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GründerInnen über die KlimaUnion„1,5-Grad-Ziel muss ins Programm“

Der neue Verein „KlimaUnion“ will CDU und CSU auf radikalen Öko-Kurs bringen. So sollen WählerInnen von den Grünen zurückgeholt werden.

War der Druck der Klimabewegung zu groß? Die Union hat jetzt eine „KlimaUnion“ Foto: dpa

taz: Frau Winter, Herr Strößenreuther, warum braucht es eine „KlimaUnion“ bei CDU und CSU, wenn die Union seit 15 Jahren das Land regiert – sogar mit einer Klimakanzlerin?

Wiebke Winter: Weil die CDU/CSU in der Klimapolitik ehrgeiziger sein muss. Wir müssen das 1,5-Grad-Ziel und die Klimaneutralität bis 2040 in unser Partei-, Wahl- und Regierungsprogramm aufnehmen. Dafür kämpfen wir mit dieser Plattform, auf der sich viele Menschen einsetzen können.

KlimaUnion

Die KlimaUnion ist eine neue Gruppierung in CDU und CSU, die die Unionsparteien zur Bundestagswahl auf einen klimapolitischen Modernisierungskurs bringen will. Sie wurde am Earth Hour Day am 27. März 2021 in Berlin und Hamburg gegründet und am 9. April 2021 der Öffentlichkeit vorgestellt. Zu den GründerInnen des eingetragenen Vereins gehören unter anderem der Berliner Klima-Aktivist und -Experte Heinrich Strößenreuther, das Bremer CDU-Bundesvorstandsmitglied Wiebke Winter, der frühere Siemens-Chef Heinrich von Pierer und der frühere Tesla-Chef Deutschland Philipp Schröder.

Die Union sagte immer: Wir sind schon die Klimaschutzpartei, denn wir bringen Wirtschaft, Wissenschaft und Umwelt zusammen. Stimmte das nicht?

Winter: Wir sind schon wichtige Schritte gegangen, etwa mit der Energiewende und dem CO2-Preis. Aber wir müssen noch ehrgeiziger werden. Sonst bekommen wir echte Probleme, auch in Deutschland.

Herr Strößenreuther, wo muss die Union am meisten nachbessern?

Heinrich Strößenreuther: Wir müssen die Energiewende so beschleunigen, dass bis 2030 der heutige Strombedarf zu 100 Prozent erneuerbar ist, um dann auch die Versorgung mit Wärme, den Verkehr und die Industrie auf den sauberen Strompfad zu holen. Wir müssen klarer machen, wie schnell der Klimawandel abläuft und dass wir für die großen Entscheidungen nur noch ein paar Jahre Zeit haben. Das ist bis vor wenigen Jahren auch den meisten in der Klimaszene kaum bewusst gewesen. Die „Klimaallianz“ mit 130 Verbänden hat 2019 einen CO2-Preis gefordert, aber keine Höhe dafür genannt. Jahrelang haben ForscherInnen Papiere geschrieben, aber ihre Scientists-for-Future-Stimme erst seit den Fridays for Future laut und deutlich vernehmbar erhoben. Alle Parteien, auch die Grünen, haben fortwährend ihre Programme verschärft. Der Rhetorik der Klimabewegung, dass die CDU an allem schuld sei, drücken diese Zusammenhänge unfair in den Skat.

Immerhin hat die Union die letzten 15 Jahre regiert – und das blockiert, was Sie jetzt fordern: den massiven Ausbau der Erneuerbaren, Gebäudesanierung, CO2-Preis, Streichung von Subventionen. Was haben Sie für einen Hebel, damit eine unionsgeführte Regierung das plötzlich umsetzt?

Winter: Die CDU hat die Energiewende eingeleitet, und es gibt heute einen CO2-Preis. Wir haben also gehandelt, allerdings haben wir noch Luft nach oben. Für unsere Ideen bekommen wir viel Unterstützung aus der Partei, aus dem Vorstand, der Fraktion und den Länderparlamenten. Es wird ja jetzt ein Wahlprogramm aufgestellt, in das wir unsere Ziele gern einbringen würden. Daran möchte ich im Bundesvorstand mitwirken.

Fo­to:­Gottfried Schwarz
Im Interview: Wiebke Winter

25, ist Mitglied im CDU-­Bundes­vorstand und Landes­vorsitzende der Jungen Union Bremen. Sie kandidiert im Wahlkreis Bremen II-Bremerhaven für den Bundestag und gehört zu den GründerInnen des Vereins „KlimaUnion“.

