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Gendersprache in Baden-WürttembergTwitter-Streit ums *

Gender in der Sprache ist mittlerweile weit verbreitet. In Baden-Württemberg aber nicht. Da sorgt ein Sternchen für echten Zoff.

Stern ja oder nein? In Baden-Württemberg sind sie sich nicht einig Foto: claudiarndt/photocase

Berlin taz | Früher in der DDR gab es Lehrer, Erzieher, Kassierer. Die meisten dieser Berufe wurden hauptsächlich von Frauen ausgeübt. Trotzdem wurde in der Regel das generische Maskulinum verwendet, wenn man über sie sprach. Sie waren also keine Lehrerinnen, Erzieherinnen und Kassiererinnen. Und auch heute wehren sich noch immer einige (ältere) Ostfrauen dagegen, sich als Sängerin, Kranführerin oder Apothekerin zu bezeichnen.

Diese Ostfrauen sind ein guter Beleg dafür, wie hartnäckig sich Geschlechterstereotype halten, nur weil die Sprache männlich geprägt ist. Das finden wir heute alles blöd. Ist es auch. Eine Ingenieurin ist eine Ingenieurin ist eine Ingenieurin. Und eine Aufsichtsrätin ist nun mal eine Frau und damit kein Aufsichtsrat. Letzteres ist ein Mann.

In den meisten Fällen jedenfalls. Das sogenannte Gendern in der Sprache ist mittlerweile allgemeiner Konsens. Die Bundesregierung benennt auf ihrer Homepage „15 Ministerinnen und Minister“, das Bundeskriminalamt sucht gerade etliche „IT-Sachbearbeiter/innen“.

Nur in Baden-Württemberg scheint das alles nicht angekommen zu sein. Besser gesagt bei der dortigen CDU. Da will die Landesregierung für mehr Demokratie sorgen und twittert am Mittwoch so zuversichtliche Dinge wie: „Wir Baden-Württemberger*innen müssen mit Neugier, Entdeckerfreude, Mut und Zuversicht in die Zukunft gehen.“ „Die Wähler*innen haben uns den Auftrag gegeben, einen neuen Weg zu gehen.“ Findet die CDU gar nicht lustig und sendet einen Antwort-Tweet: „Lassen Sie bitte die Genderschreibweise in Landesregierungs-Tweets!“

Nun ist Baden-Württemberg ein Bundesland, in dem manches anders ist. Zum Beispiel die Sprache. Die Leute dort sagen „sodele“, wenn sie mit irgendwas fertig sind. Oder „Du koscht mi mol am Zipfla lecke.“ Was so viel heißt wie: „Leck mich am Arsch.“ Manchmal versteht man sie gar nicht: „I kei di glei mitsamt deim Kretta de Kär nab.“ Es wird kolportiert, dass in Baden-Württemberg alle gern „Häusle baue“ und eine gute Verdauung haben, weil sie alle „Seidebachr-Müsli esse“. Von verstärktem Gedächtnisschwund vor allem bei Christdemokraten war bislang noch nicht so viel zu hören. Hat die CDU vergessen, dass sie neuerdings mit den Grünen regiert?

Sprache ist ein offenes System

Zur Erinnerung: Die Grünen, das ist die Partei mit den Frau-Mann-Doppelspitzen, mit PolitikerInnen, die sich schon in einer Zeit als schwul oder lesbisch geoutet hatten, als es Homosexuelle nirgendwo leicht hatten. Die seit Jahrzehnten gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit fordern und Frauen durch die gläserne Decke schieben wollen. Und die ihre Sprache gendern. Anfangs mit dem Binnen-I, einst sprachen die Grünen gern BürgerInnen an.

Aber Sprache ist ein offenes System und entwickelt sich weiter. Dazu sind die Grünen – zumindest sprachlich – auch in der Lage. Die Grünen in Baden-Württemberg jedenfalls wollen offen sein für alle Wähler*innen, also nicht nur für Frauen und Männer, sondern auch für Lesben, Schwule und transidente Menschen. Letztere fühlten sich nämlich durch das Binnen-I, das manche an einen erigierten Penis erinnert, nicht angesprochen. Mit dem Sternchen fühlen sich die meisten mitgemeint.

Liebe CDU in Baden-Württemberg, seid doch froh, dass die Twitterer in Eurer Landesregierung nur das * verwenden. Was würdet Ihr wohl sagen, würden sie Euch mit Christdemokrat_innen anschreiben? Oder als Christdemokrat@innen, Christdemokrat(innen)en? Und seid noch froher, dass Lann Hornscheidt von der Sprach-und Gendertheorie der Berliner Humboldt-Uni noch nicht auf Eure Anti-Gender-Tweets reagiert hat. Dann müsstet Ihr Euch nämlich Christdemokratx nennen. Das x, so die Hornscheidt-Vorgabe, vermeidet die Reduktion auf die ausgrenzende Zweigeschlechtigkeit.

