Gesetzesverschärfung in Frankreich: Mehr Schutz vor sexueller Gewalt

Die Abgeordneten stimmen dafür, sexuelle Handlungen von Erwachsenen an unter 15-Jährigen zu kriminalisieren. Der Senat muss noch zustimmen.

Der französische Justizminister Eric Dupond-Moretti mit Mundschutz gibt vor JournalistInnen ein Statement ab

Der französische Justizminister Eric Dupond-Moretti betont: Kein Erwachsener kann sich mehr auf die Einwilligung eines Minderjährigen berufen Foto: Jonathan Rebboah/imago

PARIS taz | Die französische Nationalversammlung hat in der Nacht auf Dienstag einstimmig eine Gesetzesvorlage verabschiedet, die alle Arten von Geschlechtsverkehr zwischen Erwachsenen und Minderjährigen unter 15 Jahren prinzipiell für illegal erklärt. Das heißt, dass Erwachsene sich nicht mehr auf ein angebliches Einverständnis der Jugendlichen berufen können. Bereits im Februar hatte sich das Parlament für ein solches Schutzalter ausgesprochen.

„Damit kann sich kein Erwachsener mehr auf die Einwilligung eines Minderjährigen berufen“, betonte Justizminister Eric Dupond-Moretti. Bisher kam es vor, dass bei Prozessen erwachsene Angeklagte wegen einer angeblichen „Zustimmung“ von 11- oder 12-jährigen vom Gericht freigesprochen wurden.

Der Schwachpunkt der Gesetzesvorlage ist es aber nach Ansicht der Feministin Suzy Rojtman vom Collectif national pour le droits des femmes, dass der fehlbare Erwachsene laut neuen Bestimmungen gewusst haben musste, dass sein Opfer unter 15 Jahre alt war. Die Angeklagten könnten immer noch behaupten, ihre Opfer hätten gesagt, dass sie älter als 15 seien.

Nach einer längeren Diskussion wollten die Abgeordneten in der Nacht zu Dienstag auch der Realität von Beziehungen unter Jugendlichen Rechnung tragen. Sie machen darum für jugendliche Paare eine Ausnahme von der strikten Altersgrenze von 15 Jahren, sofern nicht mehr als fünf Jahre die beiden trennen und ihre Beziehung vor dem 18. Lebensjahr des älteren Partners begonnen hat. Dies geht als „Romeo und Julia“-Klausel in die Parlamentsgeschichte ein.

Gesetzesanpassung ist Konsequenz mehrerer Skandale

Die Gesetzesrevision sieht außerdem vor, dass ein Richter bei einer Verurteilung für Sexualdelikte und -verbrechen zusätzlich ein definitives Verbot beruflicher und außerberuflicher Kontakte mit Kindern anordnen kann. Auch werden die Strafen für Kunden von minderjährigen Prostituierten wesentlich verschärft.

Das Rechtsempfinden hat sich in Frankreich verändert. Dass die Abgeordneten das Gesetz anpassen, ist aber auch eine direkte Konsequenz von Skandalen und Enthüllungen im Bereich der Pädokriminalität. Vor allem das Buch „Le consentement“ (Das Einverständnis) von Vanessa Springora, die im vergangenen Jahr mit Vorwürfen gegen einen gefeierten Schriftsteller an die Öffentlichkeit ging, sowie der Fall des bekannten Politologen Olivier Duhamel haben viele schockiert. Die Juristin Camille Kouchner hat ihren Stiefvater Duhamel in einem Anfang Januar veröffentlichten Buch beschuldigt, er habe ihren Bruder mehrfach vergewaltigt, als dieser 13 und 14 Jahre alt war.

Andere Affären wurden im Zuge der #MeToo-Kampagne unter dem neuen Hashtag #MetooInceste in den sozialen Netzwerken publik. Wegen der besonderen Abhängigkeit der familiären Bindungen wird für Sexualverbrechen mit Inzestcharakter eine Altersgrenze von 18 Jahren festgelegt, unter der keinesfalls von einer Zustimmung ausgegangen werden kann.

Da der Senat sich bereits am Mittwoch mit der Vorlage befasst, hofft die Regierung, dass das revidierte Gesetz bereits im Frühling in Kraft treten kann.

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