Gemeinde verfügt Glyphosat-Verbot: Artland gegen Monsanto

Keine Weltregion, in der kein Glyphosat ausgebracht wird. Doch es gibt Widerstand gegen den omnipräsenten Pflanzenkiller. Mit dabei: Die Samtgemeinde Artland bei Osnabrück.

Immerhin: In der Samtgemeinde Artland werden künftig 60 Hektar glyphosatfrei bleiben, also eine Fläche kleiner als der Maschsee in Hannover (78 Hektar) Foto: Steven Lütke/dpa

OSNABRÜCK TAZ | Eigentlich ist Roundup ja Cowboy-Slang: Zusammentrieb der Herde. Verständlich, dass der US-amerikanische Saatgut-Branchenriese Monsanto daraus den Handelsnamen eines Unkrautvernichters gemacht hat. Der Effekt ist schließlich derselbe: Ernte, Umsatz. Nur eben in Pflanzen, nicht in Tieren.

Der „Roundup“-Wirkstoff Glyphosat ist seit dem EU-Alleingang von Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU), Ende November in Brüssel, eines der Reizworte der Politik. Vorbei an Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte Schmidt der Zulassungsverlängerung der umstrittenen Chemiekeule für weitere fünf Jahre die Tür geöffnet. Aber ob Schmidt Monsanto damit wirklich einen Gefallen getan hat, ist fraglich.

In der Samtgemeinde Artland bei Osnabrück gibt es nämlich jetzt eine glyphosatfreie Zone. Und das hat, sehr direkt, mit Schmidt zu tun. Claus Peter Poppe, Bürgermeister, SPD, sagt: „Der Rat war in Sachen Glyphosat lange gespalten. Wir haben uns da wirklich schwergetan. Aber dann kam die Sache mit Schmidt. Die hat den letzten Ausschlag gegeben, den Wirkstoff bei uns zu verbieten.“ Man habe es richtig gespürt, das Unverständnis: „Viele haben sich gesagt: Wie bitte? Nicht mit uns! Das wollen wir doch mal sehen!“

Die Entscheidung fiel am 7. Dezember: Kein Glyphosat-Einsatz mehr auf den 32 Hektar Acker- und 27 Hektar Grünland, deren Verpächter die Samtgemeinde ist. Und das Votum für das Verbot war eindrucksvoll: 25 Ja- gegen acht Nein-Stimmen, bei zwei Enthaltungen. Für den Einsatz von Glyphosat waren nur Ratsmitglieder von FDP und CDU, teils selbst Landwirte. Gegen ihre Kollegen aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und UWG hatten sie allerdings keine Chance – auch mancher Christdemokrat sprang ihnen bei.

Bei der Pflege ihrer Grün- und Freiflächen verzichten laut dem BUND deutschlandweit 90 Städte und Gemeinden auf Glyphosat und andere Pestizide.

Eckernförde ist seit 25 Jahren pestizidfrei. Ausnahme ist die Kulturanzucht im Gewächshaus.

Celle verzichtet seit 20 Jahren auf Pestizide, Ausnahme sind Sportplätze.

Bremerhaven setzt seit 2012 kein Glyphosat ein, Pestizide werden allerdings gegen Blattläuse und Pilzerkrankungen angewendet.

In Salzgitter gilt seit 2012 ein Pestizidverbot, in Wolfsburg seit dem Jahr 2015

Antragsteller waren die Grünen. Deren Fraktionsvorsitzender Andreas Henemann im Samtgemeinderat war erleichtert, dass die Sache jetzt endlich durch ist: „Immerhin läuft sie schon seit Anfang Februar 2016. Aber wie das so ist in strittigen Fällen: Vertagungen, Leerlauf, Schriftsätze …“ Ernüchternd sei das gewesen. „Warten wir doch erst mal die EU-Entscheidung ab, hieß es, und das Ganze wurde an die Fraktionen zurückverwiesen. Laden wir doch erst mal einen Sachverständigen ein, hieß es, der uns das Ganze gründlich erklärt. Das zog sich.“

Die Sachverständige war Heidrun Meißner, Fachgruppenleiterin Pflanzenbau und Pflanzenschutz bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Osnabrück. Sie hatte ihren Auftritt im Artland Ende März 2017. Henemann: „Die hat uns dann natürlich erzählt, wie toll und sinnvoll und absolut harmlos Glyphosat ist. Alles ziemlich tendenziös. Kein Wort vom Verdacht der Krebserregung. Kein Wort davon, dass das ja auch ins Grundwasser sickert …“

Aber die Grünen haben nicht locker gelassen, und nun haben sie ein Zeichen gesetzt, „dass es auch anders geht“: „Wir sehen das auch als Symbol. Als Signal für andere, dasselbe zu tun.“

15 Landwirte sind von der Neuregelung betroffen. Bürgermeister Poppe sagt: „Und die sind darüber natürlich nicht gerade glücklich, da gibt es schon Diskussionen.“ Es gibt also Widerstand gegen den Widerstand. Aber das hilft nichts. Kein neuer Pachtvertrag ohne Glyphosat-Verbot. Henemann weißt darauf hin: „Und das greift schnell. Die Pachtverträge für unsere Kommunalflächen sind ja sehr kurz.“

Martin Andree, Geschäftsführer des Osnabrücker Landvolks, findet das Verbot falsch. Probleme durch Glyphosat, an dessen Gefahrenpotenzial für Natur und Mensch noch geforscht wird? Nicht, dass er wüsste, sagt Andree. Demnächst gibt es also Getreide und Kartoffeln ohne Glyphosat als Wuchshilfe – Mais, Frischfutter für Rinder und Schafe, Silage.

Und, ist das Artländer Signal schon anderswo angekommen in Deutschlands Norden? Das Signal, dass es nur eine Handvoll Kommunalpolitiker braucht, und Riese Monsanto kommt ins Straucheln? Henemann: „Das kommt. Ganz sicher.“

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