piwik no script img

Gerichtsurteil zu Corona-BeschränkungenMarx als Ausrede

Wegen Corona sind Gottesdienste verboten. Gerichte halten dies für rechtmäßig – in Bayern drücken sich die Richter allerdings vor klaren Worten.

Willkommene Ausrede für die Münchner Richter: Bischof Marx hat schon alle Gottesdienste abgesagt Foto: dpa

BERLIN taz | Selbst im katholischen Bayern bleiben Gottesdienstbesuche über Ostern verboten. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München hat an diesem Donnerstag die Klage eines Katholiken gegen das staaatliche Verbot der Heiligen Messe abgelehnt. Begründung: Die Kirche habe die Gottesdienste bereits selbst abgesagt.

Der Kläger wollte die bayerische Corona-Verordnung kippen. Dort heißt es: „Veranstaltungen und Versammlungen werden landesweit untersagt. Dies gilt auch für Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen und Synagogen sowie die Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften.“ Das Verbot gilt vorerst bis zum 19. April.

Dagegen klagte ein Münchener Katholik, der sich in seiner Religionsfreiheit verletzt sah. Er versuche, sein Leben an der katholischen Glaubenslehre auszurichten; der regelmäßige Besuch von Gottesdiensten sei ein wesentlicher Teil seines „religiösen Lebens“. Gerade weil mit Ostern „das heiligste Fest der Katholiken“ bevorstehe, stelle der Verzicht auf liturgische Feiern für ihn eine schwere Belastung dar.

Der Infektionsschutz könne ein generelles Verbot von Gottesdiensten nicht rechtfertigen, so der Kläger. Denn es hätte genügt, für religiöse Zusammenkünfte strenge Auflagen, etwa Abstandsgebote, zu erlassen. Ein generelles Gottesdienstverbot könne sogar zu Ausweichreaktionen der Gläubigen in „Untergrund- und Katatombenmessen“ führen, und so die Corona-Bekämpfung gefährden.

Immer dieser Marx

In anderen Bundesländern waren ähnliche Klagen von Kirchenmitgliedern in den letzten Tagen bereits abgelehnt worden. Die Gottesdienstverbote zur Bekämpfung der Corona-Epidemie seien erforderlich und verhältnismäßig, so der hessische Verwaltungsgerichtshof – obwohl es sich um eine in der Bundesrepublik „beispiellose Einschränkung der Religionsfreiheit“ handele. Auch das Oberverwaltungsgericht Berlin hielt die Verbote von religiösen Versammlungen für rechtmäßig, schließlich könnten Gläubige die Kirchen ja immer noch zur „individuellen stillen Einkehr“ aufsuchen.

Mit Spannung war nun erwartet worden, wie die Richter im katholischen Bayern entscheiden werden. Würden auch sie dem Infektionsschutz Vorrang vor der Religionsfreiheit einräumen?

Tatsächlich vermied der VGH München nun eine derartige Aussage und lehnte den Normenkontrollantrag des Münchener Katholiken aus einem anderen Grund ab. Dem Antrag fehle ein „Rechtsschutzbedürfnis“, so der VGH. Selbst wenn das Gericht die Corona-Verordnung für rechtswidrig erklären würde, könnte der Mann an keinem Gottesdienst teilnehmen. Denn die katholische Kirche habe ihre Gottesdienste selbst abgesagt, und zwar „aus freien Stücken“ und nicht wegen des staatlichen Verbots.

In dem Beschluss, der der taz vorliegt, nahmen die Richter Bezug auf ein Dekret von Kardinal Reinhard Marx, dem Erzbischof von München und Freising: „In der Zeit bis einschließlich 19. April 2020 sage ich alle öffentlichen Gottesdienste im Gebiet der Erzdiözese München und Freising ab“, heißt es dort. Es gebe keine andere Möglichkeit, das Leben möglichst vieler Menschen zu retten, so Marx. Diese Entscheidung des Erzbistums habe auch der Kläger als Mitglied der katholischen Kirche zu akzeptieren.

Der Gang zum Bundesverfassungsgericht wäre für den Münchener Katholiken zwar noch möglich. Doch hat Karlsruhe erst am Mittwoch, 8. April, eine Eil-Anordnung gegen die bayerischen Corona-Beschränkungen abgelehnt. Derzeit habe der Gesundheitsschutz Vorrang.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Es gibt einen sehr schönen Satz über Gläubigkeit und Gläubige: "Mir sind Hände, die helfen, lieber als Hände, die beten."

    Meine reichhaltigen Erfahrungen mit Amtskirchen sind eindeutig. Es bedarf keiner Institutionen, die Unsummen an Geld verschlingen. Was das bringt, hat erst kürzlich einer der Oberhirten des Caritas hier dargeboten.

    Das Wenige, was von Amtskirchen in mildtätige und soziale Aufgaben fließt, kann von vielen anderen Institutionen locker übernommen werden.

    Und gläubige Einzelpersonen sind meines Erachtens nicht damit überfordert, in Zeiten von Covid19 einen angemessenen räumlichen Rahmen für die innere Einkehr zu schaffen.

    Nach Aufhebung der gegenwärtig restriktiven Regeln dürfen sie dann um so festeren Glaubens in die von ihnen geliebten Gemäuer zurück.

    Als großer Fan von Blaise Pascal schaffe ich es spielend, in den eigenen vier Wänden innere Einkehr zu betreiben. Das dürfte auch Anderen gelingen.

  • Man fragt sich doch sehr, was das für Christen sind, die so umbedingt gegen das Gebot der Nächstenliebe verstoßen wollen. Man fragt sich auch, wie stark ein Glaune wohl sein kann, der nicht mal einige Zeit ohne das physische Erlrben des Gottesdienstes auskommen kann.



    Man kann sich natürlich auch fragen, wo hier eigentlich die Verletzung der Religionsfreiheit ist. Dann kann man sich aber natürlich gleich auch fragen, wo bei Demonstrationsverboten die Verletzung politischer Rechte ist. Dieses Grundrecht dürfte hier ja mehr Leser interessieren, nur ist die Frage dieselbe. In beiden Fällen werden doch die Rechte im Kern überhaupt nicht verletzt und in beiden Fällen sollte eigentlich schon ein normales Verantwortungsbewußtsein dazu führen, das man vorrübergehend verzichtet.

    • 0G
      06360 (Profil gelöscht)
      @Benedikt Bräutigam:

      Volle Zustimmung, frohe Ostern!

  • Und ich dachte schon, es ginge um "Opium für´s Volk".