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Gewalt bei Demo gegen Aufrüstung in KölnAntikriegsparade endet im Polizeikessel

Am Samstag wollte eine antimilitaristische Parade durch Köln ziehen. Die Polizei löste die Demo auf und setzte bis zu 600 Menschen über Nacht fest.

Bis zu 12 Stunden lang hielt die Polizei hunderte De­mons­tran­t:in­nen fest, darunter auch viele Minderjährige Foto: Henning Kaiser/dpa

Köln taz | Sie wollten gegen Aufrüstung und Militarisierung protestieren. Doch die Antikriegs-Parade vom „Rheinmetall Entwaffnen“-Bündnis in Kooperation mit dem „Kölner Friedensforum“ endete in einem Polizeikessel. Bis zu 12 Stunden lang hielt die Polizei hunderte De­mons­tran­t:in­nen fest, darunter auch viele Minderjährige. Zuvor hatte sie die Demo gewaltsam gestoppt und für aufgelöst erklärt. Die Veranstalter berichten von etwa 100 Verletzten. Bis zu 20 Personen hätten im Krankenhaus behandelt werden müssen.

Etwa 3.000 Menschen versammelten sich am Samstagnachmittag auf dem Heumarkt, um von dort einen Demozug in den Kölner Süden zu starten. Vertreten waren verschiedene friedenspolitische, feministische und sozialistische Gruppen. Doch bereits der Start verzögerte sich um eine gute Stunde. Die Polizei ließ die Demo aufgrund „versammlungsrechtlicher Verstöße“ nicht loslaufen und bezog sich dabei auf Vermummung und Fahnenstangen aus Metall. Schließlich doch gestartet, folgte Stop-and-Go: Erst waren es die verknoteten Transparente, dann ein gezündeter Rauchtopf, den die Polizei als Begründung heranzog, um den Aufzug zu stoppen.

In der Mechtildisstraße kam die Demo dann endgültig zum Stillstand, als die Polizei den „revolutionären Block“ einkesselte. Dabei ging sie gewaltsam gegen die Menge vor, setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Hunderte Bereitschaftspolizisten trennten den Block von den restlichen Teil­neh­me­r:in­nen und durchsuchten den Lautsprecherwagen des Blocks. Aus diesem wäre nach Angaben der Polizei Pyrotechnik herausgegeben worden. In den Nebenstraßen sammelten sich währenddessen weitere Polizeikräfte, mitunter mit Wasserwerfer und Räumpanzer.

Die Versammlungsleitung der Demonstration warf der Polizei fehlende Kommunikation über ihr Vorgehen vor. Bis spät in den Abend gab es nach Angaben der Veranstalter keinen offiziellen Polizeikontakt. Mehrere Stunden hätten die Demonstrierenden ohne jegliche Polizeiansprache im Kessel ausgeharrt.

Sanitäter berichtet von Behinderung durch Polizei

Um 20.23 Uhr erklärte die Polizei die Versammlung aufgrund von Pyrotechnik und tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte für aufgelöst. Gegen 23 Uhr startete die Polizei die erkennungsdienstliche Behandlung der eingekesselten Personen. Grund dafür waren laut Polizei überwiegend versammlungsrechtliche Verstöße. Gegen eine Person hätten die Behörden ein Strafverfahren wegen Widerstand und Körperverletzung eingeleitet. Die letzten Personen verließen gegen 5 Uhr morgens den Kessel. Zwischenzeitlich wurde auch ein Journalist festgehalten.

Die „Demosanitäter Süd-West“ berichteten von einem der „heftigsten Einsätze der Gruppengeschichte“ mit dutzenden Verletzten. Ein Sanitäter einer weiteren Gruppe berichtete der taz von der Behinderung der medizinischen Versorgung durch die Polizei. Sie hätte ihm seine Ausrüstung entrissen und ihn im Anschluss festgenommen, als er einer bewusstlosen Person zur Hilfe eilen wollte. Viele verletzte Personen hätten nur im Zuge der Personalienfeststellung medizinische Versorgung erhalten. Einige Personen hätten in diesem Zuge verletzt im Kessel ausgeharrt.

Die Parade sollte den Abschluss des „Rheinmetall Entwaffnen“-Aktionscamps bilden. An­ti­mi­li­ta­ris­t:in­nen hatten ab Anfang der Woche am Fuße des Kölner Fernsehturms ein Protestcamp errichtet. In der gesamten Woche kam es bereits zu Demonstrationen und Aktionen gegen den deutschen Aufrüstungskurs und Vertreter der Rüstungsindustrie. So blockierten Ak­ti­vis­t:in­nen am Mittwochmorgen ein Rekrutierungsbüro der Bundeswehr und am Freitag die Zufahrt zum Logistikzentrum der „Deutz AG“ in Köln Kalk, die Motoren für Kriegsgerät produziert.

Kölns Polizei hatte im Vorfeld versucht, das Protesttreffen wegen befürchteter Gewalttaten präventiv zu verbieten – und so einen Präzedenzfall zum Verbot aller Camps zu schaffen, die sich mit „linksgerichteten Themen“ wie „Klimaaktivismus, Flüchtlings- und Friedenspolitik“ beschäftigen, wie es in der ursprünglichen Verbotsverfügung von Mitte August heißt. Das Oberverwaltungsgericht Münster aber erklärte das Verbot letztlich für „rechtswidrig, weil es die Versammlungsfreiheit“ verletze.

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6 Kommentare

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  • Es ist schon bitter, wenn es auf einer Demonstration zu so vielen Verletzten durch Polizeigewalt kommt. Obwohl ich nicht dabei war, halte ich nach meinen eigenen negativen Erfahrungen mit der Polizei in Köln eindeutig die Berichte der Demonstranten für glaubwürdig, nicht die Behauptungen der Polizei. Das Schikanieren von unliebsamen Demonstrationen durch die Kölner Polizei sowie brutale Angriffe auf Demonstranten habe ich in den inzwischen 15 Jahren in Köln leider viel zu häufig selbst erlebt. Und gerade die auch bei dieser Demonstration eingesetzten BFE und andere Sondereinheiten sind berüchtigt für ihre Brutalität. Bestehen sie doch im Gegensatz zu den Bereitschaftspolizisten, deren Dienst jeder angehende Polizist durchlaufen muß, ausschließlich aus Freiwilligen, die gerne prügeln. Der Versammlungsleitung aber auch den Eingekesselten würde ich raten, gegen den Polizeieinsatz beim Verwaltungsgericht zu klagen. Wenn sie dabei Érfolg haben, wird sich erfahrungsgemäß die Kölner Polizei für einige Zeit nicht mehr so aufführen. Es gibt übrigens ein Video auf You tube zum Verhalten der Polizei: www.youtube.com/watch?v=fwa0HEHZ9t0

  • Dass ausgerechnet eine Antikriegsparade so unfriedlich verläuft ist irgendwie paradox. Sollten nicht gerade Pazifisten unbewaffnet zu einer Demo erscheinen - also ohne Metallstangen und ohne Pyrotechnik?

    • @Winnetaz:

      Ich gehe einmal davon aus, daß an den "Metallstangen" Fahnen oder Transparente befestigt waren. Wollen Sie allen Ernstes behaupten, daß Fahnen unfriedlich sind? Da es eine extrem kleinliche Verordnung für Demonstationen gibt, aus welchem Material Fahnenstangen bestehen dürfen und welche maximale Dicke diese haben sollen, kommt es immer wieder vor, daß gerade bei schikanösem Verhalten von Seiten der Polizei einige Teilnehmer die "falschen" Fahnenstangen tragen. Was Pyrotechnik betrifft. Ich bin wahrlich keine Freundin derselben, egal ob an Silvester, auf Demonstrationen oder im Stadion. Aber zunächst einmal ist das doch nicht unfriedlich und keine Bewaffnung. Mein Rat an Sie: einfach mal selbst ein bisschen "abrüsten".

  • Gerne selbst ein Bild machen, welche Gewalt hier angewendet wurde. Hier sollte ganz klar ein Exampel statuiert werden. Egal wie man zu den Inhalten dieser Demo steht, das sollte jedem zu denken geben.



    www.youtube.com/wa...nJeck%E2%80%9DJeck

  • Kann mir mal jemand erklären, warum man Pyrotechnik auf eine „Friedens“-Demo mitnehmen muss?

    • @Birgit Deter:

      Können Sie mir erklären, warum Pyrotechnik unfriedlich ist? Nach Ihrer Definition sind dann auch die Silvesterböllerei oder die "Kölner Lichter" unfriedlich...