Geplanter Protest im Hambacher Forst: Polizei Aachen untersagt Großdemo
Die Polizei hat eine Demo gegen die Rodung des Hambacher Forstes wegen Sicherheitsbedenken verboten. Die Anmelder wollen das nicht hinnehmen.

Gefahr für die öffentliche Sicherheit? Demo gegen die Rodung Ende September Foto: dpa
KERPEN/AACHEN dpa | Die Aachener Polizei hat die für Samstag geplante Demonstration von Umweltschützern am Hambacher Forst verboten. Zu der Demonstration gegen die Rodung und den anschließenden Kohleabbau waren bis zu 20.000 Menschen erwartet worden. „Die örtlich zuständigen Sicherheitsbehörden sehen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit“, hieß es zur Begründung am Donnerstagabend. Gegen die Entscheidung kann der Anmelder der Demonstration „Wald retten! Kohle stoppen!“ beim Verwaltungsgericht vorgehen.
Der BUND kündigte noch am Abend an, er werde gerichtlich gegen das Verbot vorgehen. „Wir werden uns gegen diese empörende Einschränkung unseres Demonstrationsrechtes wehren“, sagte der Sprecher der Umweltschutzorganisation, Dirk Jansen. „Hier geht es darum, den friedlichen und gewaltlosen Protest auszubremsen.“ Es werde ein Eilantrag am Verwaltungsgericht Aachen und am Bundesverfassungsgericht gestellt. „Wir sind sicher, dass am Samstag viele viele Tausende Menschen friedlich demonstrieren werden. Es macht sich schon eine ganze Karawane auf in Richtung Hambacher Wald“, sagte Jansen.
Zur Begründung des Verbots teilte die Polizei mit, die Versammlungsfläche habe sich in den vergangenen Tagen immer wieder geändert, weil sich keiner der privaten Grundstückseigentümer bereit erklärte, eine Fläche zur Verfügung zu stellen. „Damit konnte auch die erforderliche Sicherheitskonzeption nicht zeitgerecht erstellt werden“, so die Polizei weiter.
Für die geplante Protestkundgebung von Umweltverbänden gegen die Rodungen und den anschließenden Braunkohleabbau wollten weder der Energiekonzern RWE, der Eigentümer der Waldflächen ist, noch lokale Landwirte Flächen zur Verfügung stellen, sagte BUND-Sprecher Dirk Jansen.
„Undemokratische Schikane“
Die Grünen griffen RWE an. „Rund um den Hambacher Wald gibt es riesige Flächen, auf denen jede noch so große Demonstration stattfinden kann. Doch alle diese Flächen gehören RWE“, erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Oliver Krischer. „Es ist ein Hohn, wenn RWE Chef Rolf-Martin Schmitz friedlichen Protest gegen die Braunkohle ausdrücklich gutheißt, diesen dann aber im konkreten verhindert.“
Auch die Linke im Bundestag kritisierte die Entscheidung der Aachener Polizei. „Das Demonstrationsverbot ist eine undemokratische Schikane der Polizei Aachen, die Gründe sind vorgeschoben und werden einer richterlichen Prüfung nicht stand halten“, sagte Lorenz Gösta Beutin, Energie- und Klimapolitiker der Linken im Bundestag.
Nach einem Brandanschlag auf eine Düsseldorfer Kranfirma und einem Brand bei einem Maschinen-Verleiher hat der Staatsschutz Ermittlungen aufgenommen. Es werde eine mögliche Verbindung zum Streit um den Hambacher Forst geprüft. Die Firma hatte nach eigenen Angaben in den vergangenen Tagen für die Räumarbeiten im Hambacher Forst Maschinen bereitgestellt. Die „Bild“ hatte zuvor berichtet.
Rodungsbeginn weiter unklar
In einem anderen Fall hatte bereits ein Maschinen-Verleiher, der etwa Beleuchtungstürme für die Arbeiten im Hambacher Forst geliefert hatte, nach einem Brand in seiner Niederlassung in Willich seine Geräte zurückgezogen. Nach der Räumung des letzten Baumhauses hat die Polizei nach eigenen Angaben die Einsatzkräfte in dem Waldstück am Braunkohletagebau stark zurückgefahren. Die verbliebenen Polizisten würden zum Schutz des RWE-Personals eingesetzt. Der Forst wird laut RWE mit einem Graben sowie Seil und Flatterband umfriedet.
RWE teilte nicht mit, wann das Unternehmen mit den Rodungen beginnen wollte. Der Konzern hatte wegen einer noch ausstehenden Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster eine Stillhaltezusage bis zum 14. Oktober abgegeben. Für jenen Tag war die Großdemonstration ursprünglich geplant.
Leser*innenkommentare
DiMa
Weshalb sollte der Eigentümer eines Geländes eine Demonstration genehmigen müssen. Es gibt genug öffentliche Flächen.
hendrik flöting
Mir geht das schon lange auf den Keks, daß jede Demo egal von welcher Gruppierung, von einer Mauer aus Polizisten umgeben ist. Das ist kein Sicherheitskonzept sondern Gängelei. Wenn Redefreiheit in der Gruppe tatsächlich Polizeischutz bräuchte, was stimmt dann nicht?
