Gepard-Panzer für die Ukraine: Hilfreich in den Ebenen des Donbass
Der Flugabwehrpanzer war mal das Neidobjekt der Natostaaten. Dann sortierte ihn die Bundeswehr aus – der Ukraine kann er aber von Nutzen sein.
Im Kalten Krieg war der Gepard ein Prunkstück der Bundeswehr. Denn er schützte deren zentralen Bestandteil: die Streitmacht aus seinerzeit 2.000 Leopard-Panzern, die eine Sowjet-Invasion verzögern sollte, bis die USA einträfen. Heute ist bei der Bundeswehr kein Gepard mehr im Einsatz. Mit der kolportierten Ankündigung, 30 dieser Panzer an die Ukraine zu liefern, sind sie plötzlich aber wieder Thema.
Der Gepard ist darauf ausgelegt, Panzerverbände zu begleiten und diese vor Luftangriffen abzuschirmen, indem er Attacken von Hubschraubern und Kampfflugzeugen zerschlägt. Dieses Kampfszenario steht den Ukrainern nun in den Weiten des Donbass gegen die russische Armee bevor. Dafür verfügt der Gepard über eine Zwillings-Maschinenkanone, die in hoher Kadenz verschiedene Munitionsarten verschießen kann. Die Nato-Partner beneideten die Deutschen um den kampfstarken Kettenpanzer, der in den 1970er Jahren in die Bundeswehr kam.
Wegen ihrer Bedeutung für die Bundeswehr war die Flugabwehr eine eigene Truppengattung, wie Infanterie oder Artillerie. Die deutschen Streitkräfte stellten üppige 14 Flugabwehrregimenter beim Heer mit Geparden auf. Noch 1990 verfügte die Bundeswehr über 432 dieser Panzer. Die Heeresflugabwehr wurde in den folgenden Jahrzehnten jedoch massiv verkleinert. Zur Hochphase der asymmetrischen Konflikte wie in Afghanistan glaubten Politik und Militärführung, auf eine leistungsstarke Flugabwehr verzichten zu können. Der Gepard verschwand aus dem Inventar. Die Heeresflugabwehr wurde 2012 sogar ganz aufgelöst. Die Verteidigung der eigenen Bodentruppen gegen Luftangriffe ging als Nebenaufgabe an die Luftwaffe.
Schon zwei Jahre später mit der Krim-Annexion und der Rückkehr eines möglichen Großkampfs gegen eine Hauptmilitärmacht wie Russland erwies sich das De-facto-Abschaffen der Flugabwehr als schwerer Missgriff. Bis heute steht ein Wiederaufbau in der Bundeswehr aus. Bei der Luftwaffe fristet die mobile Flugabwehr ein Schattendasein, mit kümmerlichen 19 Systemen „Ozelot“. Das sind Minikettenfahrzeuge vom Typ „Wiesel“ mit der Flugabwehrrakete Stinger.
Schon in den 2000ern wurde in Rumänien ausgebildet
Ein Kontingent von 43 Geparden gab die Bundeswehr bereits in den frühen 2000er Jahren an Rumänien ab und bildete dort die ersten Besatzungen aus. Dabei ging es nicht nur um die Mannschaften, sondern vor allem auch um die Mechaniker. Die gesamte Ausbildung wurde in neun Monaten abgewickelt, erfuhr die taz von Wolfgang Sommer, der als Oberstabsfeldwebel damals die Ausbildung für die Rumänen plante und leitete. Die rumänischen Streitkräfte bilden mit ihren Geparden inzwischen zwei Flugabwehrbataillone. Diese sind seit Jahren ein wichtiges Element für die Flugabwehr bei den Nato-Gefechtsverbänden, welche die sogenannte Vorwärtspräsenz im Baltikum bilden.
Der Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann (KMW) wiederum verkaufte einige Geparden an Katar und Brasilien. Beide Länder setzen das System ein, um Veranstaltungen in urbanen Räumen, wie die Fußballweltmeisterschaft, vor möglichen Attacken mit Drohnen zu schützen.
Der Schutz vor unbemannten Flugkörpern ist der neue Fixpunkt für die mobile Flugabwehr im Nahbereich. Hier ist die Bundeswehr nahezu völlig blank, gerade gegen Minidrohnen. Im kommenden Jahr übernimmt Deutschland die Führung des Haupteinsatzverbandes der Nato – bekannt unter seinem englischen Akronym VJTF. Um hier Kleinstdrohnen abwehren zu können, schafft sich die Bundeswehr ein Notbehelf. Es werden ein paar Radpanzer Boxer mit Gra-natmaschinenwaffen gerüstet, um Kleinstdrohnen zerschießen zu können. Heeresinspekteur Alfons Mais bekannte jedoch, dass die Flugabwehr zur VJTF 2023 nur in „abgestufter Qualität“ erreicht werde.
In den Planungen für die Schließung der Fähigkeitslücke wurde eine Reaktivierung der Geparden durch die Bundeswehr geprüft, dann aber verworfen. So berichtet es Markus Richter im Gespräch mit der taz. Richter ist als Ex-Ausbilder am Gepard Spezialist für Flugabwehr. Bekannt ist er als „Gepardtatze“ auf Twitter, wo er Flugabwehr-Themen analysiert. Schwachpunkte seien die fehlende Vernetzung sowie der Neuaufbau der Ersatzteillogistik und damit verbundene hohe Kosten gewesen. Durch die Auflösung der Heeresflugabwehr hatte die Bundeswehr zudem für eine rasche Erosion des Personals mit Fachwissen zum Gepard gesorgt.
Mindestens ein Bataillon für die Ukraine
Die Gepard-Nachfolge zu beschaffen und entsprechende Einheiten aufzustellen soll über zwei Projekte bis 2032 umgesetzt werden. Ob das Sondervermögen – wenn verabschiedet – hier beschleunigt, muss sich noch zeigen. Das erste Projekt hat den Fokus auf die Abwehr von Kampfjets, Hubschraubern und großen Drohnen. Laut Luftwaffen-Planung ist hierfür der Lenkflugkörper IRIS-T basierend, der als Luft-Luft-Variante bereits in der Bundeswehr eingeführt ist. Zu den Trägerfahrzeugen wird noch keine Aussage getroffen.
Markus Richter, ehemaliger Ausbilder
Über das zweite Projekt soll zudem die Abwehr kleiner Drohnen und indirekten Feuers wie durch Raketen und Mörsergeschosse umgesetzt werden. Zu dortigen Systemen hält sich die Luftwaffe noch bedeckt. Da es hier um die Bekämpfung massenhafter Kleinziele geht, ist klar, dass hier wieder eine Kanonenlösung ansteht, die mit hoher Kadenz Splittermunition in die Luft pumpen kann. Der Rüstungskonzern Rheinmetall lobbyiert hier seit Langem für seinen „Skyranger“ – einen neuen Flugabwehrpanzer mit Revolverkanone.
Mit 30 Geparden könnten die Ukrainer mindestens ein Bataillon aufstellen, so Flugabwehr-Experte Richter. Die Depot-Geparden für die Ukraine muss KMW erst aufbereiten, außerdem muss der Konzern ein Wartungspaket aus Spezialwerkzeug für die Instandsetzung zusammenstellen. Auch die Ausbildung wird die Industrie übernehmen. Die Bundeswehr hat diese Kompetenz nicht mehr, machte Generalinspekteur Eberhard Zorn im Podcast „Aus Regierungskreisen“ deutlich.
Das Problem mit der Munition
Die Ukraine steht vor einem Dilemma: Auf der einen Seite muss sie Waffen rasch zum Einsatz bringen, auf der anderen Seite senkt eine hastige Einführung deren Einsatzwert. „Bei motivierten Flugabwehr-Soldaten der Ukraine, die schon über ihr Gerät die Einsatzgrundsätze beherrschen, ist eine Ausbildung von sechs bis acht Wochen machbar“, sagt Richter. Ob die Industrie auf der technischen Seite mithalten kann, ist fraglich. Der Teufel liegt im Detail. So ist die Eingabemaske am Bedienpult der Geparden, die für die Ukrainer vorgesehen sind, auf Deutsch. Wie für Katar oder andere Kunden muss diese von KMW erst angepasst werden. „Je nachdem, wie gut Ausbildung und technische Bereitstellung ablaufen, dürfte es bis zur Einsatzbereitschaft zwischen zwei und fünf Monate dauern, meint Gepard-Fachmann Richter.
Ein weiteres Problem ist der Aufbau einer belastbaren Munitionslogistik für die Ukraine-Geparden. Hier hat KMW noch keine Lösung. Der Versuch einer raschen Ausstattung über die Schweiz scheiterte. Dort ist der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall mit seiner Tochter RWM Schweiz AG ein wesentlicher Produzent der entsprechenden 35-Millimeter-Munition. Doch Bern verweigert die Lieferung oder Weitergabe von Munition in das Kriegsgebiet Ukraine mit Verweis auf die Neutralität der Schweiz.
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