Generalbundesanwalt und NSA: Kein Verfahren wegen Spähaffäre
Generalbundesanwalt Harald Range sagt die Spionage-Ermittlungen gegen die NSA ab. Eine Totalblamage, findet die Opposition.
BERLIN taz/dpa | Monatelang liefen die Vorprüfungen bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe – nun hat Behördenchef Harald Range laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung entschieden: Weder wegen des vermuteten massenhaften Abhörens deutscher Staatsbürger noch wegen der jahrelangen Überwachung eines Handys von Bundeskanzlerin Angela Merkel durch amerikanische Geheimdienste will der Generalbundesanwalt ein förmliches Ermittlungsverfahren einleiten.
Die Begründung: Es gebe keine Möglichkeiten, an belastbares Material über die Aktivitäten der amerikanischen NSA und des britischen GCHQ zu kommen, schreibt die Süddeutsche unter Berufung auf Kreise der Bundesanwaltschaft. Die Suche nach Originaldokumenten sei ebenso erfolglos verlaufen wie jene nach Zeugen. Ein Ermittlungsverfahren hätte deshalb nur symbolischen Charakter gehabt.
Die Bundesregierung hatte der Karlsruher Behörde laut SZ freie Hand gegeben. So hätten Justizminister Heiko Maas (SPD) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sich darauf verständigt, Ermittlungen dürften nicht aus außenpolitischen Gründen gestoppt werden.
Die rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Katja Keul, forderte die Bundesregierung auf, diese Entscheidung nicht hinzunehmen. "Ein Rechtsstaat darf nicht mit zweierlei Maß messen", sagte sie. Deshalb sei jetzt Justizminister Maas gefordert - der sei gegenüber dem Generalbundesanwalt schließlich weisungsbefugt. "Eine schwierige Beweislage ist kein Grund, mit den Ermittlungen gar nicht erst zu beginnen", kritisierte Keul. Und der Whistleblower Edward Snowden sei als Zeuge nicht einmal angehört worden.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele nannte die Entscheidung im Deutschlandradio „völlig unverständlich“. Schließlich wisse „die ganze Welt“, dass Merkels Handy abgehört worden sei. Deshalb mache sich der Generalbundesanwalt „lächerlich“. Keiner bezweifele die Echtheit der NSA-Urkunde, auf der die Telefonnummer von Merkels Handy aufgeführt war. Wie könne Range da behaupten, es gebe keinen Anfangsverdacht?
In einer ersten Stellungnahme teilte der Generalbundesanwalt mit, die abschließende Entscheidung werde bald offiziell bekannt gegeben. Dann würden auch die Gründe dargelegt. Bislang hätten einer abschließenden Bewertung der Vorgänge noch einige offene Anfragen und Abklärungen entgegengestanden. Dazu gehörte auch die Frage, ob die Große Koalition einer Befragung von Ex- NSA-Mitarbeiter Edward Snowden in Berlin zustimmen würde. Die Regierung hatte das Anfang Mai abgelehnt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen