grünen wähle bin ich eigentlich erst jetzt so richtig mit denen zufrieden, viel von dem ideologischen Ballast haben mich zeitweise schon etwas genervt...die Grünen in den achtziger Jahren wären wohl noch nix für mich gewesen, Habeck und Baerbock finde ich dagegen klasse!

    • @Saile:

      Und was machen die so Tolles anders als alle anderen Machthungrigen? Darf ich raten? Gar nichts?



      Eine Partei die Kriege befürwortet und Ungleichland beibehält – ist es das, was Sie wollen?



      Ich will das nicht. Schön daherreden und dabei alle verblenden machen doch schon alle anderen.



      Grüne für nixxx gut. Außer für Blabla – Rhetorik (dafür gibt's Kurse!), die nach der Wahl in sich zusammenfällt, wie immer. No go.

      • @Frau Kirschgrün:

        Die machen vielleicht gar nicht sooo viel anders als andere Parteien des demokratischen Spektrums, sagen mir mit ihrer Einstellung aber eben am meisten zu...an Macht sollten übrigens alle Parteien interessiert sein, sonst kann das jeweilige Parteiprogramm nämlich nie auch nur ansatzweise umgesetzt werden. Kriege befürworten? Wenn es nicht mehr anders möglich ist kann das leider notwendig sein, von Radikalpazifismus halte ich nichts, dieser kann sehr menschenverachtend sein...Hitler war nunmal mit besänftigenden Worten und Wirtschaftssanktionen nicht zu stoppen...

        • @Saile:

          Wir führen aber seit Jahrzehnten reine Wirtschaftskriege, dagegen habe ich massiv etwas. Unser Wohlstand ist kein Wohlstand – diese Form des Lebens ist blutbeschmiert und hat andere massiv beklaut – und tut das immer noch.



          Die sog. etablierten Parteien (Grüne, FDP, SPD, CDU|CSU, AfD) erhalten bei jeder BTW zusammen ziemlich konstant etwa 80 % der Wählerstimmen – und machen doch immer nur Wirtschaftspolitik für die Reichen. Und seit 40 Jahren hat sich nichts geändert.



          Für wen ist es denn besser geworden? Pfleger*innen, Angestellte, Arbeiter*innen, Alleinerziehende, Rentner*innen – oder eher für niemandem?



          Könnte frauman doch mal mitkriegen, oder?!



          Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber. Das ist so bitter wahr.



          www.taz.de/Yanis-V...Interview/!168428/



          könnte eine Alternative bei der Europawahl sein…

          • @Frau Kirschgrün:

            Bei Ihrer Aufzählung der etablierten Parteien haben Sie „Die Linke“ vergessen...

            • @Saile:

              Nein, Die Linke habe ich nicht "vergessen".

  • "Die Grünen präsentieren sich seit Längerem als anschlussfähig in alle Richtungen…"



    Auf gut Tucho: "Wer nach allen Seiten hin offen ist, kann nicht ganz dicht sein."



    Mehr ist dazu nicht zu sagen.



    Außer: Gefährlich diese Grünen. Wegen der Lügerei.

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @Frau Kirschgrün:

      Wer sich bereits vor der Landtagswahl in Bayern anbietet, um Söder zum Ministerpräsidenten zu machen , kann nicht ganz dicht sein!

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @Frau Kirschgrün:

      Wer nach allen Seiten hin offen ist , kann nicht ganz dicht sein.



      SEHR GUT !

  • Wer regieren möchte, sollte sagen, wie ersie regieren möchte und was ersie erreichen möchte. Wer allerdings anschlussfähig an alle sein will, sagt das nicht. Die GRÜNEN an der Macht in verschiedenen Ländern zeigt: man weiß nicht,für was sie stehen. In aller Regel tun sie das Gegenteil dessen, was sie sagen. Und komischerweise ist dann immer der Koalitionspartner schuld. Scheint keine gute Idee zu sein - diese Bündnisse.

    • @Jörg Rupp:

      Ja und? Man geht ja auch mit seinen Kumpels in die Kneipe, mit den Kindern auf den Spielplatz und gegen die AfD auf die Straße. Komischerweiße ist jedesmal der Kontext von Bedeutung ;-)

  • Die Welt ist komplexer geworden, komplizierter eigentlich nicht.



    Der Eindruck der Klompliziertheit liegt eher am dahinscheidenden Intellekt.



    Der ist vermtulich so wie die Prizipien aus dem Wahlprogramm gestirchen worden...

  • "Früher"

    "Oportunismus" war früher, vor 100 Jahren ein Begriff aus der marxistisch-orthodoxe revolutionsgeilen Mottenkiste.

  • Wie schön, dass sich hier im Internet noch jeder Hinz und Kunz ohne Ahnung oder Verstand auslassen kann. Da könnte man sich die Uploadfilter doch fast schon wieder schön saufen...



    ...Aber mal im Ernst, wer davon ausgeht, eine Partei sollte nicht kompromissbereit und offen für andere Ansichten sein, der kann sich ja gerne ein Land ohne demokratische Prozesse suchen, denen laufen in der Regel die Leute eh weg, da freuen die sich sicher über jeden der kommt.

    Ob man sich diese Offenheit gleich auf die Stirn schreiben muss ist eine Sache, eine andere ob man dann gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen will.

    • @JGGB:

      Aus der Sicht von Hinz und Kunz ist Opportunismus eine notwendige Anpassung, um glücklich zu werden.

  • Die Wut gegen handlungsun(willige)fähige Politik bezieht sich auch die Habecks und Baerbocks mit ihrem Geschwätz ein. Grünes Neusprech ohne Konsequenzen siehe Baden-Württemberg: Der Automobilindustrie zu Willen, Kohleausstieg mal irgendwie irgendwann, soziale Gerechtigkeit - Null. Die Grünen sind heute so wie diejenigen, gegen die die Gründergeneration der Grünen einst mobil machte. Die Partei für diejenigen, die sich den Pelz waschen, aber nicht dabei nass werden wollen. Das allerschlimmste - mit dem Merkel-Mantra: Es gibt keine Alternative, wanzen sie sich an die KK-CDU ran. Und die 'Führung' glaubt, die Kids merken das nicht?

  • "Die Grünen präsentieren sich seit Längerem als anschlussfähig in alle Richtungen um Regierungsmehrheiten zu schaffen ...."

    Früher nannte man das Opportunismus. Aus reiner Machtgeilheit.

    Wenn ich völlig unhistorisch denken würde, dazu noch der Meinung bin, dass Deutschland das Land der Guten ist und Militär Mittel der Außenpolitik, dann würde ich Grüne wählen, zumal -wie Hofreiter es hier in der taz sagte- ein gutes Leben möglich ist, wenn man so denkt wie unsere Partei der Opportunisten.

    • @Rolf B.:

      "Früher"

      "Oportunismus" war früher, vor 100 Jahren ein Begriff aus der marxistisch-orthodoxe revolutionsgeilen Mottenkiste.

  • Schulsprecher an die Macht.



    Alle Macht den Schulsprechern.

  • 9G
    94797 (Profil gelöscht)

    "Die Grünen präsentieren sich seit Längerem als anschlussfähig in alle Richtungen"

    Die Grünen. Die neue FDP?

    Und. Grüne ins Kabinett.



    Welches Land wird dann mit Bomben bestückt und beglückt?

    Affentheater, die ganze pseudodemokratische K....

  • Nur die Linkspartei verstaubt aufrecht und abgeschlossen seit 30 Jahren in der Rumpelkammer der außerparlamentarischen Opposition.

    Es kann bei Wahlen in Ostdeutschland notwendig werden, dass auch sie sich mal häutet, um Eine mehrheitsfähige Regierung gegen die AfD zu ermöglichen.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      Stimme aus dem Off: eine Regierung wird im Regelfall FÜR etwas gewählt - und nicht gegen etwas.

      Davon ab: wer hat denn eine Berührungsscheu? Die Linke - oder eher andere Parteien? Ein Blick auf gescheiterte Versuche, z. B. in Hessen und im Saarland (zu Zeiten von Herrn Maas) helfen sicherlich weiter.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Ich hoffe doch sehr das der Antifaschismus der Linkspartei FÜR eine Politik steht, die nicht die der AfD ist. Sonst würden Koalitionen gegen eine AfD auch keinen Sinn machen.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Der ist gut: 'Wertekompass' für die eigene Langweiligkeit und Leere.

    Der größte Kalauer neben den 'neuen Inhalten' (alter Wein in neuen Schläuchen) ist der Hinweis auf den 68 (!) seitigen Bericht der Grünen. 68. Vor diesen Grünen braucht wirklich niemand mehr Angst zu haben. Ein Prototyp blasser Belanglosigkeit des "Allen wohl und niemand weh", dessen Anspruch zum Optimismus dem Ganzen die unansehnliche Krone aufsetzt.

    Optimismus: die Kunst, mit Tempo 180 (freie Fahrt für freie Bürger!) zuversichtlich in Nebelbänke zu rasen. Dazu sage ich nur: Fridays for the future.

    Wie schon Ina Deter wusste: Neue Männer braucht das Land. Und Frauen.

    • 9G
      94797 (Profil gelöscht)
      @76530 (Profil gelöscht):

      Werter Herr Leiberg



      Sie habens mal wieder auf den Punkt gebracht..

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @94797 (Profil gelöscht):

        Dafür schreibe ich ja - in aller Unbescheidenheit - hier. ;-)

  • SPD-Wähler wollen wirklich beschissen werden! Erst hat sie Schröder zur Speerspitze neoliberaler Reformen gemacht und aus der Sozialdemokratie die kapitalistischste Bankenretterpartei ever. Dann sind sie zu den Grünen und dort für die Zuwächse verantwortlich, um morgen als Mehrheitsbeschaffer für die CDU schon wieder den Klassenfeind zu unterstützen! Wenn die SPD-Wähler nicht ganz so bescheuert wären, sähe die Politik Deutschlands und der EU deutlich anders aus!

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @EricB:

      Sehr gut ,sehr wahr .

    • 9G
      98589 (Profil gelöscht)
      @EricB:

      :-)))



      So ist es!

  • Griiens.;)) …Liggers.

  • "... Grundsatzprogramms geschuldet, das die Partei für die nächsten zwanzig Jahre verorten soll."



    Wenn man in alle Richtungen bündnisfähig sein will, kann man sich nicht verorten. Dann ist man einfach nur "politischer Pendler". Wessen Brot ich ess´, dessen Lied ich sing.



    Die CDU wird´s freuen.



    Also nur eine weitere Bestätigung der Entwicklung von den Gründungsprinzipien der Grünen zur Partei von Kriegseinsatzbefürwortern.



    Machtteilhabe wird unverholen propagiert. Was stört mich da mein Geschwätz von gestern.

    • @Trabantus:

      Das Geschwätz von Gestern war auch schon Machtteilhabe und der Wille Dinge zu ändern und in demokratischen Prozessen mitzubestimmen.

      Wüsste nicht, dass die Grünen das Ziel hatten, so lange zu warten bis sie eine 50%+ Partei wird.

    • @Trabantus:

      Ist vermutlich nicht die einzige Partei, die Macht will, was auch sonst? Anti-Parteien-Parteien haben im deutschen Parteiensystem überraschenderweise nie lange überlebt. Man kann darüber streiten, wie weit die Grünen ihre ursprünglichen Werte und Ideen "verraten" oder angepasst haben, aber logischerweise ändern sich Parteien. Und wenn die jetzigen Mitglieder unter großer Partizipation das Grundsatzprogramm möchten und beschlossen haben, sollen sie dafür werben und wir werden sehen, wie es bei den Wählern ankommt. Die nach rechts gerückte CDU wird es vermutlich weniger freuen.