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Gipfel in ElmauG7 in der Pflicht

Tanja Tricarico
Kommentar von Tanja Tricarico

Die sieben reichsten Industrieländer haben Armut und Erderwärmung entscheidend mitzuverantworten. Und sie haben die Macht, Krisen zu lindern.

Ikonisches Bild vom G7-Gipfel im Jahr 2015 – doch seitdem ist zu wenig passiert Foto: Michael Kappeler/dpa

E s war ein ikonisches Bild, das um die Welt ging. Barack Obama, seinerzeit US-Präsident, sitzt mit dem Rücken zum Publikum mit ausgebreiteten Armen auf einer schweren Holzbank. Vor ihm steht die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel, in energischem Gespräch mit ihm – das Ganze vor einer wahrlich malerischen Bergkulisse. Das Bild entstand 2015, als Deutschland das letzte Mal den G7-Vorsitz innehatte. Und das Bild ist so ziemlich das Einzige, was vom Gipfel der sieben reichsten Industriestaaten auf Schloss Elmau in Erinnerung geblieben ist.

Kaum jemand wird noch in Erinnerung sein, dass sich die Kanzlerin und die G7 damals verpflichteten, 500 Millionen Menschen aus Hunger und Armut zu befreien. Oder dass schon 2015 gemeinsame Maßnahmen gegen den Ausbruch gefährlicher Krankheiten eingeleitet werden sollten.

Jetzt lädt Deutschland wieder nach Schloss Elmau ein. Auf der Agenda stehen Hungerkrise, Klimakrise, Krieg. Es sind die sichtbarsten und dringlichsten Weltpro­ble­me seit Jahrzehnten. Sie fallen nun genau denen vor die Füße, die zu einem großen Anteil unmittelbar für sie verantwortlich sind und in deren Macht es gleichzeitig steht, die Folgen zu lindern.

2015 lebten circa 500 Millionen Menschen in Hunger und Armut. Das Versprechen der G7, ihre Situation zu lindern, wurde nicht erfüllt. Im Gegenteil: Heute geht man von rund 800 Millionen Armen aus. Es sind vermutlich mehr, und die Tendenz steigt. Die Klimakrise ist in vollem Gange, der 1,5-Grad-Pfad längst nicht ausgemacht, und der Kohleausstieg bis 2030 erscheint in diesen Tagen illusorischer denn je.

Sperriges Dialog-Forum

Wie üblich im G7-Mechanismus geht dem großen Gipfelfinale ein Marathon an Sitzungen und Politprozessen voran. Sämtliche Ministerien der reichsten Staaten treffen sich, setzen sich eine Agenda, die Zivilgesellschaft organisiert sich, die Wissenschaft, Wirtschaftsunternehmen. Thesen werden zu Papier gebracht, Forderungen zu Finanzströmen, Gesundheit, Digitalisierung, Entwicklungszusammenarbeit, Bildung. Diplomatie ist schwerfällig, insbesondere wenn viele Staaten beteiligt sind.

Es ist eben ein Dialog-Forum, wie das G7-Format in Verhandlungskreisen sperrig genannt werden. Anstatt sich an Mechanismen und Vereinbarungen zu halten, die längst entwickelt und getroffen wurden, werden neue Initiativen gestartet, um auf internationalem Parkett neue Offensiven zu präsentieren. Bestes Beispiel ist das Bündnis für Ernährungssicherheit. Losgetreten und gepusht von der deutschen Bundesentwicklungsministern Svenja Schulze (SPD).

Natürlich hat der russische Angriffskrieg in der Ukraine die Dringlichkeit verschärft, da die Abhängigkeiten des Globalen Südens von den Getreidesilos in Europa endlich sichtbar werden. Doch neue Allianzen braucht es nicht. Die UN-Nachhaltigkeitsziele, die Agenda 2030 – also internationale Vereinbarungen gibt es längst. Man muss sich nur daran halten.

