Gesetz in Georgien: Demokratie unter Druck
Unter der Führung der Regierungspartei Georgischer Traum driftet Georgien in Richtung Russland. Nun droht gar ein Gesetz gegen ausländische Agenten.
W er dem Irrglauben anhängt, die Südkaukasusrepublik Georgien sei immer noch auf dem Weg nach Europa, sollte es mit einem Realitätscheck versuchen. Unter der Führung der Regierungspartei Georgischer Traum (KO) driftet das Land, in der Region einst Vorreiter für Reformen, stetig weiter in Richtung Russland ab. Einige besonders umtriebige Abgeordnete, die die KO verlassen haben, sie bei Abstimmungen jedoch nach wie vor unterstützen, wollen ein Gesetz über sogenannte ausländische Agenten ins Parlament einbringen. Sollte dieser Plan mehrheitlich Zustimmung finden, könnte das den Anfang vom Ende der Arbeit zahlreicher Nichtregierungsorganisationen bedeuten. Moskau lässt grüßen.
Schon jetzt steht die noch junge Zivilgesellschaft in Georgien unter wachsendem Druck, wie das brutale Vorgehen von Polizeikräften gegen oppositionelle Demonstrant*innen zeigt. Auch der Umgang mit dem inhaftierten früheren Präsidenten Michail Saakaschwili, der im Gefängnis langsam vor sich hin stirbt, ist kein Ruhmesblatt. Die Weigerung der Regierung, Saakaschwili zwecks medizinischer Behandlung ausreisen zu lassen, deutet eher auf billige Rache denn die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze hin.
EU steht vor Dilemma
Bei einer Verurteilung von Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine hält sich die Regierung bedeckt. Diese vornehme Zurückhaltung steht in krassem Gegensatz zu weiten Teilen der Bevölkerung, die mit der Ukraine solidarisch sind. Einmal abgesehen davon, dass der Zugzug zigtausender Russ*innen nach Georgien seit Kriegsbeginn Ängste vor einer Landnahme der anderen Art schürt – Russland hat ohnehin schon 20 Prozent des georgischen Territoriums besetzt.
Die EU steht jetzt vor einem Dilemma. Im vergangenen Jahr verweigerte sie Tblissi den Status eines Beitrittskandidaten. Angesichts der jüngsten Entwicklungen dürfte der nächste Befund kaum anders ausfallen. Doch Georgien jahrelang in der Warteschleife hängen zu lassen, kann keine Option sein. Denn trotz aller Schwierigkeiten und Rückschläge hat das Land Unterstützung verdient – vor allem die vielen jungen Menschen, die sich für eine demokratische Entwicklung einsetzen. Nicht nur bei ihnen sitzt das Trauma des russisch-georgischen Krieges von 2008 tief. Damals blieb dieser Weckruf im Westen ungehört – eine Unterlassungssünde, für die die Ukrainer*innen jetzt einen hohen Preis bezahlen. Das darf sich nicht wiederholen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen