Globale Mindeststeuer für Unternehmen: Regierungen können abkassieren
Die 20 größten Wirtschaftsnationen beschließen eine globale Mindeststeuer für Unternehmen. Die Höhe der Zusatzeinnahmen ist aber umstritten.
Die Vereinbarung über eine internationale Mindeststeuer für große Unternehmen von 15 Prozent und eine neue Verteilung der Abgaben unter anderem von Digitalkonzernen wie Amazon, Facebook und Google ist bisher nur eine Absichtserklärung. In Kraft treten soll der Vertrag 2023. Die Finanzminister:innen forderten in ihrer Abschlusserklärung, „die verbleibenden Fragen schnell anzugehen“ und bis zum nächsten Treffen der G20 im Oktober „einen detaillierten Plan zur Umsetzung“ vorzulegen. Zu den G20 gehören die USA, China, Russland, Europa, Brasilien, Indien, Indonesien, Südafrika und weitere Staaten.
„Das ist eine große Reform“, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). „Sie wird dazu beitragen, dass wir besser in der Lage sein werden, die Aufgaben in unseren Ländern zu finanzieren.“ Große Unternehmen könnten sich bald nicht mehr „mit Steuervermeidung ums Steuerzahlen drücken“, so Scholz, der sich stark für das Abkommen engagiert hatte.
Antje Tillmann, die finanzpolitische Sprecherin der Union im Bundestag, kritisierte den Ansatz. „Statt eines großen Schrittes hin zu mehr Steuergerechtigkeit erleben wir genau das Gegenteil.“ Die teilnehmenden Staaten könnten selbst wählen, ob sie die Mindeststeuer einführen, erklärte Tillmann. Außerdem würden die EU-Mitglieder Irland, Ungarn und Estland bisher nicht mitmachen. Das stelle die nötige Einstimmigkeit zur Umsetzung in Europa in Frage.
Steueroasen könnten ein bisschen unattraktiver werden
Die Vereinbarung der G20 beruht auf dem sogenannten Zwei-Säulen-Modell, das 139 Staaten während der vergangenen Jahre im Rahmen der Organisation OECD ausgearbeitet haben. Dabei geht es erstens um die weltweite Verteilung von Gewinnsteuern grenzüberschreitend tätiger Firmen. Unternehmen wie Facebook und Google zahlen bisher eher dort Abgaben, wo ihre Konzernzentralen stehen, und weniger in den Ländern, in denen ihre Kundinnen und Kunden wohnen.
Europa und Deutschland erhalten deshalb kaum Steuern etwa von Google, obwohl die Firma hier Milliarden verdient. Für ungefähr 100 Unternehmen mit einem jeweiligen Umsatz ab 20 Milliarden Euro jährlich soll sich das bald ändern. Die US-Digital-Firmen müssten dann ein paar Milliarden mehr in Europa entrichten, hiesige Unternehmen wie VW und Daimler etwas mehr in den USA oder China. Später könnte die Umsatzschwelle beispielsweise auf zehn Milliarden sinken.
In der zweiten Säule geht es um die Mindeststeuer. Für international tätige Firmen ab einem Umsatz von 750 Millionen Euro wird eine einheitliche Untergrenze von 15 Prozent eingeführt. Eine derartige Regelung gibt es bisher nicht.
Wenn künftig ein in Deutschland ansässiges Unternehmen einen Teil seiner Einnahmen im Ausland mit weniger als 15 Prozent versteuert, dürften die hiesigen Finanzämter bis zu dieser Grenze nachversteuern. Das würde der Steuerverlagerung ins Ausland und den Geschäftsmodellen von Steueroasen teilweise die Grundlage entziehen. Staaten wie Deutschland nähmen einige Milliarden Euro jährlich mehr ein. Bis zu 8.000 Unternehmen weltweit sind angeblich betroffen.
Über die Höhe der Zusatzeinnahmen für die Staaten liegen bislang unterschiedliche Schätzungen vor. Die OECD rechnet mit rund 130 Milliarden Euro alleine durch die Mindeststeuer. Die Steuerbeobachtungsstelle der EU schätzt die Mehreinnahmen für die gesamte EU auf gut 50 Milliarden Euro. Deutschland könnte demnach mindestens sechs Milliarden pro Jahr mehr bekommen. Die Unternehmensberatung Deloitte geht dagegen davon aus, dass der Bundesfinanzminister nicht mal eine Milliarde pro Jahr zusätzlich erhält.
Schlupflöcher wird es auch weiterhin geben
Der Mindeststeuersatz von 15 Prozent soll die Untergrenze bilden. Die teilnehmenden Länder können auch mehr von ihren Firmen verlangen. Die US-Regierung hat schon angekündigt, das tun zu wollen. Dort sind 21 Prozent in der Planung. Die Europäische Union will dagegen bei den 15 Prozent bleiben. Ein Grund: Irland nimmt heute nur 12,5 Prozent Gewinnsteuer. Deswegen sitzen die europäischen Zentralen der US-Digitalkonzerne dort. 15 Prozent sind ein Kompromiss, der ohnehin schon schwierig umzusetzen ist. Falls die EU keine Einstimmigkeit herstellen kann, ist allerdings ein koordiniertes Vorgehen einer Mehrheit der Mitglieder möglich.
Im Bundesfinanzministerium ist man optimistisch, dass die Vereinbarung auch in der Praxis durchgesetzt wird. Die Staaten, die das Abkommen unterstützen, repräsentierten 90 Prozent der Weltwirtschaftsleistung. Deswegen könne sich kein Staat der Dynamik entziehen, heißt es. Abzuwarten bleibt, welche Löcher in den kommenden Detailverhandlungen noch eingebaut werden. Bislang sind schon international tätige Banken von der Säule Eins ausgenommen. Darauf hatte die britische Regierung gedrungen, die die City of London schützen will. Auch Bergbauunternehmen und Reedereien sollen ähnliche Ausnahmen bekommen.
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