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Giffeys Neubauversprechen wackeltBaukosten sind explodiert

Uwe Rada
Kommentar von Uwe Rada

Über ein Drittel sind die Baukosten 2021 gestiegen. Ist das Ziel von Rot-Grün-Rot, 20.000 Wohnungen zu bauen, noch realistisch? Ein Wochenkommentar.

Franziska Giffey bei der ersten Sitzung des Bündnisses Neubau und bezahlbare Mieten Foto: dpa

E ines muss man Franziska Giffey lassen. Ihr Versprechen, den Neubau anzukurbeln und 20.000 Wohnungen im Jahr zu bauen, ist nicht bloß Geschwätz. Inzwischen wissen alle, dass es der Regierenden Bürgermeisterin ernst ist. Zur Chefinnensache hat sie den Neubau gemacht, im Roten Rathaus wird er koordiniert, mit dem Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbare Mieten hat sie alle Beteiligten an einen Tisch geholt. Die unmissverständliche Botschaft lautet: Es geht los.

Dennoch könnte Giffeys wichtigstes politisches Vorhaben am Ende ein leeres Versprechen bleiben. Denn politischer Wille alleine reicht nicht, es müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen. Was aber, wenn sie nicht stimmen, weil – zum Beispiel – die Baukosten durch die Decke gegangen sind?

Der Marktmonitor des Verbands Berlin Brandenburger Wohnungsunternehmen BBU hat am Mittwoch deutlich vor Augen geführt, dass dieser Preisanstieg noch lange nicht zu Ende ist. 2021 haben sich die Baukosten in Berlin im Vergleich zu 2020 um 35 Prozent erhöht. Für Konstruktionsholz, das man braucht, um tragende Teile eines Rohbaus aus Holz herzustellen, betrug der Preisanstieg sogar 77,3 Prozent. Keine gute Aussichten also für das weltweit größte Holzbauquartier auf dem Gelände des ehemaligen Flughafen Tegel.

5.000 Wohnungen sollen dort, im Schumacher Quartier, entstehen. Bauen sollen sie vor allem die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Auch Genossenschaften wollen einige Baufelder im Schumacher Quartier bebauen. Viele bezahlbare Wohnungen sollen dort entstehen. Denn das ist das zweite Versprechen der Regierenden Bürgermeisterin. Von den 20.000 Wohnungen im Jahr sollen 5.000 nicht mehr als 6,70 Euro pro Quadratmeter Miete kosten. Weitere 5.000 sollen im gemeinwohlorientierten Sektor entstehen. Dazu gehören dann auch Genossenschaftswohnungen, die zwar teurer sind, aber nicht der Marktspekulation unterliegen.

Kostenmiete bei 13,01 Euro

Die Zahlen, die BBU-Chefin Maren Kern am Mittwoch vorgestellt hat, lassen nun aber Zweifel aufkommen, ob das Ziel überhaupt realistisch ist. Wegen der gestiegenen Baukosten liegt die Kostenmiete, also jene Miete, die sich durch die Umlage der Baukosten auf einen Quadratmeter Wohnfläche ergibt, bei 13,01 Euro. Der Preis für den Erwerb eines Grundstücks ist dabei noch gar nicht eingerechnet. Soll ein Viertel der Wohnungen eines Neubauvorhaben Mieten von 6,70 Euro haben, müssten die restlichen drei Viertel dann 15,23 Euro kosten. Ohne Grundstück und auch ohne Gewinn des Investors.

Auch deshalb wird der Ruf nach einer auskömmlichen Neubauförderung immer lauter. Von derzeit 100 Millionen im Jahr soll die Förderung auf 500 Millionen steigen. Doch reicht das? Schließlich sollen nicht nur die landeseigenen Unternehmen geförderte Wohnungen bauen, sondern auch die private Wohnungswirtschaft. Das ist der Gedanke, der hinter dem Neubaubündnis steckt. Bislang aber haben sich die Privaten mit der Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel weitgehend zurückgehalten. Es hat sich für sie schlicht nicht gelohnt.

Dass dieses Problem vom Land alleine womöglich gar nicht zu stemmen ist, darauf hat Kern ebenfalls hingewiesen. Ihre Forderung, die Mehrwertsteuer für Baukosten von 19 auf sieben Prozent zu senken, zielt auf den Bund. Es wäre freilich eine Gießkannenförderung, von der auch die Investoren von Luxuswohnungen profitieren würden.

Dicke und teure Bretter bohren

Die Bretter, die die Beteiligten des Bündnisses Wohnungsneubau und bezahlbare Mieten bohren müssen, werden also nicht nur immer teurer, sondern auch dicker. Dabei kommt es fast schon einem Hilferuf gleich, wenn der BBU nun fordert, ganzjährig Bäume fällen lassen zu dürfen, weniger auf Anwohnerproteste Rücksicht zunehmen oder auf die Pflicht zur Fassaden- und Dachbegrünung zu verzichten.

Der Seismograf, an dem sich künftig ablesen lassen wird, wie es um Giffeys wichtigstes Versprechen bestellt ist, sind die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Die haben nach dem Aus für den Mietendeckel weitgehend auf Nachzahlungen verzichtet. Geld, das ihnen laut BBU nun fehlt, in den Neubau zu investieren.

So könnte am Ende die Frage im Raum stehen, was Giffey im Bündnis wichtiger ist: der Neubau oder die bezahlbaren Mieten?

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Uwe Rada
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.
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16 Kommentare

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  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    Nachverdichtung. Ein übles Wort.



    Aber Berliner können halt alles besser. In ein paar Jahren wird man die einst schöne Stadt nicht mehr wiedererkennen - siehe bereits der Bereich um den Hauptbahnhof.

    Schaut euch einfach mal in Singapur um, wie die das angehen.

  • Warum baut der Berliner Senat nicht NUR Sozialwohnungen? Das kann jeder nachvollziehen und fehlen tun diese auch.

    Geht es ansonsten darum, noch mehr Menschen nach Berlin zu lotsen um Wohnungs-, Umwelt-, Grünflächen- und Verkehrsprobleme noch mehr anzuheitzen?

  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    So einfach ist das. Baukosten sind halt gestiegen. Was will man da machen?

  • 4G
    49272 (Profil gelöscht)

    Sollen wir wirklich die Ankündigungen unserer Politer noch ernst nehmen? Da zieh ich aus einer Mietwohnung mit 30 m² pro Person aus und bekomme Fördergelder für ein freistehendes Haus, mit modernster Währmedämmung und meine Familie benötigt jetzt aber 60m² pro Person... dies ist leider Realität und spart nichts! Nun muss man die Politik begreifen. Wenn ein Politiker sagt er habe gespart, ist gemeint, dass er weniger Schulden gemacht hat als im Vorjahr! Erklären Sie dieses "Sparen mal Ihrem Bankberater"! Können Sie mir etwas weniger Geld leihen, dieses Jahr Jahr wird gespart!!! (lautlach) Mit einer Begrenzung der Fläche pro Einwohner könnte man die Villa verbieten, mit einer Begrenzung des CO² Verbrauchs könnte man die Kluft zwischen den Reichen und den Armen schließen. Die Fahrzeuge werden nach Gewicht und Leistung besteuert (auch Flugreisen). Der Wohnraum wird besteuert nach Flächenbedarf und bewohnter Fläche (Bau in die Höhe).Nice wäre auch noch die Durchmischung der Klassen in einem Wohngebiet. Erklären Sie Ihrem Nachbarn "Das hab ich mir verdient"!

  • Die genannten Zahlen verdeutlichen die katastrophalen Fehler der vorherigen Regierung nicht beizeiten für genügend Wohnraum gesorgt zu haben. An dieser Politik festzuhalten würde den Druck auf den Mietermarkt nur verschärfen. Ohne Neubau werden Mieten steigen

    • @alterego:

      Von 01/1996 bis 12/2016 waren im Berliner Senat mehrheitlich die SPD für die Stadtentwicklung als Senator/-in zuständig:



      Peter Strieder von 01/1996 bis 04/2004, Ingeborg Junge-Reyer, von 04/2004 bis 11/2011; Michael Müller von 11/2011 bis 12/2014; Andreas Geisel von 12/2014 bis 12/2016; und seit 12/2021 wieder im Amt.



      Die Linke von 12/2016 bis 12/2021

      Die Stadt zu entwickeln braucht Vorlauf bei den Planungen, Abstimmungen und Ausführungsarbeiten.

    • 4G
      47202 (Profil gelöscht)
      @alterego:

      Das ist wohl so, wie sie es schildern.



      Aber Giffey hat man gewählt, obwohl bekannt war, dass sie gegen eine Enteignung der Miethaie ist.

      Das böse Wort "Enteignung" war wahrscheinlich schuld. Dafür bezahlen die Berliner Mieter nun die steigenden Mieten.



