Gesetz gegen „Upskirting“: Fotografieren unterm Rock ist strafbar

Wer Frauen in Großbritannien unter den Rock fotografiert, begeht künftig eine Straftat. Eine Betroffene hat sich lange für das Thema eingesetzt.

Eine junge Frau in roter Bluse steht in einem Park

Gina Martin will Mitmenschen zu mehr Aktivismus ermutigen Foto: afp

BERLIN taz | Der Hyde Park in London, Sommer 2017. Gina Martin wartet vor der Bühne auf den Auftritt der britischen Band The Killers, als sie bemerkt, dass sich zwei Männer in der Nähe auf dem Smartphone ein Bild ihres Schritts anschauen. Einer der beiden muss sie zuvor unter dem Rock fotografiert haben, begreift Martin, entreißt ihnen das Gerät und wendet sich damit an die Polizei. Um Tage später zu erfahren, dass ihrem Fall nicht weiter nachgegangen wurde.

Was geschehen sei, sagen die Beamten, habe keine strafrechtliche Relevanz. Martin kann das nicht fassen und startet eine Petition. 18 Monate und über 100.000 UnterstützerInnen später ist das sogenannte Upskirting in England und Wales Teil des „Sexual Offences Act 2003“ und somit illegal. Täter müssen nun mit bis zu zwei Jahren Haft rechnen. In Schottland gibt es ein entsprechendes Gesetz bereits.

„Ich glaub, ich sterbe. Ich kann nicht fassen, dass wir das geschafft haben“, schrieb Martin auf Twitter, kurz nachdem das Oberhaus am Mittwoch seine Entscheidung bekanntgegeben hatte. Sie und ihr Anwalt hätten „gekämpft und GEWONNEN“. In Tagen, in denen man den Briten Politikverdrossenheit aus naheliegenden Gründen nicht verübeln kann, kommt die 27-Jährige aus dem Schwärmen über die Legislative gar nicht mehr raus. Seit sie mit der Petition zur Aktivistin wurde, habe sie eine „steile Lernkurve“ durchlaufen: „Für Außenstehende, ganz normale Leute, kann Politik kompliziert und entmutigend erscheinen. Aber wenn man an sich glaubt, die richtige Unterstützung hat, ist sie durchdringbar.“

Das Gesetz gegen Upskirting sei Politik „at its best“, sagt die BBC und appelliert an alle, die „mit etwas unzufrieden sind, loszulegen und es zu ändern.“ Martin, die in der Werbebranche tätig ist, bezeichnet sich selbst als ganz normale Person. „Und ich hab’s trotzdem hingekriegt“, zitiert sie der Telegraph. Allerdings arbeitete sie dafür über Monate hinweg in ihrer freien Zeit – und nicht ohne Rückschläge.

An Schulen fast schon normal

Im vergangenen Juni blockierte ein einzelner konservativer Abgeordneter im Unterhaus das so gut wie beschlossene Gesetz. Der bockige Politiker rief sogar die Premierministerin auf den Plan. May plädierte dafür, dass sich das Unterhaus weiter mit dem Entwurf befasse und beschrieb Upskirting als „abscheuliche Verletzung der Privatsphäre, die Opfer herabsetze und verängstige.“ Unklar bleibt allerdings, wer für die Girlande aus Unterwäsche, die die Bürotür des Abgeordneten nach dem Vorfall schmückte, verantwortlich ist.

Laut Telegraph gab es in Großbritannien zwischen 2016 und 2018 78 gemeldete Fälle von Upskirting, unter den Opfern auch zehnjährige Mädchen. Die Vorsitzende eines britischen Lehrerverbands nannte das Phänomen „Teil eines größeren Musters sexueller Belästigung“ an Schulen. Einige Schülerinnen sähen sich gezwungen, Shorts unter ihrem Rock zu tragen. Das Kleidungsstück gehört in Großbritannien zur Schuluniform.

In Deutschland ist Upskirting genau wie noch vor kurzem in England und Wales nicht strafbar, solange die Bilder nicht verbreitet werden. Eine ganz besondere Maßnahme gegen das Vergehen hat Südkorea ergriffen. Da heimliches Filmen und Fotografieren dort sehr verbreitet sind, lässt sich bei in Südkorea gekauften Smartphones das Auslöse-Geräusch der Kamera nicht stummstellen.

Gina Martin, die in den vergangenen Monaten viele Frauen traf, die Ähnliches erlebten, will künftig in Zusammenarbeit mit der Polizei Konzepte entwickeln, wie Musikfestivals und andere Veranstaltungen sicherer gemacht werden können. Damit die „steile Lernkurve“ noch lange nicht abbricht.

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