piwik no script img

Größer werdende AutosMotorhauben, die töten

Nanja Boenisch
Kommentar von Nanja Boenisch

Autos werden vorne immer wuchtiger – mit jedem Zentimeter steigt die Gefahr für die Umgebung. Nötig sind gesetzliche Größenbeschränkungen.

Straßenkreuzer gegen Fußverkehr Foto: Mitsubishi Motors USA/ap

N eue Autos in Europa wachsen: Ihre Motorhauben werden immer höher, ihre Breite nimmt zu, wie Studien des europäischen Umweltverbands Transport & Environment (T&E) zeigen. Das ist eine brandgefährliche Entwicklung. Denn je höher die Front eines Wagens ist, desto eher wird er im Straßenverkehr zur tödlichen Waffe.

Noch 2010 waren die Kühlerhauben neu zugelassener Autos in Europa durchschnittlich 76,9 Zentimeter hoch. 2024 lag der Durchschnitt in der EU, Norwegen und Großbritannien bei 83,8 Zentimetern.

Gleichzeitig wurden auf dem europäischen Markt immer mehr große und meist schwere SUVs verkauft. Laut T&E ist die Front einiger Autos sogar mehr als einen Meter hoch. Dabei enden Unfälle mit einer 90 Zentimeter hohen Stahlblechhaube für Fahrradfahrende und Fuß­gän­ge­r:in­nen schon mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit tödlich als bei 80 Zentimeter hohen Hauben.

Mit jedem Zentimeter mehr opfern Autobauer ein Stück Verkehrssicherheit. Warum nur? Für Komfort und Prestige der Fahrer:innen? Aus reinem Größenwahn? Damit die Menschen in den dicken Autos bei Unfällen besser wegkommen?

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Kaum ein Pluspunkt

Das dürfte kaum als Pluspunkt durchgehen, wenn die Wagen für Radfahrende, Fuß­gän­ge­r:in­nen oder Menschen im Rollstuhl dann umso gefährlicher sind. Werbung für SUVs verspricht besonders viel Übersicht und Sicherheit, dank des hohen Sitzes. Doch laut den Studien verschwinden kleine Kinder hinter so mancher Motorhaube.

Klar, größere Autos spülen ihren Herstellern oft mehr Geld in die Kassen. Dass diese dafür größere Gefahren für andere in Kauf nehmen, ist traurig. Aber leider kaum überraschend. Deshalb wäre es eine gute Idee, auf EU-Ebene und in den europäischen Staaten Größenbeschränkungen für Neuwagen festzulegen. Und auch die Leute, die sich ein neues Auto zulegen wollen, tragen Verantwortung. Ihnen darf es nicht egal sein, wenn sie zum Beispiel Kinder vor ihrer Kühlerhaube schlicht nicht sehen können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Nanja Boenisch
Redakteurin
Schreibt im Ressort Wirtschaft und Umwelt über Mobilität und Verkehrswende.
Mehr zum Thema

24 Kommentare

 / 
  • Ich kann nach wie vor nicht erkennen, dass deutsche Straßen übersät mit riesigen SUVs sind. In der Regel trifft man auf etwas höhere Pkws, die den Namen SUV nicht verdienen.

    Es wäre spannend zu erfahren, wie viele von den ca. 400 im Jahr getöteten Fußgängern auf die Motorhaubenhöhe der 10 % SUVs auf deutschen Straßen zurückzuführen sind.

    Das Einzige, was der Staat machen kann, ist, große Fahrzeuge unattraktiv zu machen, und das geht nur über Steuern und womöglich auch über die Geschwindigkeit. Tempo 30 in Städten - 130 auf der Autobahn.

    Ferner könnte sich das Problem zukünftig selbst erledigen, denn der Luftwiderstand treibt den Verbrauch von elektrischen SUVs merklich in die Höhe und die Kunden wollen Reichweite.

  • Es gibt eine schöne Studie des Economist über dieses Thema. Resultat: Ab ca. 2000 Kilo Autogewicht steigt die Sicherheit für den Fahrer nur noch in sehr geringem Maße, aber dafür Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer.

    flowingdata.com/20...rs-and-fatalities/

  • Verantwortung übernehmen - gefällt mir.



    Frage: Wenn ich bewusst eine höhere Wahrscheinlichkeit einen Menschen umzubringen in Kauf nehme - bin ich dann ein potenzieller Mörder oder nur ein fahrlässiger Töter?

    • @francisco acha-orbea:

      Die Antwort darauf gibt die Kfz-kulturelle Realität: Machst Du mit dem Auto jemanden platt, schickt man Dir einen Unfallseelsorger, um Dir Trost zu spenden.

  • Es ist doch Quatsch, dass mit hohen Motorhauben "ein Stück Verkehrssicherheit" geopfert wird.



    Man denke bloß an den Fall von Mönchengladbach.



    www.rtl.de/cms/elt...trafe-4609431.html



    Dank der hohen Motorhaube konnte die Autofahrerin das Kind nicht sehen, also war dies nur ein minderer Fall von Fahrlässigkeit.



    Die Verkehrssicherheit für Autofahrer steigt.



    Zu empfehlen sind daher auch getönte Scheiben usw.. Alles was zur Sichtminderung beiträgt dient dem Schutz der Fahrzeuglenker, denn dann können sie ja nix dafür, wenn sie Andere plattmachen.

  • Ich fahre ein sehr kleines Auto und bekomme regelmäßig einen Herzkasper, wenn sich so ein Riesenbolide neben mich schiebt.



    Gerade in großen Städten, in denen die Straßen- und Parkplatzflächen - politisch gewollt - immer weniger werden, sei es, weil ganze zu Spuren zu (kaum genutzten) Radwegen geändert werden, ist es echt dämlich, dass gleichzeitig diese Boliden immer größer und mehr werden. Das sind zwei Entwicklungen, die einfach nicht zusammenpassen.

    • @Katharina Reichenhall:

      Gerade in großen Städten gibt es fast immer einen relativ dicht getakteten öffentlichen Personennahverkehr. Da braucht man für längere Strecken kein Auto und für kürzere ist das Fahrrad im Tür-zu-Tür-Verkehr schneller. In Hamburg beispielsweise sind die Autofahrer im Stau, weil auch ein Großteil derer Auto fahren, die mit anderen Verkehrsmitteln besser zum Ziel kämen.



      Radwege werden umso mehr genutzt, je sicherer sie sind... und dann braucht man noch ein Radwegenetz und nicht nur hier und da ein paar hundert Meter. Ob man das Fahrrad nimmt, hängt für die meisten Verkehrsteilnehmer vom schlechtesten Abschnitt der möglichen Strecke ab.



      Wie man es richtig macht, sieht man u.a. in Kopenhagen.

    • @Katharina Reichenhall:

      Kleinstwagen verschwinden vom Neuwagenmarkt. Warum? An ihnen ist die Gewinnmarge zu klein.



      Die Autoindustrie braucht große und teure Autos, um E-Autos in der Mischkalkulation unterbringen zu können.

  • Bei der Forschung in vertieften Angelegenheiten der Verkehrssicherheit ist Deutschland durch Analysen von Unfällen ganz gut aufgestellt:



    www.gidas.org/start-en.html



    /



    Auch die Niederlande hat reichlich Expertise vorzuweisen, mit dem üblichen Fokus:



    Bereits 2010 als Projekt



    "Außenairbag am Auto soll Radler-Leben retten



    Bei Unfällen mit Fahrradfahrern oder Fußgängern könnte künftig ein Außenairbag am Auto für mehr Sicherheit sorgen. In dem niederländischen Forschungsinstitut TNO in Helmond wird ein solches Luftkissen entwickelt, das sich bei einem Frontalunfall explosionsartig im Bereich der Windschutzscheibe aufbläst. Die Entwicklungskosten betragen laut TNO rund drei Millionen Euro."



    Quelle automobilwoche.de



    Geht nicht gibt's fast gar nicht für IngenieurInnen, BastlerInnen, TüftlerInnen.

    • @Martin Rees:

      Noch mehr Lärmverunreinigung durch Wahrnsignale ? Nützt nur alles nix, wenn die Verkehrsteilnehmer noch nicht einmal die Verkehrsregeln beherrschen, so wie Olaf Lies, der hatte gerade gestern, Donnerstag einen Autounfall auf dem Weg zu Rheinmetall mit einem Radfahrer und nun hat er eine Anzeige wegen Fahrerflucht an der Backe.

      • @Alex_der_Wunderer:

        Er wurde gefahren und hat hinten rechts geöffnet.



        Für die Warnung vor dem Öffnen ist eine neue Fahrassistenten-Generation entwickelt worden.



        "Neue Ausstiegswarnung von Volkswagen reduziert Gefahren beim Öffnen der Türen



        Ausstiegswarnung macht auf Verkehrsteilnehmer aufmerksam, die sich dem stehenden Auto von hinten nähern



        – Im engen Stadtverkehr sind besonders Fahrradfahrer durch sich öffnende Fahrzeugtüren gefährdet"



        Quelle



        porscheholding-newsroom.at



        /



        Er hat sich schon gekümmert:



        www.ndr.de/nachric...nfall,lies662.html



        /



        Als MP Niedersachsen vielleicht das falsche Vehikel?

        • @Martin Rees:

          Klingt doch ganz gut, die Ausstiegs-/ Annäherungswahrnung. Nur wenn Sie mit ihrem Fahrzeug an einer Straßenecke halten und es kommt ein Fahrradfahrer um die Kurve geprescht....



          da hilft wohl nur gegenseitige Rücksichtnahme und eine gewisse, erforderliche - dem Straßenverkehr angemesse Aufmerksamkeit aller Verkehrsteilnehmer.

          • @Alex_der_Wunderer:

            "es kommt ein Fahrradfahrer um die Kurve geprescht.."



