Größter Nickelproduzent schließt Fabrik: Dreckschleuder macht dicht
Der russische Konzern Nornickel schließt sein Werk nahe der norwegischen Grenze. Anwohner:innen freuen sich, Leidtragende sind jetzt allerdings andere.
Jährlich bis zu 500.000 Tonnen Schwefeldioxid wurden hier freigesetzt, es verwandelte die Region kilometerweit in eine Wüste. Zuletzt war die Zahl auf 80.000 Tonnen gesenkt worden, doch die in Norwegen geltenden SO2-Grenzwerte wurden in Nordnorwegen trotzdem überschritten, ebenso die russischen; die Emissionen lagen achtmal höher als erlaubt.
In Kirkenes und im Pasviktal begrüßt die Bevölkerung das Aus der Fabrik nur wenige Kilometer jenseits der Grenze zu Russland. „Na klar ist das sehr gut“, meint Marta Møllersen, örtliche Vorsitzende der Umweltbewegung Natur og Ungdom. Und dass das Werk in Nikel dichtmachen müsse, sei vielleicht auch ein Signal dafür, dass für andere russische Umwelthotspots die Zeit ablaufe.
„30 Jahre verspätet, aber sehr erfreulich“, kommentiert Thomas Nilsen, Redakteur der Online-Publikation Barents Observer, „das bringt die größte SO2-Reduktion in Nordeuropa seit Jahrzehnten.“ Hinter dem Schritt von Nornickel sieht Nilsen zwei Gründe: Die Verlegung der Produktion in das 50 Kilometer entfernt liegende, modernere und weltweit größte Nickelschmelzwerk in Monchegorsk spare dem Konzern vermutlich Geld.
Ein Umweltalibi
Und es sei ein Umweltalibi: „Nickel ist ein Metall, das wegen der grünen Umstellung der Weltwirtschaft – es spielt unter anderem für die Batterien in E-Autos eine große Rolle – in Zukunft stark nachgefragt sein wird.“ Nornickels Hauptaktionär Wladimir Potanin wolle gern ein „grüngewaschenes Image“ haben: „Und dazu soll die Schließung des alten Schmelzwerks beitragen“, sagt Nilsen.
Von „grün“ kann bei Nornickel insgesamt allerdings keine Rede sein. Der Konzern, der seine hauptsächlichen Produktionsstätten neben der Kolahalbinsel auf der arktischen Taimyrhalbinsel hat – dort war es im Mai erst zu einer Umweltkatastrophe durch Dieselöl und einen Monat später durch chemische Abwässer gekommen –, platziert sich mit seinem Schmelzwerk in Norilsk und einem jährlichen Schwefeldioxidausstoß von 1,9 Millionen Tonnen als größter SO2-Emittent weltweit. Statt in Reinigungstechnik zu investieren, schüttete man 2018 lieber 3,7 Milliarden Dollar an seine Aktionäre aus.
Schon vor Wochen appellierten Samen aus Russland und Norwegen an den Tesla-Gründer Elon Musk, keine Geschäfte mehr mit Nornickel zu machen. Solange der Konzern auf den Halbinseln Kola und Taimyr ihr zerstörtes Land nicht rekultiviert hat, die Rechte der indigenen Völker anerkennt und ihnen Mitspracherechte an allen Projekten einräumt, die ihre Lebensgrundlage betreffen, bleiben sie bei ihrem Appell.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag