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Gewaltsame Demo-Räumung in SonnebergPolizist soll Mehrfachtäter sein

Einer der Polizisten der in Sonneberg eine Sitzblockade gewaltsam auflöste, soll öfter Demonstranten attackiert haben. Die Linke fordert Konsequenzen.

In Sonneberg sprühte ein Polizist mit Pfefferspray, in Mühlhausen wollte ein Kollege wohl die „Nazis“ auf sie loslassen Foto: Lionel C. Bendtner

Berlin taz | Einer der Polizisten, die am Freitag im thüringischen Sonneberg eine Sitzblockade gegen einen Thügida-Umzug gewaltsam auflösten, soll nach Informationen der Thüringischen Landeszeitung (TLZ) bereits früher durch Gewalt gegen Demonstranten aufgefallen sein.

Der Fotojournalist Lionel C. Bendtner hatte das Vorgehen der Beamten in mehreren Bildern festgehalten. Dabei ist zu sehen, wie der Gruppenführer der Bereitschaftspolizei die Sitzblockade abläuft und den Demonstranten Pfefferspray ins Gesicht sprüht. Bendtner zufolge wurden die friedlichen Demonstranten weder zur Auflösung aufgefordert, noch vor dem Einsatz des Reizgases gewarnt. Nun laufen interne Ermittlungen gegen den sprühenden Polizisten.

Ein ähnlich gewaltsames Vorgehen soll die Thüringer Bereitschaftspolizei bereits im Juni 2015 in Mühlhausen gezeigt haben. Dort, so der Vorwurf, habe ein Polizeibeamter die Blockierer eines Thügida-Aufmarsches angeschrien, er würde „die Nazis durchlassen“, wenn sie nicht Platz machten. Auf die Nachfrage eines Eichsfelder Demonstranten, ob er denn selbst ein „Nazi“ sei, wurde dieser nach Angaben von Beobachtern von mehreren Beamten brutal zu Boden gerungen und dabei verletzt. Die Ermittlungen wurden später jedoch eingestellt. Nach Angaben der TLZ handelt es sich dabei um einen der räumenden Polizisten aus Sonneberg.

Auch in Erfurt soll der Beamte im März 2016 laut TLZ einen Demonstranten angegriffen haben. Der Thüringer Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Kai Christ sagte der taz, dass es im Land ein überschaubares Kontingent an Bereitschaftspolizisten gebe: „Bei Problemlagen rückt nicht jede Woche ein anderer aus. Da kann es vorkommen, dass ein Polizist häufiger gegen Demonstranten unfreundlich einschreitet, inbesondere wenn es ein Gruppenführer ist.“

Linke fordert schärfere Regeln

Der innenpolitische Sprecher der Thüringer Linksfraktion, Steffen Dettes, forderte auf Twitter bereits Konsequenzen aus Sonneberg. Es sei Zeit, den „inflationären Reizstoff-Einsatz rechtlich zu beschränken“. In einigen Bundesländern werden die Sprühgeräte nach jedem Einsatz gewogen. Die Thüringer Polizei erfasst lediglich die Anzahl der komplett entleerten Kartuschen, die in einem Jahr anfallen – aus Kostenabwägungen.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) will zunächst den Polizeibericht abwarten. Das sei zur Einschätzung des Vorfalls auch nötig, meint Polizeigewerkschafter Christ: „Der Einsatz von Reizgas ist im Polizeirecht klar geregelt. Als Hilfsmittel körperlicher Gewalt ist er nur in Notwehr erlaubt.“ Da die Bereitschaftspolizei immer von einem Beweissicherungsteam begleitet würde, könnten eventuell Filmaufnahmen das Vorgeschen aufklären. Sollten die Demonstranten weggetragen worden sein und sich dabei durch Tritte und Schläge gewehrt haben, wäre das Besprühen legitim gewesen.

Nach Aussage beteiligter Demonstranten und der örtlichen Polizeidienststelle gegenüber der Nachrichtenseite Thüringen24 seien Gegendemo und Sitzblockade in Sonneberg jedoch friedlich verlaufen. „In diesem Fall“, so Christ, „wäre Reizgas nicht zu rechtfertigen. Man sprüht nicht einfach Gruppen von der Straße.“ Sollten die Ermittlungen dies bestätigen, hätte der Polizeibeamte mit Disziplinarmaßnahmen zu rechnen, bei wiederholten Delikten sogar mit Entlassung.

Update 06.04.: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, der Polizist, der in Mühlhausen und Erfurt Demonstranten angriff, sei auch derjenige, der in Sonneberg Reizgas versprühte. Tatsächlich war der Mann bei der Räumung in Sonneberg anwesend, aber nicht derjenige, der das Pfefferspray versprühte.

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20 Kommentare

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  • Bevor man "urteilt", sollte man die DETAILS kennen. Das sollte auch die TAZ gelernt haben.........

    Im übrigen ist eine Strassenblockade - gleich von wem und zu welchem "Zweck" - keine Demo, sondern eine strafbare Nötigung.

    Besser also, die internen Ermittlungen abzuwarten und die Kirche - erstmal - im Dorf zu lassen.

  • Komisch! Es ist ein überschaubares Kontingent Bereitsch.-Pol. in Thüringen, und eine Übersicht über die paar Hanseln, wer von denen im Übermaß gewaltbereit ist, scheint nicht drin zu sein. Irgendwie widersprüchlich. Mir schwant, diese Haudraufs sind dort sehr beliebt, so ne Art SEK.

  • Die Wikipedia sagt: Pfefferspray wurde bei der deutschen Polizei Anfang 2000 als Einsatzmittel für Polizeivollzugsbeamte eingeführt, um unmittelbaren Zwang auszuüben. Ziel war und ist es, damit ein milderes Zwangsmittel als den Schlagstock oder sogar gegenüber dem Schusswaffengebrauch zu schaffen, um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Auswahl des Zwangsmittels besser Rechnung tragen zu können.

     

    Daraus wäre nicht zwangsläufig zu schlussfolgern, dass das Zeug nur in Notwehrsituationen eingesetzt werden darf.

  • Überall ist hier von "dem Polizisten" die Rede der Pfefferspray eingesetzt hat. Bin ich denn wirklich der Einzige dem bei Durchsicht der Bilder aufgefallen ist, dass diese drei verschiedene Polizisten zeigen, die Pfefferspray eingesetzt haben?

     

    Freund und Helfer Nr. 1 https://www.flickr.com/photos/lionelcbendtner/33776656425/in/album-72157678800496993/

     

    Freund und Helfer Nr. 2 https://www.flickr.com/photos/lionelcbendtner/33619948812/in/album-72157678800496993/

     

    Freund und Helfer Nr. 3 https://www.flickr.com/photos/lionelcbendtner/33619945952/in/album-72157678800496993/

    • @tobias:

      Mensch, müssen Sie immer alles verraten! Bei der Polizei gibt´s nur Einzeltäter, Punkt!

      • @lions:

        Kann mir keiner erzählen, dass die da nicht Bock drauf hatten...

  • Als Hilfsmittel körperlicher Gewalt ist er nur in Notwehr erlaubt.“ Da die Bereitschaftspolizei immer von einem Beweissicherungsteam begleitet würde, könnten eventuell Filmaufnahmen das Vorgeschen aufklären.

     

    aha, die üblichen Aufnahmen wo die entscheidenden 3Sekunden fehlen..

  • Das so was Polizist werden darf, ist schon erschreckend. Leider aber kein Einzelfall. Der Machtmissbrauch ist ekelhaft und hat nichts mehr mit "Ordnungshüter" zu tun, so einer ist eine Schande für die Kollegen, die sauber ihren Dienst machen.

  • Solche Leute haben im Beamtentum nichts verloren, rein gar nichts.

  • Ja wenn es denn der Führer war, wird es wohl schon in Ordnung gewesen sein (;-))

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Wäre der Beamte so intelligent gewesen, seinen Helm aufzusetzen - würde diese Diskussion jetzt hier geführt werden?

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Das mit dem Helm (liegt wohl noch in der Wanne) hab ich mich beim ersten Artikel diesbezüglich schon gefragt. Spricht aber für die Gewaltlosigkeit der Blockierer und auch für die Unverfrorenheit der Bu... äh Beamten.

      • @Hugo:

        BULLEN! :D

         

        Aber stimmt, der Aspekt ist mir noch gar nicht aufgefallen...

  • „Bei Problemlagen rückt nicht jede Woche ein anderer aus. Da kann es vorkommen, dass ein Polizist häufiger gegen Demonstranten unfreundlich einschreitet, inbesondere wenn es ein Gruppenführer ist.“ -> Aha. Na das erklärt das Ganze dann natürlich, oder?

     

    Gut, warten wir mal die Ermittlungen ab. Bitte am Ball bleiben.

  • "Da die Bereitschaftspolizei immer von einem Beweissicherungsteam begleitet würde, könnten eventuell Filmaufnahmen das Vorgeschen aufklären"

    Die verschwinden auch mal schnell, wenn es für die Polizei hilfreich ist....

     

    "Letzteres hätte der vermeintliche Mehrfachtäter jedoch nicht zu fürchten – laut der Landespolizeidirektion Thüringen wurden die Ermittlungen im Falle Mühlhausens eingestellt."

    Was ja eigentlich die Regel ist...

     

    Wa muss eigentlich noch alles passieren, bis die Polizeigewerkschaften sowie CDU und SPD die Blockade der Kennzeichnungspflicht für die Bereitschaftspolizei aufgibt.

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    "Letzteres hätte der vermeintliche Mehrfachtäter jedoch nicht zu fürchten – laut der Landespolizeidirektion Thüringen wurden die Ermittlungen im Falle Mühlhausens eingestellt."

     

    Warum? Was sagt der Dientsherr dazu?

  • "Die Thüringer Polizei erfasst lediglich die Anzahl der komplett entleerten Kartuschen, die in einem Jahr anfallen – aus Kostenabwägungen."Zitat

     

    "Aus Kostenabwägungen" Ja neee,is klar !

     

    Lieber Scholli,der Osten hat ein ernsthaftes Problem mit seinen Bullen.

    • @Markus Müller:

      Sorry, aber das gilt nicht nur für den Osten...