Gewaltvorwürfe gegen die BVG: Das ist längst nicht mehr egal
Erneut gibt es Vorwürfe von rassistischer Gewalt durch BVG-Mitarbeitende. Polizist zwingt eine Zeugin ihr Video zu löschen – vermutlich zu Unrecht.
Dieser Tage sind wieder zwei Vorfälle ans Licht gekommen, die keine gute Werbung für das Verkehrsunternehmen abgeben. Am Sonntag sorgte ein Bericht des Guardian für Aufmerksamkeit, wonach der Schwarze Opernsänger Jeremy Osborne im Oktober 2020 von Kontrolleuren rassistisch beleidigt und tätlich angegriffen worden sein soll. Osborne verklage jetzt die BVG. „In no city have I felt as unsafe as Berlin“, zitiert ihn die Zeitung.
Der zweite Vorfall spielte sich am vergangenen Donnerstag am U-Bahnhof Kottbusser Tor ab; die 18-jährige Betül Torlak vom Landesvorstand der Partei „Die Urbane“ berichtete davon am Montag in einem auf Twitter kursierenden Video, in dem sie der Linken-Abgeordnete Ferat Koçak dazu interviewt. Der taz erzählte Torlak: Am Bahnsteig der U1 sei ihr gegen 17.30 Uhr aufgefallen, wie zwei Sicherheitsleute der BVG einen jungen Schwarzen Mann aus einem Zug zogen, schlugen, sodass er zu Boden ging, und an der Hose über den Bahnsteig schleiften. „Ich habe sie gefragt, was sie da tun, und angefangen, mit meinem Handy zu filmen.“
Als kurze Zeit darauf die Polizei eintraf, filmte Torlak erneut. „Ein Beamter kam auf mich zu und fragte mich laut, was ich mache.“ Dann habe er verlangt, dass sie das Video lösche, da nun seine Stimme auf der Aufnahme sei – nach Paragraf 201 Strafgesetzbuch (StGB) sei sie dazu verpflichtet. Er habe ihr das Handy und ihren Personalausweis abgenommen. Als sie zustimmte, das Video zu löschen, habe der Beamte Apps und Ordner ihres Handys kontrolliert, ob sie dies wirklich getan habe.
Gerichte sind anderer Meinung
Das Problem ist mit Racial Profiling eng verknüpft: Filmen Zeug*innen Polizeieinsätze, bekommen sie oft Scherereien mit Beamten, die auf 201 StGB verweisen. Der Paragraf verbietet, das „nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen“ aufzunehmen oder weiterzugeben. Ob er auf Polizisten im Dienst anwendbar ist, ist umstritten. Mehrere Gerichtsurteile besagen, dass deren Äußerungen gegenüber Bürger*innen per se „öffentlich“ sind.
Ein Polizeisprecher sagte, das Video mit Torlaks Aussage sei an die interne Beschwerdestelle weitergeleitet worden, der involvierte Beamte werde dazu befragt. Sollte es sich so zugetragen haben, wie sie sagt, „hätte er die Löschung der Daten nicht verlangen dürfen“. Es sei erlaubt, Polizeieinsätze zu filmen. Die BVG wollte sich zum Fall nicht äußern, weil Torlak Strafanzeige gegen die BVGler gestellt hat – vor allem, um die Videos der Überwachungskameras zu sichern, die sonst nach 48 Stunden gelöscht werden. Man toleriere aber weder Diskriminierung noch Gewalt, betonte ein Sprecher – und gehe „selbstverständlich“ jedem Vorwurf nach.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten