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Die Bäuerin wurde von Rangern auf ihrem Feld geschlagen Foto: Alexis Huguet

Gewalt in afrikanischen NationalparksWann bilden Einzelfälle ein System?

Wildhüter töten, verhaften, foltern. Die Bundesregierung spricht von „tragischen Einzelfällen“. taz-Recherchen zeigen ein strukturelles Problem.

D ass man mit Naturschutz nichts falsch machen könne, ist eine in Europa und Nordamerika weitverbreitete Ansicht, die den Blick auf einen großen Problemkomplex vermeidet. Den ärmsten Gemeinden der Welt im globalen Süden einen Großteil ihres fruchtbaren Ackerlandes wegzunehmen und es unter internationale Naturschutzrichtlinien zu stellen, führt automatisch zu vielfältigen Konflikten. Dessen ungeachtet sollen mithilfe internationaler Gelder vor allem im ohnehin krisengeplagten Kongo-Becken neue Schutzgebiete gegründet beziehungsweise die bestehenden erweitert werden, was die Konfliktlage verschärft.

Seitdem das Paradigma des „wehrhaften Artenschutzes“ immer dominanter wird und Afrikas Wildhüter militärisch ausgebildet werden, um die Nationalparks wie Festungen zu schützen, kommt es vermehrt zu Menschenrechtsverstößen der Wildhüter gegen die örtliche Bevölkerung.

Das Projekt

Naturschutz muss wehrhaft werden. Dieses Paradigma, geboren aus dem Kampf gegen Wilderei und illegalen Handel mit Tieren, hat besonders auf dem afrikanischen Kontinent dramatische Folgen. Immer wieder gibt es Zusammenstöße zwischen lokaler Bevölkerung und schwer be­waffneten Rangern. Menschenrechtsgruppen sprechen von systematischen Repressionen. Naturschützer und Geldgeber, darunter deutsche Behörden, tun die Exzesse als bedauerliche Einzelfälle ab. Mehr unter taz.de/GrüneArmee

Dieses taz-Rechercheprojekt will das Bild über die Militarisierung des Naturschutzes vervollständigen – über Vorortrecherchen und die Untersuchung der Geldflüsse im internationalen Artenschutz.

Gefördert vom Netzwerk Recherche, der Olin gGmbH und mit dem Kartographen-Stipendium des Vereins „Fleiß und Mut“.

Die Bundesregierung bezeichnet diese Übergriffe einerseits als „laufende Aushandlungsprozesse“, andererseits als „tragische Einzelfälle“. Sie weist zunächst im Zusammenhang mit Vorfällen in der Demokratischen Republik Kongo jede Verantwortung von sich: „Die Wildhüter sind Angestellte des kongolesischen Staates. Weder die Bundesregierung noch ihre Durchführungsorganisationen haben ihnen gegenüber Weisungsbefugnis“, so die Antwort der Bundesregierung (PDF) auf eine parlamentarische Anfrage zu Vorgängen in der DR Kongo.

Ein 2019 veröffentlichter Untersuchungsbericht des ehemaligen Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Markus Löning, kommt zu anderen Ergebnissen. Löning fasste diese bei der Übergabe des Berichts in Berlin folgendermaßen zusammen: „Die 2011 etablierten UN-Prinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sprechen Organisationen eine erweiterte Sorgfaltspflicht zu. Ihre Verantwortung erstreckt sich damit nicht mehr nur auf das eigene Handeln, sondern auch auf das der Partner.“ Er gibt zu: „Diese neue Situation fordert aktuell viele Organisationen heraus.“

Die Geber-Verantwortung ist in vielen Fällen mittelbar nachzuweisen: Denn ein großer Anteil der Gehälter für Wildhüter im Kongo-Becken wird mit deutschen oder europäischen Steuergeldern finanziert. So bezahlt die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) den Wildhütern sogenannte Prämien zur Aufbesserung des niedrigen Staatsgehalts. Ein Beispiel: Bekommt ein kongolesischer Wildhüter 25 Dollar Monatsgehalt, betragen die Prämien mitunter 85 Dollar, so dass das Gesamteinkommen 110 Dollar umfasst, wovon eine Familie gerade so leben kann.

Die Auszahlung der Prämien erfolgt jedoch nach Kriterien der „Performance“: Wer mehr patrouilliert, weitere Strecken zurücklegt, mehr Eindringlinge aufspürt, festnimmt und verhaftet, wird belohnt. Wir haben im Rahmen unserer Recherche Verträge zu einzelnen Parks einsehen können, die klar beschreiben: Die Performance richte sich nach „Zahl der Verhaftungen, Beschlagnahmung von AK-47-Waffen und Munition sowie Elfenbein etc.“.

Vor diesem Hintergrund erscheinen die „Einzelfälle“ eher als Ausdruck eines Systems, in welchem westliche Geldgeber Anreize schaffen, nicht nur gezielt gegen Wilderer, sondern auch willkürlich gegen die Bevölkerung vorzugehen.

Ranger haben die Bäuerin auf ihrem Feld geschlagen, nun ist ihr Finger gebrochen Foto: Alexis Huguet

Auch Lönings Bericht zur Arbeit des WWF (PDF) in der DR Kongo warnt: „WWF Deutschland befindet sich in dem Dilemma, dass derartige Ansätze seiner ursprünglichen Zielsetzung entgegenstehen, nämlich an einer Zukunft zu arbeiten, in der Menschen in Einklang mit der Natur leben. Die Arbeit in ‚militarisierten‘ Umgebungen kann zu einer tieferen Verwicklung in Konfliktdynamiken führen, die den Naturschutz gefährden.“

Unser Ziel war es im Zuge der Recherche, die Einzelfall-These aufzubrechen und die Systematik nachzuweisen.

So sind wir vorgegangen

Wir haben uns in Afrika selbst rund um den Virunga- und den Kahuzi-Biéga-Nationalpark in der DR Kongo sowie um den Queen-Elisabeth-Nationalpark in Uganda auf den Weg gemacht, um mit den Einwohnern der Gemeinden rund um die Parks zu sprechen. Wir sind sprichwörtlich von Dorf zu Dorf gefahren, haben den jeweiligen Gemeindevorstehern Formulare und Stifte ausgehändigt, um die Einzelfälle zu dokumentieren. Wir standen monatelang in Telefonkontakt mit den Dorfvertretern und sind immer wieder vor Ort gewesen, um letztlich die Opfer aufzusuchen und deren Aussagen mit Video und Audio zu dokumentieren. Wir haben die jeweiligen Parkverwaltungen mit den Vorfällen konfrontiert und haben ebenso versucht, deren Aussagen zu den Fällen mit aufzunehmen.

Während der Recherche sind wir zudem mit anderen NGOs wie Survival International und Rainforest UK in Kontakt getreten, die seit einigen Jahren ebenfalls Fälle dokumentieren, vor allem in denjenigen Parks, die für uns unerreichbar waren. Auch Akademiker und Researcher, die zum Thema arbeiten, haben uns ihre dokumentierten Fälle übergeben. Wir haben so gut es geht versucht, die jeweiligen Fälle aus mindestens zwei weiteren Quellen zu bestätigen.

Bewaffnete Wildhüter patrouillieren an den Grenzen des Virunga-Parks. Immer wieder kommt es zu Konflikten Foto: Alexis Huguet

Es war uns wichtig, die Angaben zu Opfern und mutmaßlichen Tätern zu anonymisieren, weswegen es oft so aussieht, als hätten wir nicht genug Informationen. Für die Video-Dokumentation der einzelnen Fälle haben wir von den Betroffenen die Erlaubnis erhalten, ihre Namen anzugeben. Wir erheben bei der Dokumentation der Vorfälle keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Unsere Recherche soll lediglich einen Ausschnitt abbilden, der bislang von Journalisten und Menschenrechtsorganisationen nur unzureichend beleuchtet wurde. Wir haben uns auch gefragt, warum dies so ist, und stießen hier immer wieder im Gespräch mit Kollegen, Anwälten und Vertretern von Menschenrechtsorganisationen auf die Aussage, es sei „gefährlich“, diese Fälle zu recherchieren. Dass dies tatsächlich der Fall ist, mussten auch wir feststellen, als in der DR Kongo die lokalen Kollegen vor Ort und Übersetzer bedroht und verhaftet wurden.

Verschiedene Menschenrechtsorganisationen in der DR Kongo gaben zudem an, dass es von Geberseite nicht gewünscht sei, die negative Seiten des Naturschutzes aufzudecken, da dieselben internationalen Geber, die die NGOs unterstützen, auch die Naturschutzaktivitäten des Parks finanzieren. Aus diesem Grund war es uns wichtig, die Recherchen dennoch fortzusetzen und zumindest einen Ausschnitt zu veröffentlichen. Wir danken allen, die dazu beigetragen haben, für die Zusammenarbeit.

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Alle Texte zum Thema finden Sie unter taz.de/GrüneArmee

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • In Nepal wurden mit deutschem Geld ebenfalls Naturreservate ausgebaut, mit Vertreibung der ansässigen Bevölkerung. Die Wahl einer demokratischen Regierung unter Prachanda 2006 setzte der Gewalt ein Ende. Im Kongo ist man von demokratischen Verhältnissen und Beendigung der Einmischung von außen noch weit entfernt.

  • Ich habe eine lösung für das problem:



    denn Ich habe die abschaffung aller söldnerarmeen gefordert.



    auch söldner die sich "ecoguards" nennen sind söldner und benehmen sich wie solche



    .und wenn die reichen europäer*innen sie bezahlen machen sie sich an deren verbrechen mitschuldig,

    nach meinem plan bekommt die uno eine wehrpflichtigenarmee.alle anderen armeen werden abgeschafft.



    berufssoldaten,dass heisst festangestellte söldner und sonstige söldner wird es dann nicht mehr geben

    aber muss man naturschutzgebiete mit militärischer gewalt schützen?

    wenn man für das der nutzung durch den menschen entzogene land deutlich mehr bezahlt als seine ausbeutung bringen würde,und dafür sorgt dass die armen davon kollektiv profitieren wird die notwendigkeit des gewaltsamen naturschutzes weitgehend entfallen



    die erfüllung der öffentlichen aufgabe des schutzes der biodiversität des planeten würde dadurch soweit erleichtert dass sie mit normalen polizeilichen mitteln unter wahrung rechtstaatlicher prinzipien erfüllt werden kann

  • Warum sollte es den Menschen in Afrika besser ergehen als uns in Europa, wenn die "Öko-Aktivisten" loslegen? Das einzige Recht, was dort interessiert ist das Recht des Stärkeren.



    Peta "befreit" Tiere, angebliche "Gen-Felder" werden zertrampelt, die DHU macht als Abmahnverein Kasse. Hier wie dort mit Steuergeldern befeuert. Das ist immer so wenn ideologisch argumentiert und gehandelt wird, die Argumente und der Kompromiss zählen dann nicht mehr.

    • @Klaus Meier:

      Peta befreit also keine Tiere?

  • Danke für die Berichterstattung über diesen blinden Fleck in unserer Wahrnehmung der Thematik. Die Vorfälle sind in ihrer Masse und auch einzeln besehen ziemlich verstörend.