Strößenreuther: Ich habe in meiner Zeit bei der Bahn 14.000 Lokführern das energiesparende Fahren beigebracht. Das ist wie auf einer Spielplatzwippe: Am Anfang ist man ganz allein auf der einen Seite, wir sind 10 Leute in der KlimaUnion, auf der anderen Seite sind 400.000 Parteimitglieder. Da muss man einen nach dem anderen über die Mitte locken, bis die Wippe kippt und der Rest hinterherrutscht. Dann sitzen da am Schluss die zehn Blockierer, die es in jeder Partei gibt, ganz allein da oben, aber die Mehrheit hat ein klares Bekenntnis zur Klimaneutralität in 10 bis 20 Jahren getroffen. Das erste Viertel der Leute ist dem Thema sehr zugetan, das zweite Viertel muss intensiver überzeugt werden, das dritte Viertel wartet, was die erste Hälfte macht – und um das letzte Viertel lohnt sich das Kümmern nicht. Die Klimabewegung hat immer auf die 10 Prozent geschaut, die uns das Leben schwer gemacht haben. Da muss man aber auch ehrlich sagen: Das waren auch die, die uns die Annehmlichkeiten von billiger Energie, Autofahren und günstigem Einkaufen gebracht haben, bei denen wir als Gesellschaft alle mitgemacht und die Klimafolgen ausgeblendet haben. Das ändert sich nun gerade. Da ist gerade eine neue Lawine unterwegs.

Sind Sie auf einen Machtkampf zwischen Wirtschaftsflügel und KlimaUnion vorbereitet?

Fo­to:­privat
Im Interview: Heinrich Strößenreuther​

55, ist Gründer von Changing Cities, GermanZero und KlimaUnion, Klima- und Verkehrsexperte, CDU- und Rotary-Mitglied und hat über 150 Bürgerentscheide in Deutschland angestoßen.

Winter: Das hat nichts mit Macht zu tun, sondern mit Inhalten, mit Argumenten. Wir wollen auch keinen Kampf, sondern Klimawandel gemeinsam mit der Wirtschaft gestalten. Ich bin übrigens auch Mitglied der Mittelstands- und Wirtschaftsunion und sehe darin keinen Widerspruch zu meinem Engagement in der KlimaUnion. Unser Job ist es, zu informieren und Leute auf diesem Kurs zu unterstützen.

Strößenreuther: Es kann sogar gut sein, dass wir vom Wirtschaftsflügel Unterstützung bekommen, wenn sie unsere Argumente hören. Weltweit haben sich 175 Staaten zur Klimaneutralität verpflichtet. Alle brauchen die Produkte, um dorthin zu kommen. Wer diese Produkte als Erster produziert, sichert sich einen Vorsprung und schafft die Klimajobs von morgen. Dieses Argument leuchtet Wirtschaftsvertretern viel eher ein als die moralische Argumentation der letzten Jahre. Ein paar gute Charts öffnen bei Managern manchmal Türen. Und dann kriegen sie beim Abendessen noch einen kleinen Schubs von ihren Kindern, die bei Fridays for Future mitmachen, dann ändern sich die Dinge. So können wir nach vorn schauen statt zurück.

Sie wollen Deutschland in 10 bis 20 Jahren klimaneutral machen. Damit überholen Sie die Grünen, die als Zieltermin 2050 fordern. Und auch das ist schon eine riesige Herausforderung. Wie seriös ist Ihre Forderung?

Strößenreuther: Wir haben damals, 2019, beim „German Zero“-Klimaplan genau überlegt, was man bis wann tun kann. Dann haben wir uns auf 2035 für Klimaneutralität geeinigt. Wir wissen, dass manches länger dauert, aber auch dass manches schneller geht. 1962 hat US-Präsident Kennedy versprochen, in zehn Jahren den ersten Mann auf den Mond zu schicken, obwohl es die Technik noch nicht gab. Sieben Jahre später waren sie oben. Wir unterschätzen die Fähigkeit unserer Gesellschaft, exponenzielle Veränderung zu schaffen. Aber Corona hat gezeigt, was geht, wenn der Wille da ist. Das ist das Entscheidende: den Willen produzieren, dann lassen sich Berge versetzen. Außerdem treffen viele Trends zusammen: Es kommt Druck vom Finanzmarkt, viele Unternehmen wollen klimaneutral werden, die Konsumenten denken über das Thema nach. Und wir haben die Vorarbeit der rot-grünen Energiewende: Solarstrom kostet 3 Cent die Kilowattstunde, Kohlestrom 7 und Atom 10 Cent. Da ist es leicht, sich zu entscheiden, das kann man den Menschen auch in der Fußgängerzone beim Wahlkampf erklären.