Und das hier noch als Tipp: Schaut einfach mal in eine der unzähligen Studien, die SprachwissenschaftlerInnen mit Kindern durchgeführt haben. Kleine Kinder denken und reden ja so vor sich hin, von Gendern und Geschlechterdemokratie haben sie in der Regel noch nicht so viel gehört. Aber sie können klar zwischen einem Bauarbeiter und einer Bauarbeiterin unterscheiden. Wenn sie Texte vorgelesen bekommen, in denen immer nur der Bauer die Hühner füttert, glauben sie, dass es auf Höfen nur Männer und keine Frauen gibt. So festigt man Geschlechterstereotype. Und das wollt Ihr doch nicht, oder?

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14 Kommentare

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  • Zumindest streiten sie sich nicht über was wichtiges.

  • "Wenn sie Texte vorgelesen bekommen, in denen immer nur der Bauer die Hühner füttert, glauben sie, dass es auf Höfen nur Männer und keine Frauen gibt."

     

    Eben nicht, das sog. "generische Maskulinum" bezieht eben alle Geschlechter mit ein.

     

    Dazu kommt, dass das grammatische Geschlecht absolut nichts mit dem realen Geschlecht zu tun hat. "Bäcker" ist zunächst einmal nur eine Bezeichnung für eine Person beliebigen Geschlechts, aber die Bezeichnung hat den grammatischen Genus Maskulinum.

     

    Da kann man sich jedes Mal bei solchen Artikeln und Diskussionen (und Politikern und manchen Sprachforschern) nur an die Köpf*In fassen.

  • Geschlechtersensible Sprache ist eine interessante und eigentlich wichtige Sache. Aber ich frage mich manchmal, ob das generische Maskulinum wirklich ein Problem ist? Warum spricht man diesen "Ostfrauen" und, nebenbei bemerkt, auch jungen westdeutschen politisch links eingestellten Frauen ab (natürlich nicht allen...), dass auch sie durch das generische Maskulinum repräsentiert sind, wenn sie selbst es benutzen? Und was ist eigentlich mit dem Englischen? Gibt es dort keinen Sexismus, nur weil das Wort "teacher" für beide bzw. alle Geschlechter gilt? Ist es nicht in Ordnung, wenn man Ästhetik als eine Kategorie, Sprache zu empfinden, zulässt und daher das Binnen-I, der Asterisk oder der Gender_gap nur in wenigen Gebrauchstexten als nicht-störend empfindet, diese Differenzierungsmöglichkeiten in literarischen Texten als nicht-schön wahrgenommen werden? In gesprochener Rede wird aus dem Binnen-I oder dem Asterisk auch schnell ein generisches Femininum. Da Schrift eigentlich die Repräsentation von Sprache ist, was in erster Linie Gesprochenes meint, kann es daher kaum erstrebenswert sein, dass sich eine solche Gendersprache tatsächlich über das Geschriebene hinaus erstreckt. Ich finde das ok.

    • @Marius:

      "Und auch heute wehren sich noch immer einige (ältere) Ostfrauen dagegen, sich als Sängerin, Kranführerin oder Apothekerin zu bezeichnen."

       

      " Warum spricht man diesen "Ostfrauen"..."

       

      Diese Ostfrauen muss man vermutlich mit der Laterne suchen. Ich habe im Osten nie eine Apothekerin ect. getroffen, die nicht als solche bezeichnet werden wollte. Egal welchen Alters.

       

      In der DDR war es üblich konkrete Personen entsprechend ihres Geschlechts zu bezeichnen. Waren beide Geschlechter gemeint, so wurde (zumindest bei "offiziellen Anlässen") von z.B. Bürgerinnen und Bürgern gesprochen.

    • @Marius:

      Ich staune auch über die feministische Begeisterung für das grammatische Femininum. Immerhin handelt es sich dabei um eine Ableitung von der männlichen Form. "Politiker" ist das Original, "Politikerin" eine Ableitung. Der "Wissenschaftler" ist das Original, die "Wissenschaftlerin" ein Derivat.

       

      Das grammatische Feminimum enthält also die alte Vorstellung von der Frau als dem "sexus sequior, das in jedem Betracht zurückstehende, zweite Geschlecht" (Schopenhauer).

  • "Aber Sprache ist ein offenes System und entwickelt sich weiter."

    Oh fein, dann setze ich meine Hoffnung auf die Zukunft!

  • „Früher in der DDR gab es Lehrer, Erzieher, Kassierer. Die meisten dieser Berufe wurden hauptsächlich von Frauen ausgeübt. Trotzdem wurde in der Regel das generische Maskulinum verwendet, wenn man über sie sprach.“

     

    Wann? 1950? Oder gab es mehre Staaten mit diesem Namen? Wo kommen immer solche Aussagen her?

     

    „Lassen Sie bitte die Genderschreibweise in Landesregierungs-Tweets!“

     

    Die haben sich nur über den albernen * geärgert. Und das dürfen sie auch, weil das keine offizielle Schreibweise ist.

     

    Ich habe mit der CDU wahrlich nichts am Hut, aber wo sie Recht hat, hat sie Recht.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      In der Sprache der DDR bildete sich auch der Wunsch nach Einheit(lichkeit) der Gruppen ab.

      Natürlich gab es Bäuerinnen, aber damit waren dann eben nur Frauen gemeint.

      Im Übrigen war die Frau Professor die Akademikerin und Frau Professorin die verpönte Hausfrau.

      Sprache ist eben auch SozialPolitik und überhaupt keine natürliche Sache. Somit ist * oder I auch nur ein politisches Statement.

      Warum lese ich in der TAZ eigentlich nie von Mörder*innen, Steuerhinterzieher*innen oder Autobahnraser*innen ....

      • @TazTiz:

        "Natürlich gab es Bäuerinnen, aber damit waren dann eben nur Frauen gemeint."

         

        Was sonst? Einhörner?

  • "für alle Wähler*innen, also nicht nur für Frauen und Männer, sondern auch für Lesben, Schwule und transidente Menschen."

     

    Dass hier implizit ein Gegensatz zwischen Männern und Frauen einerseits und Schwulen, Lesben und trans Menschen andererseits suggeriert wird, ist wirklich hochpeinlich.

     

    Die Einzigen, für die der Stern wirklich gedacht ist, sind diejenigen, die sich in das binäre Geschlechtermodell nicht einordnen. Schwule und Lesben sehen sich in aller Regel ebenso eindeutig als Frauen bzw. Männer wie Heterosexuelle auch, es ist also Unsinn, sie hier als vermeintlich erst durch den Stern Inkludierte zu nennen. Und das selbe gilt auch für die meisten trans Menschen, von denen sich die Mehrheit im binären Geschlechtersystem eindeutig einordnet.

    • @Klaus F.:

      Kann man Ihren Beitrag liken?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Dankeschön. Aber "liken" geschieht ja oft durch Anklicken von kleinen Herzchen. Und das ist, wie wir aus anderen Medien wissen, heterosexuellen Männern nicht zuzumuten: zu "schwul".

         

        Aber vielleicht können Sie ja mal per Email in der Redaktion nachfragen, wo die frühere Kompetenz der taz bei Genderthemen abgeblieben ist. Hier vermisse ich sie schmerzlich.

  • Ist denn nun 'LeserInnen' korrekt? Sonst muss ich mit zusammengebissenen Zähnen und zusammengekniffenem Hintern 'Leser und Leserinnen' schreiben. Und sei es nur zur Strafe für alle, die an einem ...Innen aufgeilen wollen...

  • Hier geht es um Sprache. Das heißt: Sie entwickelt sich und das Muster, das gängig und schlüssig erscheint, setzt sich durch. Der Asterisk erscheint mir persönlich nicht so ganz schlüssig, es ist kein Buchstabe, nicht mal ein Satzzeichen. Aus der üblichen Verwendung betrachtet kann man das auch so sehen: Da das Zeichen eigentlich Fußnoten einleitet, wird "-Innen" durch den Asterisken nochmal weiter marginalisiert. Das sollte nicht das Ziel sein. Allerdings sollte auch nicht das Ziel sein, jeden Identitätsentwurf in jedem Text mitbeachten zu müssen, da beliebiger Text sonst irrelevant, weil falsch adressiert, wäre. Die Kritik zielt ja dann nicht auf die Argumentation, die oft abstrakt - also gerade von der Person gelöst geführt wird, sondern erinnert an juridisches Verfahrensordnungsgeplänkel zu Gerichte. Dafür sollte unser täglich Wort uns wirklich zu schade sein. Wer sich angesprochen fühlen soll, ist, wer den Text liest und die Argumentation nachvollziehen kann. Außer in Briefen kann kaum eine Autorin alle Rezipienten vorhersehen. Ich wäre einfach für ein generisches Femininum, das ist nicht sperrig und Menschen, die nur das nötigste persönlich nehmen, können sich angesprochen fühlen. Sich selbst zu behaupten heißt ja auch, Dinge für sich in Anspruch nehmen zu können, auch wenn nicht explizit der eigene Name draufsteht.