Gescheiterte Zypern-Gespräche: Der eingefrorene Konflikt
Die Vereinten Nationen bemühen sich um immer wieder um Vermittlung. Aber längst sind auf Zypern zwei parallele Gesellschaften entstanden.
W enn Verhandlungen um eine Lösung des Zypern-Konflikts scheitern, ist das keine Nachricht, sondern eine Selbstverständlichkeit. Letzte Woche war es wieder einmal so weit, wobei es genauer gesagt nur um Gespräche ging, die ausloten sollten, ob man überhaupt in Verhandlungen treten sollte. Seit fast 47 Jahren ist Zypern geteilt. Seit mehr als 50 Jahren streiten sich Insel-Griechen und -Türken ebenso wie ihre „Mutterländer“ Griechenland und die Türkei um den politischen Status der Mittelmeerinsel. Der eingefrorene Konflikt ist zum Dauerzustand geworden, in dem beide Seiten glauben sich bequem eingerichtet zu haben. Nichts spricht dafür, dass sich das auf absehbare Zeit ändern wird.
Denn jede Seite beharrt auf ihren nationalen Erzählungen als Opfer der jeweils anderen. Jede weiß ihr „Mutterland“ hinter sich. Und jede Seite hat viel zu verlieren: Die Insel-Griechen Wohlstand und die nationale Alleinvertretung in einem EU-Mitgliedsstaat, die Türkei ihren Anspruch als militärische Mittelmacht. Nun ist es nicht so, dass der Streit über die Jahrzehnte stehen geblieben wäre.
Es gab historische Momente, als beide Seiten nur Millimeter an einer Einigung vorbeischrammten, etwa 2004, als die zyperngriechische Seite eine Lösung in letzter Sekunde torpedierte. Seitdem aber verhärtet sich die Situation wieder, auch aufgrund des Einflusses der Türkei, die von einer bundesstaatlichen Zukunft Zyperns nichts mehr wissen will, sondern zwei getrennte Länder anstrebt – allen UN-Resolutionen zum Trotz.
Die Bemühungen der Vereinten Nationen um eine Konfliktlösung werden weitergeführt werden. Aber längst sind auf Zypern zwei parallele Gesellschaften entstanden, die wenig miteinander gemein haben. Wer jünger als 50 Jahre alt ist, kennt nichts anderes als zwei strikt getrennt voneinander lebende Gruppen. Pragmatiker mögen deshalb argumentieren, man möge diese Realität auch politisch anerkennen und den Status quo festschreiben. Das wäre ein Sieg nationalistischen Denkens über die Vorstellung gemeinsamen solidarischen Verhaltens. Und es wäre das Eingeständnis, dass Vernunft auf Zypern keine Chance hat.
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