Wagenbär
Scheint so, dass sich Hambi zu einem Brockdorf 2.0 entwickelt.
Seinerzeit wurde auch eine angemeldete Großdemo von der Polizei verboten.
Die Polizei lief dann in großen Teilen geradezu Amok, verfolgte Demonstranten mit Hubschraubern, Polizeibeamte knüppelten Demonstranten krankenhausreif, verwandelte die ganze Region um Brockdorf in eine menschenrechtsfreie Polizeistaaatszone.
Nachträglich versuchte die Polizei ihre von Anfang an rechtswidrigen Handlungen mit den Folgen derselben zu begründen.
Bekanntlich mündeten die Ergeignisse in der wirklich richtungsweisenden "Brockdorf-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichtes.
Seitdem haben Polizei und Sicherheitsbehörden emsig daran gearbeitet, Methoden zu finden, um die Brokdorf-Entscheidung zu umgehen und unerwünschten Bürgerprotest weiterhin mit Polizeigewalt zu unterbinden.
Die Ereignisse um den Hambi sind ein anschauliches Beispiel dafür.
Wolfgang Leiberg
@Wagenbär Ein passender Hinweis. Langsam kehren auch meine Erinnerungen an Brokdorf wieder zurück.
Möge den vor Ort weilenden Demonstranten das gleiche Schicksal erspart bleiben. Ansicht der begrenzten Lernwilligkeit deutscher Staatsgewalt darf dies bezweifelt werden.
danny schneider
Die örtlich zuständigen Sicherheitsbehörden sehen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit,... Sicherheitskonzeption,...
wie man sich doch hinter Sprache verstecken kann. Sagt doch wie es ist: Ansage der Landesregierung ist, Keine Großdemos mehr zulassen!
einfach nur Feige
Wolfgang Leiberg
Gerne vertrete ich hier die Meinung, dass es gut ist, wenn ein System auf solche Mittel zurückgreift.
Damit zeigt es indirekt die Wirksamkeit des Protestes. Aktivisten und Demonstranten werden mit ihren Anliegen ernst genommen.
Damit ist etwas Wichtiges erreicht: öffentliche Aufmerksamkeit. Dass die Rodung des Waldes zu verhindern ist, glaubt doch wohl niemand ernsthaft - bei einem derart asymetrischen Kräfteverhältnis?
danny schneider
@Wolfgang Leiberg das nur existiert weil sich der Bürger in Uniform einmal mehr zum dumpfen Erfüllungsgehilfen macht
miri
Für das Klavier im Foto ist der Regen aber gar nicht gut!! Irgendwie macht mich das ganz kribbelig... Ich muss wohl hingehen und ein Baldachin für das Klavier tragen helfen... sonst wird es ganz verstimmt und verzogen.
Wolfgang Leiberg
@miri Nur zu, tun Sie sich keinen Zwang an. Alles erhalten, was erhaltenswert ist. Ob Bäume oder Klaviere.
RPH
@Wolfgang Leiberg Mit deiner Antwort lässt du Miri im Regen stehen. :) Miri würde von mir keinen Schirm bekommen
Renate
"umfriedet" (in "Der Forst wird laut RWE mit einem Graben sowie Seil und Flatterband umfriedet.) ist ein schönes aber hier unpassendes Wort. Es geht hier einzig darum, rechtliche Voraussetzungen zu schaffen um das bloße Betreten des Waldes (durch Klimaaktivisten) zu kriminalisieren. Dabei ist die Absperrung selbst gegen das Gesetz: Wälder dürfen nur zum Schutz des Waldes abgesperrt werden (vgl. Bundeswaldgesetz Paragraf 14 und NRW Fortgesetzt Paragraf 4. Wie haben die RWE-Tyrannen es wohl bloß wieder geschafft, ihre Rodung als Waldschutz anerkannt zu kriegen?
Die unsäglichen Vorgänge müssen möglichst publik gemacht werden. Vor 2 Wochen habe ich einen Brief an die New York Times geschrieben und gebeten über den Gegensatz (oder, eher, den Zusammenhang) zwischen dem exzessiven Polizeieinsatz im Hambacher Wald und der Duldung von Naziaufmärschen in Deutschland zu berichten. Am 3. Oktober erschien dieser Artikel:
www.nytimes.com/20...38;pgtype=Homepage
Alles an die große Glocke! Keine Ruhe geben! Morgen sehen wir uns alle bei der Demo im Hambacher Wald!!
Hulle
@Renate Vielen Dank, sehr guter Artikel in NY Times
W M
Die "Sicherheitsbedenken" sind genauso ein Vorwand wie der "Brandschutz" zur Baumhausentsorgung. Wie war das noch mit der Versammlungsfreiheit ?