Geplantes TV-Duell Habeck gegen Weidel: Sockenschuss par exellence
Die Fernsehsender wollen Robert Habeck nicht ins Kanzlerduell mit Scholz und Merz lassen – er soll gegen Weidel antreten. Die Grünen finden das ungerecht.
E in Duell ist per Definition ein freiwilliger Zweikampf, der früher gerne mal mit Waffen auf Leben und Tod ausgefochten wurde. Heute erfolgt er eher verbal. Im Fernsehen findet das mit schöner Regelmäßigkeit vor Präsidentschafts- oder anderen Wahlen statt, seit sich 1960 John F. Kennedy und Richard Nixon ums Weiße Haus balgten.
Nun ist das „Und es werden immer mehr“-Parteienland Deutschland für Duelle ein schwieriges Terrain. Weshalb schon bei der letzten Bundestagswahl im September 2021 das „Triell“ erfunden wurde. Doch der dreimalige Schlagabtausch zwischen Armin Laschet (CDU), Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) geriet nur so mäßig. Am Ende war ausgerechnet Runde drei bei ProSiebenSat.1 noch die spannendste.
Schluss damit, dürften sie sich also in den obersten Sendeleitungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie bei RTL gedacht haben. 2025 sollen (Stand: Redaktionsschluss) nur Amtsinhaber Scholz und sein wichtigster Herausforderer Friedrich Merz (CDU) in den televisionären Clinch gehen. Am 9. Februar gemeinsam bei ARD und ZDF, und eine Woche später dann auf RTL beziehungsweise ntv.
Für Robert Habeck, den die Grünen dieses Mal dann doch zum Kanzler in spe ausriefen, haben ARD und ZDF einen Sockenschuss par excellence vorgesehen: Er ist für ein eigenes Duell mit AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel angefragt. Darauf musste erst mal kommen, ein „freiwilliger Zweikampf“ sieht jedenfalls anders aus.
Grüne zu Recht verärgert
Die Aufregung bei den Grünen ist entsprechend groß und nicht unberechtigt. In allen Umfragen rangiert die AfD mal knapp, mal knapper vor der SPD. Und die Grünen sollen die Kohlen aus dem Feuer holen? Sie fordern ein „Triell“ wie bei den letzten Bundestagswahlen. Denn nach den heutigen Spielregeln hätte „Scholz sonst auch 2021 nicht teilnehmen dürfen“, wie die grüne Bundesvorsitzende Franziska Brantner mit Verweis auf die Umfragewerte vom Frühjahr und Sommer vor drei Jahren meinte, als die SPD teilweise weit hinter ihrer Partei lag. Das ist allerdings auch Kappes, denn ab Juni holte die SPD damals deutlich auf.
Aber so was passiert, wenn das Märchen von den beiden großen Volksparteien auf die „abgestufte Chancengleichheit“ trifft. Das Prinzip war 1962 auf Betreiben der FDP vom Bundesverfassungsgericht erfunden worden, um den Umgang der Öffentlich-Rechtlichen mit Parteien vor Wahlen zu regeln. Der Grundsatz ist typisch Radio Eriwan – alle Parteien sind im Prinzip gleich, aber abgestuft.
Gemäß ihrer Bedeutung, ermittelt durch die letzten vergleichbaren Wahl- und aktuelle Umfrageergebnisse, finden sich die Parteien in verschiedenen Körben wieder. Daneben spielen Kriterien eine Rolle, wie lange es eine Partei schon gibt, wie regelmäßig sie sich zur Wahl stellt usw. Alle in einer Kategorie eingestuften Parteien müssen vergleichbar behandelt werden. Zwischen den Kategorien ist dagegen die berühmte Abstufung zulässig.
2002 schaffte es die FDP deshalb nicht, Guido Westerwelle als dritten Mann ins heute legendäre (und erste echte) Kanzlerduell zwischen Edmund Stoiber (CSU) und Gerhard Schröder (SPD) zu klagen. Bei den Europawahlen in diesem Jahr war dagegen das BSW erfolgreich, sich abgestuft-chancengleich Zutritt zur ARD-„Wahlarena“ vor den Europawahlen im Juni zu ertrotzen. Obwohl es nach Senderwillen eigentlich draußen bleiben sollte. Denn weil die vergleichbar starken Linken und die FDP eingeladen waren, durfte auch Sahra Wagenknecht ran, urteilte das Oberverwaltungsgericht NRW.
Wo bleiben Sahra W. und Christian L.?
Den Grünen dürfte die abgestufte Chancengleichheit in der aktuellen K-Duell-Frage allerdings nicht helfen. Sondern höchstens für die nächste lustige Konstellation sorgen, wenn sich auch noch Sahra W. mit dem zum FDP-Spitzenkandidaten gekürten Christian L. duelliert. Ob sich dann die Linke mopst?
Womit über die Sinnhaftigkeit von unterkomplexen TV-Duellen in einer komplizierten Welt noch kein einziges Wort verloren wäre. Der eigentliche Skandal ist aber: RTL will für sein Kanzlerduell Günther Jauch als Moderator reaktivieren!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“