Gesundheitsexpertin über Biontech-Fabrik: „Das Wissen bleibt bei Biontech“
Die neue Biontech-Impfstofffabrik in Ruanda hilft global gesehen nur wenig, sagt Melissa Schwarwey von Ärzte ohne Grenzen. Der Hersteller müsse Know-how teilen.
taz: Frau Scharwey, wissen Sie, weshalb Biontech in Ruanda baut?
Melissa Scharwey: Bisher gibt es in Ruanda keine wichtigen großen pharmazeutischen Unternehmen oder Infrastruktur. In Südafrika wäre das anders. Dort wird an mRNA-Technologien gearbeitet. Eine Kooperation mit Biontech könnte den Wissenstransfer beschleunigen, aber bisher hat Biontech eine Kooperation abgelehnt. Aber am Ende ist es natürlich trotzdem gut, auch andere Länder zu fördern, die bisher noch nicht die Infrastruktur oder einen Markt haben.
ist Politische Referentin bei Ärzte ohne Grenzen für die Themen Zugang zu Medikamenten und Globale Gesundheitspolitik.
Was bringt das für die Gesundheit vor Ort?
Für die ist es wichtig, dass so viele Impfstoffe wie möglich, die auf dem Kontinent genutzt würden, auch dort produziert werden. Wenn die Produktion, sei es für Malaria, Tuberkulose oder eben Covid-19, so lokal wie möglich ist, gewährleistet das die Unabhängigkeit der Länder. Im Moment ist es aber so, dass nur etwa 1 Prozent der auf dem afrikanischen Kontinent verwendeten Impfdosen auch dort hergestellt wird.
Woran liegt das, gibt es so wenige Fabriken?
Es gibt geringe Produktionskapazitäten. Aber gerade beim Biontech-Impfstoff, der auf der mRNA-Technologie beruht, gibt es mindestens neun Hersteller auf dem afrikanischen Kontinent, die ihn produzieren könnten, wie wir in einer Studie von 2021 gezeigt haben. Das heißt, es gäbe Kapazitäten, aber schon existierende Hersteller müssten mit den Produktionsstätten kooperieren. Biontech zum Beispiel müsste Technologie und Know-how teilen. Aber genau das passiert auch jetzt in Ruanda nicht. Statt zu kooperieren, baut Biontech eine eigene Fabrik. Die Kontrolle und das Wissen bleiben beim Unternehmen und damit in Deutschland, auch wenn in Ruanda produziert wird. Das ist eine abhängige Produktion. Was es braucht, sind aber eigenständige und unabhängige Impfstoffproduktionen.
Sie glauben also, es gibt bessere Möglichkeiten, um Gesundheit in Ruanda zu schützen?
Auf jeden Fall. Sicherlich ist jeder Schritt Richtung mehr Impfstoffproduktion und Medikamentenproduktion ein guter. Aber die Fabrik ist ja eine private Investition. Das heißt: Auch die Nachhaltigkeit, wie lange dieses Projekt läuft, ist eine private Entscheidung des Unternehmens und keine öffentliche.
Aber sie hat doch der Covax-Initiative etwa 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt, um die Pandemie weltweit mit Impfungen zu bekämpfen. Und jetzt spricht sie von 550 Millionen Euro, mit denen sie die Afrikanische Union bei der Impfstoffproduktion unterstützen will.
Es stimmt, gerade seit Covid-19 wurden sehr hohe Summen an öffentlichen Geldern investiert. Aber wir haben auch bei Covax gesehen, dass dieser Mechanismus zur Impfstoffverteilung nicht funktioniert hat. Kurz gesagt: Reiche Ländern wie Deutschland haben Geld gegeben, aber den Markt leer gekauft. Das investierte Geld hat leider gar nicht so viel gebracht. Es muss parallel dazu sichergestellt werden, dass die Hersteller den Impfstoff wirklich bedarfsgerecht verteilen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“