Generationswechsel im Dong-Xuan-Center: Nachfolger schlägt neue Töne an
Vor 20 Jahren öffnete Deutschlands größter Asiamarkt in Lichtenberg. Eine Nachfolge steht an. Versprochen wird ein Ende der Geheimniskrämerei.
Das Dong-Xuan-Center feiert nächsten Monat seinen 20. Geburtstag. Es entstand als ein Markt, wo vietnamesische, indische, pakistanische und andere asiatische Händler im Großhandel Textilien, Lebensmittel und Geschenkartikel an die vielen Einzelhändler aus ihren Communitys verkaufen konnten. Solche Großmärkte gab es damals mehrere in Berlin, doch das Dong-Xuan-Center hat sie mit einer Ausnahme alle wegkonkurriert. Aus anfangs drei Gewerbehallen mit je 6 000 Quadratmetern sind sechs geworden. Dazu kommen Lagerhallen, ein Büro und ein Kulturhaus.
Das Warensortiment hat sich in den letzten 20 Jahren stetig verändert. Rund um den Handel haben sich Steuerberater, Dolmetscher, Fotostudios und ein Rechtsanwalt angesiedelt. Auch die Nationalität der rund 400 Mieter ist diverser geworden. Türkische Händler feiern auf den Gängen den Einzug ihrer Nationalmannschaft ins EM-Achtelfinale. Es gibt zudem deutsche, arabische und lateinamerikanische Händler.
„Viele Händler der ersten Stunde gehen langsam in den Ruhestand und geben ihr Unternehmen an Verwandte ab“, erläutert Dong Thanh Nguyen. Ein Generationswechsel findet statt. Während die Angehörigen der Gründergeneration in den 1990er Jahren aus der Not heraus den Weg in die Selbstständigkeit gingen, oft schlecht deutsch sprachen und es mit den Rechtsvorschriften nicht so genau nahmen, ist die neue Generation in Deutschland oft ausgebildet und hat selten Sprachhürden.
Mit Geburtshilfe der vietnamesischen Botschaft
Für den Generationswechsel stehen symptomatisch Dong Thanh Nguyen selbst und sein Schwiegervater, der nach wie vor das Sagen hat, aber Verantwortung abgibt: Der Schwiegervater führt das Dong-Xuan-Center wie ein vietnamesisches Staatsunternehmen. Er ließ sich kürzlich zum Vorsitzenden des Bundesverbands der Vietnamesen wählen – eines Vereins, der nur mit Geburtshilfe der vietnamesischen Botschaft zustande kam und Leute versammelt, die dem vietnamesischen Staat treu ergeben sind. 2015 wurde Hien für seine besonderen Verdienste „um die innere Sicherheit Vietnams“ ausgezeichnet. Medienanfragen, wofür genau er die Auszeichnung bekam, ließ er unbeantwortet.
Während Hien in gesteuerten vietnamesischen Staatsmedien als erfolgreicher Unternehmer im Ausland omnipotent ist, scheut er deutsche Medien wie der Teufel das Weihwasser. Presseanfragen werden nicht beantwortet, Journalisten und Fotografen, die mit Mietern sprechen wollen, von der Security aus dem Markt eskortiert, Drehgenehmigungen für TV-Sender werden verwehrt. Mit Pressefreiheit kann er nicht umgehen.
Das soll anders werden, verspricht sein Schwiegersohn, der vergangene Woche zu einem Pressegespräch eingeladen hatte, dem erst zweiten in der zwanzigjährigen Firmengeschichte. „Medien dürfen gern bei uns recherchieren.“
„Song O Berlin“ (Leben in Berlin) heißt ein Festival, das ab 25. Juli, zum Geburtstag des Centers, Künstler aus der zweiten Generation vietnamesischer Zuwanderer präsentiert. Es gibt Konzerte mit Vinh Khuat, der es in die deutsche Vorauswahl des ESC geschafft hatte, mit Musikern aus Vietnam und Deutschland, Artistik, Film und Comedy.
Kuratorin Mai Le, selbst Tochter einer vietnamesischen Familie, will mit dem Festival vietdeutsche Künstler, die sonst eher an kleineren Orten eine Bühne bekämen, für vier Tage auf einer großen Bühne zusammenführen. Sie ist optimistisch, dass das Publikum kommt: Letztes Jahr seien zu einem Konzertabend im Dong-Xuan-Center immerhin 3.500 Gäste gekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien