Gewalt bei Demo gegen Aufrüstung in Köln: Antikriegsparade endet im Polizeikessel
Am Samstag wollte eine antimilitaristische Parade durch Köln ziehen. Die Polizei löste die Demo auf und setzte bis zu 600 Menschen über Nacht fest.

Etwa 3.000 Menschen versammelten sich am Samstagnachmittag auf dem Heumarkt, um von dort einen Demozug in den Kölner Süden zu starten. Vertreten waren verschiedene friedenspolitische, feministische und sozialistische Gruppen. Doch bereits der Start verzögerte sich um eine gute Stunde. Die Polizei ließ die Demo aufgrund „versammlungsrechtlicher Verstöße“ nicht loslaufen und bezog sich dabei auf Vermummung und Fahnenstangen aus Metall. Schließlich doch gestartet, folgte Stop-and-Go: Erst waren es die verknoteten Transparente, dann ein gezündeter Rauchtopf, den die Polizei als Begründung heranzog, um den Aufzug zu stoppen.
In der Mechtildisstraße kam die Demo dann endgültig zum Stillstand, als die Polizei den „revolutionären Block“ einkesselte. Dabei ging sie gewaltsam gegen die Menge vor, setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Hunderte Bereitschaftspolizisten trennten den Block von den restlichen Teilnehmer:innen und durchsuchten den Lautsprecherwagen des Blocks. Aus diesem wäre nach Angaben der Polizei Pyrotechnik herausgegeben worden. In den Nebenstraßen sammelten sich währenddessen weitere Polizeikräfte, mitunter mit Wasserwerfer und Räumpanzer.
Die Versammlungsleitung der Demonstration warf der Polizei fehlende Kommunikation über ihr Vorgehen vor. Bis spät in den Abend gab es nach Angaben der Veranstalter keinen offiziellen Polizeikontakt. Mehrere Stunden hätten die Demonstrierenden ohne jegliche Polizeiansprache im Kessel ausgeharrt.
Sanitäter berichtet von Behinderung durch Polizei
Um 20.23 Uhr erklärte die Polizei die Versammlung aufgrund von Pyrotechnik und tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte für aufgelöst. Gegen 23 Uhr startete die Polizei die erkennungsdienstliche Behandlung der eingekesselten Personen. Grund dafür waren laut Polizei überwiegend versammlungsrechtliche Verstöße. Gegen eine Person hätten die Behörden ein Strafverfahren wegen Widerstand und Körperverletzung eingeleitet. Die letzten Personen verließen gegen 5 Uhr morgens den Kessel. Zwischenzeitlich wurde auch ein Journalist festgehalten.
Die „Demosanitäter Süd-West“ berichteten von einem der „heftigsten Einsätze der Gruppengeschichte“ mit dutzenden Verletzten. Ein Sanitäter einer weiteren Gruppe berichtete der taz von der Behinderung der medizinischen Versorgung durch die Polizei. Sie hätte ihm seine Ausrüstung entrissen und ihn im Anschluss festgenommen, als er einer bewusstlosen Person zur Hilfe eilen wollte. Viele verletzte Personen hätten nur im Zuge der Personalienfeststellung medizinische Versorgung erhalten. Einige Personen hätten in diesem Zuge verletzt im Kessel ausgeharrt.
Die Parade sollte den Abschluss des „Rheinmetall Entwaffnen“-Aktionscamps bilden. Antimilitarist:innen hatten ab Anfang der Woche am Fuße des Kölner Fernsehturms ein Protestcamp errichtet. In der gesamten Woche kam es bereits zu Demonstrationen und Aktionen gegen den deutschen Aufrüstungskurs und Vertreter der Rüstungsindustrie. So blockierten Aktivist:innen am Mittwochmorgen ein Rekrutierungsbüro der Bundeswehr und am Freitag die Zufahrt zum Logistikzentrum der „Deutz AG“ in Köln Kalk, die Motoren für Kriegsgerät produziert.
Kölns Polizei hatte im Vorfeld versucht, das Protesttreffen wegen befürchteter Gewalttaten präventiv zu verbieten – und so einen Präzedenzfall zum Verbot aller Camps zu schaffen, die sich mit „linksgerichteten Themen“ wie „Klimaaktivismus, Flüchtlings- und Friedenspolitik“ beschäftigen, wie es in der ursprünglichen Verbotsverfügung von Mitte August heißt. Das Oberverwaltungsgericht Münster aber erklärte das Verbot letztlich für „rechtswidrig, weil es die Versammlungsfreiheit“ verletze.
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