Trotzdem ist die Union bislang in Umfragen kaum glaubwürdig beim Thema Klima. Was muss sich ändern?

Winter: Die CDU war schon mal die Partei, die sich um das Klima gekümmert hat. Das C in unserem Namen steht für Erhalt der Schöpfung, Nachhaltigkeit ist einer unserer Kernwerte. Es stimmt, wir müssen da ehrgeiziger werden, aber es gibt einfach keine Alternative. Auch die Union kann Klimaschutz! Das ist kein Privileg der Grünen.

Bei den letzten Wahlen sahen das aber viele so. Wie viele Prozentpunkte wollen Sie von den Grünen zurückholen?

Strößenreuther: Ein Viertel sind geliehene CDU-Wähler, denen das Klima so wichtig ist, dass sie Grün wählen. Also sind 5 bis 7 Prozentpunkte zu holen.

Und wer ist fürs Klima der bessere Kanzlerkandidat der Union: Armin Laschet, der immer für Kohle war und auch jetzt sagt, Klimaschutz ist nicht alles, oder Markus Söder, der nur Bäume umarmt, wenn die Grünen stark werden?

Strößenreuther: Da halte ich mich komplett raus. Der eine umarmt vielleicht Bäume für die Kamera, kann aber schneller handeln als der andere, der Arbeitsplätze erhalten muss.

Winter: Ich bin sehr gespannt, wie das ausgeht.

Aber im Ernst: Aus Klimasicht müssten Sie doch hoffen, dass Frau Baerbock Kanzlerin wird, oder?

Winter: Für uns ist ganz klar: Wir wollen einen CDU- oder CSU-Kanzler, der unsere Programmatik umsetzt. Weder Herr Habeck noch Frau Baerbock könnten das besser.

Strößenreuther: Ich wäre nicht in die CDU eingetreten, wenn ich nicht glauben würde, dass die nächste Regierung schwarz-grün werden wird. Ich will meinen Teil dazu beitragen, dass wir das 1,5-Grad-Limit halten – in der Union.

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3 Kommentare

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  • "Wir sind schon wichtige Schritte gegangen, etwa mit der Energiewende und dem CO2-Preis."

    Schritte ja, nur zu kleine, zu spät und zu wenige. Wenn wir das Klimaziel erreichen wollen, reichen solche Alibi-Aktionen und leere Worthülsen nicht aus.

    Ich finde es ja gut, dass selbst die Union langsam genug Angst vor den Grünen hat, um endlich auch etwas unternehmen zu wollen. Damit das auch in den Köpfen der "alten" Union ankommt, braucht es aber erstmal einen Regierungswechsel. Meinetwegen mit der Union als kleinem Koalitionspartner, damit sie gleich bei den Koalitionsverhandlungen zeigen können, wie weit sie wirklich auch zu grüner Politik bereit sind.

  • 11,5 t/Jahr beträgt der CO2-Konsum pro Bürger.

    Der Ausstoß pro Bürger (8,4 t) ist nicht aussagekräftig, um nicht zu sagen verlogen. Denn es spielt keine Rolle wo die Emission stattfindet, wenn diese letztlich meinem Konsum dient.

    Und sind wir doch ehrlich, da haben wir überhaupt nichts erreicht. Und selbst wenn man sich auf diesen Wert (der tatsächlich gesunken ist) verständigen wollte. Der weltweite Mittelwert liegt bei 4,8 t/Jahr/Kopf.

  • Greenwashing und Socialwashing bringt lange nicht eine nachhaltige Wirtschaft.



    Es darf nicht mehr um Etiketten gehen, sondern um Inhalte.



    Konservative müssten schon immer zu ihrem Glück getrieben werden. Das trifft bei Wahlrecht für Männer und Frauen bis zum Schutz unserer Umwelt, Klima und gerechte Umwelteilung des Wohlstandes zu.