            /



            Als Radfahrer bin ich zuversichtlich, dass dann mein Airbag regelrecht auslöst.



            Dass er funktioniert, hat er schon unter Beweis gestellt.



            Die Verantwortung für meine Fahrweise als Radler kann ich somit selbst steuern.



            Da ich bereits mehrere Unfälle mit Motorisierten als Cyclist im Straßenverkehr überlebt habe, bin ich inzwischen etwas passiver und langsamer unterwegs.



            Das niederländische Fietspad-System ist mir besonders ans Herz gewachsen.



            www.fietsroutenetwerk.nl/routeplanner

      • @Alex_der_Wunderer:

        Ergänzung : Nach neusten Meldungen in den Medien wird nur noch auf Verdacht der fahrlässigen Körperverletzung ermittelt - teilte die Staatsanwaltschaft heute mit. Es wurden Telefonnummern ausgetauscht und die in den Vorgang verwickelten Personen stehen in Kontakt.

      • @Alex_der_Wunderer:

        Das Nichteinhalten der Verkehrsregeln ist nur das eine. Ungeduld, Hetzerei und Egoismus emfpinde ich als die grösseren Probleme. Rücksicht und Miteinander fehlen im Deutschen Strassenverkehr mittlerweile fast gänzlich. Es scheint, als zählt im Verkehr jede Sekunde..

        • @Micha.Khn:

          Könnte man durchaus so empfinden. Es scheint als wollen viele Verkehrsteilnehmer, ihre verschwendete Lebenszeit durch den Straßenverkehr - im Straßenverkehr wieder reinholen....😉



          In den unachtsamen Sekunden kommt es dann zu diesen, teilweise tödlichen Kollisionen.

  • Was soll das denn? Es geht doch um Freiheit, Selbstverwirklichung. Dazu gehört auch, dass man mit solchen Panzern gerne mit 250kmh über die Autobah brettert - dann ist die Wirkung auch effektiver. Wer ein Kleinfahrzeug steuert ist sowieso nur ein Loser, nicht schade drum....

  • Dank der EU Vorschriften ist es heute leider nicht mehr möglich preiswerte Kleinwagen zu bauen. Wer braucht den einen Reifendrucksensor? Ich kenne noch den Begriff W O L K E , das lernte man in der Fahrschule und der Verstand sagt einem das bei Regen der Scheibenwischer eingeschaltet wewrden muss. Heute sind dafür Helfer vorgeschrieben! Und dadurch werden Autos leider immer größer und teurer.

    • @Bernd Simon:

      Das ist doch gut für die Verkehrswende. Je mehr Firlefanz vorgeschrieben wird, um so teurer werden die Autos, und über die Reparaturkosten auch die Haftpflichtversicherungen. Und je teurer die Autos werden, um so weniger Leute können sich eins leisten. [/sark]

    • @Bernd Simon:

      Ein Reifendrucksensor hat auch mein Ford Focus. Und auch Regensensoren für die Scheibenwischer und Lenkradheizung. Auch kleine Autos können gut ausgestattet sein und entsprechend teuer. Der Käufer muss nur entscheiden, wofür er das Geld ausgeben möchte: Für Größe und Protz oder für Komfort und Sicherheit.

    • @Bernd Simon:

      Weder der Regen- noch der Reifendruchsensor, noch der zugehörige Prozessor brauchen nennenswert Platz.

    • @Bernd Simon:

      Kapitalismus eben. Muss einfach bekämpft werden.







      Bald wird auch der Trend aus den USA hier zu uns kommen: Vollausstattung Pflicht, weil es betriebswirtschaftlich günstiger ist, nur noch eine Palette anzubieten, wie eben Vollausstattung.

      Diese Extras sind aber erstmal deaktiviert, außer du abonnierst bei dem Fahrzeughersteller für einen gewissen Beitrag pro Monat.

      Und im Sinne von freier Entfaltung und automobiler Freiheit zahlt der Fahrer gerne viel zu viel.

  • Wann kommt endlich eine Luxussteuer auf solche Autos? Der Platz für Menschen in den Städten wird immer weniger.

  • Neue, zusätzliche Gesetze bringen oft nicht das, was sie sollen.



    Die Liste der Beispiele wäre endlos.



    Das Problem liegt doch auch nicht bei einigen Zentimetern höherer oder tiefere Motorhaube. Was es braucht, ist ein Umdenken bei den Käufern.



    In den 80ern waren die Autos gefühlt nur halb so gross. Konnte man damit nicht von A nach B fahren? Heute meint jede(r) mit zwei Kindern, einen VW T6 oder SUV fahren zu müssen. Hersteller und Werbung und vielleicht auch der Nachbar gebens vor und der Grossteil macht schön brav mit, wie die Schafe...



    Der seit Jahren anhaltende Trend hin zum grösseren Auto liesse sich problemlos auch umdrehen, hin zum Klein- und Kleinstwagen.