Greenpeace-Proteste auf dem Landtagsdach: Nachspiel mit Sektkühler

Die CDU in Niedersachsen ärgert sich über den lässigen Umgang mit Protestierenden. Dabei hat der Landtag doch ein paar Demokratie-Botschafter übrig.

Greenpeace-Aktivisten stehen auf dem Dach des niedersächsischen Landtages und haben ein Banner mit der Aufschrift "Gasbohrung vor Borkum stoppen" herab gelassen, vor dem Gebäude stehen mehrere Polizeiwagen und Beamte..

Wer gefährdet hier wen oder was? Ein Konzern die Umwelt oder Aktivisten die Demokratie? Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Es gibt ja so Sätze, die geben einem als Kind Rätsel auf. Die Drohung: „Das wird ein Nachspiel haben, Fräuleinchen“, zum Beispiel. Ich habe lange nicht begriffen, was für ein Spiel das ist und nach welchen Regeln es gespielt wird, aber gut klang das nie.

Die Greenpeace-Aktion auf dem Dach des Landtages, über die ich hier vor zwei Wochen geschrieben habe, hat auch das ein oder andere Nachspiel.

Aus Sicht der Umweltschützer sogar ein erfolgreiches – jedenfalls ist von einer Gasförderung noch im Jahr 2024 nicht mehr die Rede. Die meisten politischen Berichterstatter waren außerdem froh, über etwas Spannenderes berichten zu können als die Beratungen zum zweiten Nachtragshaushalt.

Die Opposition ist nach wie vor not amused. Die CDU wollte sogar die Bannmeile zurück, die Rot-Grün schon vor einer Weile abgeschafft hat, aber das will sie eigentlich immer.

Es glaubt wahrscheinlich niemand, dass eine Bannmeile die Aktion ernsthaft verhindert hätte – aber aus Sicht der Konservativen hätten die Aktivisten dann immerhin neben dem Hausfriedensbruch noch eine Ordnungswidrigkeit auf dem Zettel, das erhöht zumindest die Geldstrafe.

Was, wenn da Identitäre raufgeklettert wären?

Es ist dann viel von Respekt die Rede und dem „hohen Haus“, wobei ich immer an den wunderbaren Roger Willemsen und seine 2014 erschienene Parlamentsbeobachtung denken muss. Es ist das mit Abstand langweiligste seiner Bücher. Man fängt fast an, sich Rhetorik als Schulfach zu wünschen.

Aber natürlich haben die konservativen Kritiker einen Punkt, wenn sie sagen, man würde das Ganze wohl kaum so amüsiert beobachten, wenn man mit den politischen Forderungen der Demonstranten nicht sympathisieren würde.

Was wäre denn zum Beispiel, wenn die Identitären da oben stehen würden und mit großen Bannern den Erhalt der arischen Rasse fordern? Man würde drinnen wahrscheinlich nicht so nonchalant weiter beraten wollen.

Andrerseits: Was ist die Alternative? Parlamentssitzungen unterbrechen? Scharfschützen beauftragen, damit sie die vom Dach pusten? Oder den Landtag von vornherein an jedem Sitzungstag von Uniformierten mit Maschinenpistolen weiträumig abriegeln lassen?

Wie weit sollen sich Volksvertreter abschirmen dürfen?

Wie weit sollte sich ein demokratisches Parlament abschirmen von seinen Bürgern, egal, was für quatschige Meinungen oder absurde Einzelinteressen die gerade vertreten?

Popstars, Päpste und Adelsgesocks können vielleicht selbst entscheiden, wie viel Kontakt zur gemeinen Masse sie so zulassen, aber der gewöhnliche Volksvertreter? Gehört das da nicht quasi zur Arbeitsplatzbeschreibung?

Das scheint ja auch alles ein wenig unverhältnismäßig, solange der Protest friedlich bleibt, nicht wahr? Die Entscheidung für Bannmeilen speiste sich ja nicht unwesentlich aus den Erfahrungen der Weimarer Republik, in der es zu gewalttätigen, blutigen Auseinandersetzungen rund um den Reichstag kam. Oder sind wir schon wieder so weit?

Vizes verteidigen die Demokratie auf Lobby-Empfängen

Vielleicht sollte man vorläufig einfach mal kleinere Geschütze auffahren. Viel Diskussionen gab es ja zu Beginn dieser Wahlperiode auch um die sagenhaft aufgeblähte Anzahl der Landtagsvizepräsidenten.

Weil man damals nicht öffentlich sagen konnte, dass diese fünf Stellvertreter der Landtagspräsidentin aus reinem Parteienproporz und Postengeschiebe zustande kam, hieß es offiziell, diese sollten im gesamten Land verstärkt für die Demokratie werben.

Die HAZ will nun herausgefunden haben, dass sie das vor allem bei Lobbyabenden und Sektempfängen tun. Nun sind Lobbyisten mit ziemlicher Sicherheit auch eine Gefahr für die Demokratie, die Frage ist aber, ob man sie mit Grußwörtern oder Häppchen im Mund wirksam bekämpft.

Bis das geklärt ist, könnte man diese überflüssigen Vizes doch vielleicht zur Verteidigung der Ehre des hohen Hauses auf dem Dach postieren. Sie können den Sektkühler ja mitnehmen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.