      Holz und Zement ist teurer geworden. Tja, was will man dagegen schon tun.



      Alles wird gut!

  • Danke das mal realistische Werte genannt werden.



    Und jetzt bitte die Begründung warum der Konsum von einem Privileg von der Allgemeinheit zu 50% finanziert werden soll? 13€ kosten 6,70 Wunschmiete und bitteschön im Stadtzentrum…. (und dabei könnten sich viele sogar leisten,wollen sie aber nicht)



    Wer die Zeitlinie bis 1990 zieht sieht auch das Mieten deutlich langsamer steigen als der Rest.



    Wie sollen da die benötigen Wohnungen geschaffen werden wenn es ein Minusgeschäft ist?



    Es gibt ein Recht auf Wohnraum aber nicht im Stadtzentrum zur Billigmiete.



    Dann soll halt auf Anbindungen der Außenbezirke gesetzt werden und die Mittelstädte in der Provinz müssen attraktiver werden für Ansiedlungen…

    • 4G
      47202 (Profil gelöscht)
      @Sinulog:

      Wie sollen da die benötigen Wohnungen geschaffen werden wenn es ein Minusgeschäft ist?

      Genau, bitte dieses Prinzip auf sämtliche öffentlichen Güter anwenden.



      Wer sich die profitorientierte Miete nicht leisten kann, soll halt verschwinden? Oder welche Konsequenz würden Sie ziehen?

      Sollte man evtl. auch die Polizei abschaffen, denn das ist ebenfalls ein Minusgeschäft? Krankenhäuser nur noch als Profit-Center!

      • @47202 (Profil gelöscht):

        Wer sich die tatsächlichen Koste für Wohnen nicht leisten kann, ist auf Unterstützung angewiesen.

        Wie immer in der Menschheit: Unterstützte müssen sich hinten anstellen. Oder in einfachen Worten, damit es jeder versteht: der Bettler lebt schlechter als der Geber.

    • @Sinulog:

      arme raus in ghettos. macht halt viele probleme sonst. aber auf kosten der allgemeinheit leben, darf nur der spekulant.

      • @schönBehindert:

        nun der “Arme” würde wahrscheinlich in Bitterfeld besser leben.



        Die Löhneauch für Hilfsarbeiter sind höher es gibt massig Arbeit und der Wohnraum ist billig, es gibt sogar richtige Naherholungsgebiete in Fahrradreichweite aber es ist halt nicht Hip!

      • @schönBehindert:

        Wenn die Kostenmiete 13€ beträgt, ist halt die Frage, wie 6,70€ erreicht werden können.

        Da sind verschiedene Punkte:



        Nachverdichten und höher bauen, Standards senken, kleinere Wohnungen als Kompensation, möglichst alle städtischen Grundstücke nutzen, eine Anteil preisgebundenen Wohnraum bei Investitionen festschreiben (funktioniert nur mit teureren Mieten im ungebundene Wohnraum), allgemeine steuerliche Subvention (alle Zahlen die Miete über einen Topf und andere Leistungen entfallen).

        • @J_CGN:

          Die Kosten fallen auch beim Nachverdichten an wennnicht sogar höher, aber der Senat fährt halt auf der Billigschiene und da werden selbst die kommunalen nicht mehr mitmachen weil sie keine Kredite mehr bekommen sie sind schon überschuldet…



          Die Miete mag zwar billig sein aber der Einkauf in die Gesellschaft kostet 100k+ (deine Wg)

      • @schönBehindert:

        Außerdem unterhalten wir uns bei den Kostenmieten um Lagen in Randbezirken, nicht um ihren gefragten Kiez.

        In Berlin selbst wird es also mittelfristig keine Ghettos geben.

        Es wird eine Städtewanderung geben, ist zumutbar - außerdem binomisch für mich selbst verantwortlich.

        Bevorschusst kein Dach über dem Kopf habe, ziehe ic um, z. B. nach Gelsenkirchen.

        Da finden Sie noch Mieten zu 6 Euro/qm, und im Ballungsgebiet fehlt es auch an nichts.

      • @schönBehindert:

        Das Leben ist hart. Bauen Sie auf den Staat, er insbesondere ist für die Armen verantwortlich, er kann bauen und wenn politisch gewollt billig vermieten.

        Ich schenke niemandem etwas, so einfach ist das.

        Mir wird auch nichts geschenkt.