Wie bei jedem Gipfel sind Staaten eingeladen, die nicht Teil des Clubs der mächtigsten Industrieländer sind. Zynische G7-­Be­ob­ach­te­r:in­nen bezeichnen sie als bloße Zaungäste. So wird Indonesien, das den G20-Vorsitz innehat, dazustoßen. Ebenso Senegal, das die AU derzeit anführt. Ihre Teilnahme ist mehr als eine Pflichteinladung. Die Großen Sieben brauchen Partner im Globalen Süden.

2015 konzentrierte sich die Bundesregierung in den Staaten des afrikanischen Kontinents vor allem auf Privatinvestitionen und Wirtschaftspartnerschaften, die internationalen Unternehmen Zugang zu Rohstoffen und billigen Arbeitskräften schaffen sollten. Entwicklungsorganisationen kritisierten die „Compacts for Africa“ vielfach. Verpufft sind sie ohnehin. Das bekannte Machtgefälle ist längst ins Wanken geraten.

In einer sich neu ordnenden Welt sind die Wirtschaftsmächte gut beraten, die Staaten des Globalen Südens ernst zu nehmen. Die Welt ist in einer katastrophalen Lage. Die G7 haben keine Superkräfte, auch, wenn sie den Mythos der reichen Industriestaaten, die die Welt lenken krampfhaft aufrecht erhalten wollen. Die Zeiten von Symbolpolitik sind vorbei. Jetzt braucht es konkrete Geldzusagen und einen Fahrplan, der der Verantwortung der G7 für die Weltprobleme gerecht wird. Andernfalls gehört das Format abgeschafft.

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Tanja Tricarico
wochentaz
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Leitet derzeit das Politik-Team der wochentaz. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
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12 Kommentare

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  • Besonders dreist: Söder nutzt "das Format" fürs EGOshooting. Da war Seehofer wenigstens vernünftiger. Unvorstellbar: Söder als Gastgeber.

  • G7 in der Pflicht? Zu was denn? Weltklima und Ukraine will Deutschland retten! Sprich die Ampel-Koalition. Die anderen Partner müssen sich nur auf eine Pleite Deutschlands vorbereiten!

  • @ROHM DIETMAR

    Von mir aus. War ja nur ein Beispiel für eine sinnvollere Verwendung. Oder haben Sie grundsätzlich was gegen Seawatch, Ärtze ohne Grenzen et al?

  • "... Andernfalls gehört das Format abgeschafft."

    Wenn man schon nicht will, dass hochrangige Politiker miteinander reden, dann kann man auch auch gleich das Format "Demokratie" wenn damit nicht sofort!!! die Welt gerettet wird.



    Denn es sind Vertreter von Demokratien die sich da treffen.

    • @Rudolf Fissner:

      Ihren Leserbriefen ist zu entnehmen, dass Sie einer, von leider viel zu vielen sind, die immer noch nicht verstehen wollen öder können, dass das neoliberale Wirtschafts-System mit seiner unaufhaltsamen Umverteilung des Reichtums von unten nach oben (entgegen dem trickle-down Maerchen) unfähig ist, ein menschenwürdiges Dasein für die Masse der Bevölkerung zu gewährleisten. Die Illusion "Demokratie" muss endlich entlarvt werden: Die amerikanische Demokratie als auch die europäischen Demokratien sind längst schon von oligarchischen Strukturen so tief geprägt, in der die Besitzenden, die Reichen und Superreichen die politische Herrschaft unter dem Deckmantel vorgetäuschter Demokratie d.h. "Demokratie ohne Demokratie" ausüben. Repräsentative Demokratie ist lediglich eine Methode zur Demokratieabwehr, um die mächtigen Eigeninteressen von Geld- und Machteliten zu verdecken.



      "Unsichtbar wird der Wahnsinn, wenn er genügend große Ausmaße angenommen hat.



      Wer die Wahrheit nicht weiß, ist ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie



      eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher".



      (Bertolt Brecht)

      • @Struppo:

        Nö. Ihre Unterstellungen sind nur ihr selbst gebasteltes argumentatives Absprungbrett.

        Aber ich stelle fest: Sie wollen offensichtlich keine Diplomatie in der Politik. Für die Position gehörtes sich nicht Brecht zu instrumentalisieren.

  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    G7 in der Pflicht.

    Okay. Dazu muss man sich treffen, und zwar persönlich und nicht per popeliger Video-Konferenz, schließlich geht es ja nicht nur um die Vertriebszahlen des letzten Quartals.

    Danke für die Klarstellung.

  • Ich würde mal sagen, der Ukraine-Krieg hat endgültig gezeigt, dass die Politik die Klimakrise nicht ernst nimmt. Kleine lokale Konflikte sind offenbar so wichtig, sofort alles in einem Land zum Erliegen zu bringen, während die Klimakatastrophe nie auf ein ähnliches Engagement wird rechnen dürfen.

    Zukünftige Generationen werden einfach sehen müssen, wie sie auf diesem Wüstenplaneten weiter überleben können.

  • "... gehört das Format abgeschafft."

    Den Eindruck habe ich auch. Und die eingesparten Ausgaben für Polizeirepression an jene NGOs, die die Not der Ärmsten lindern, gespendet.

    • @tomás zerolo:

      Glauben Sie nicht, dass mit dem gespendeten Geld die Ärmsten die Not selbst lindern könnten? Sind die Afrikaner, Inder, Afghanen, Syrer, Palästinenser , samt und sonders, arme unmündige Kinder? Kinder, die von Weißen NGO- Mitgliedern mit gespendeten Geld gerettet werden müssen, von Abiturienten/innen, die ein freiwilliges soziales Jahr in exotischen Ländern verbringen und den Kleinen Lesen und Schreiben beibringen, weil die Einheimischen doof sind. Ich sehe nur Rassismus und Kolonialismus in Neuem Gewand. Legt Programme auf zur Selbstorganisation. Holt die jungen Menschen hier an die Unis und in die Betriebe, bildet sie aus und schickt sie nach Ende der Ausbildung zurück, spätestens nach 10 Jahren. Mit 28-30 kann man durchaus Gründungen vornehmen und das erworbene Wissen in den Heimatländern weitergeben. Diese Alimentation der NGO’s hilft nur den weißen Mitarbeitern und pimpt deren Ego.

    • @tomás zerolo:

      Den Preis für solche Treffen treibt die extreme Linke in die Höhe. Jedes mal muss sie ihre öden inhaltsleeren militanten Spielchen gegen die Polizei und das Systöm betreiben

  • Die, diese Weltunordnung zum größten Teil verursacht haben, sollen jetzt also der Reparaturbetrieb sein. Solange ein vom Kapitalsystem dominierte Wirtschaft ständiges Wachstum braucht, solange die organisierte Verantwortungslosigkeit des bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystems die Maßstäbe setzt, solange bleibt es beim Raubbau an menschlichen wie natürlichen Ressourcen. Kein Gas mehr, dann setzen wir halt wieder auf Energie aus Kohle und Atom. Und was kümmern uns die Klimazielvorgaben und die Menschenrechte in China, Russland, Saudi Arabien, Katar...die geopolitischen Interessen der USA werden weiter durch massivste US-Militärpräsenz durchgesetzt. Die grob geschätzte Zahl von 800 Militärbasen in fremden Ländern und (eigenen) Überseeregionen spricht eine wohl deutliche Sprache, wie man Kapitalinteressen durchsetzt. So "nebenbei" nicht zu vergessen, Deutschland hat eine wichtige logistische Drehscheibenfunktion für die weltweite US-Militärpräsenz.



    "Die Demokratie ist die denkbar beste politische Hülle des Kapitalismus"...



    Wladimir Iljitsch Lenin...dem ist doch nichts hinzuzufügen!