Gemeinde muss Pestizide zulassen: Ende des Malser Wunders
Als der kleine Ort Mals in Südtirol Pestizide auf seinem Gelände stoppen wollte, sorgte das für Aufruhr. Doch nun verbot ein Gericht das Verbot.
Im September 2014 hatte Bürgermeister Ulrich Veith die Malser zum Referendum aufgerufen, um darüber zu befinden, ob auf den Feldern weiter Pflanzengifte eingesetzt werden dürften. Drei Viertel der 4.800 Stimmberechtigten beteiligten sich, und mit stolzen 75 Prozent votierten sie für das Verbot, das im Jahr 2018 in Kraft treten sollte. Nur noch der Einsatz biologisch abbaubarer Pflanzenschutzmittel sollte danach gestattet sein. Vom „Malser Wunder“ war daraufhin die Rede.
Doch das Wunder wurde vorerst nicht Wirklichkeit, 130 Landwirte nämlich reichten Klage ein. Daraufhin setzte die Gemeinde das Verbot erst einmal bis zur gerichtlichen Entscheidung aus. Die ist jetzt gefallen, und sie erklärt das Verbot für null und nichtig, schlicht weil die Gemeinde für diese – allein vom Staat zu regelnde – Umweltschutzfrage nicht zuständig sei.
Die Gemeinde gibt sich jedoch noch nicht geschlagen. Sie will die Sache bis hinauf zum Staatsrat in Rom – dem obersten Verwaltungsgericht des Landes – durchfechten. Derweil hatte auch die Staatsanwaltschaft beim Rechnungshof versucht, Bürgermeister Veith zur Rechenschaft zu ziehen – wegen der angeblich missbräuchlichen Ausgabe öffentlicher Gelder für das angeblich missbräuchliche Referendum. 23.000 Euro sollte der Ortsvorsteher zurückzahlen. Doch wenigstens der Rechnungshof sprach Veith frei.
Andere Gemeinden weiter gegen Pflanzengifte
Andere italienische Gemeinden versuchen dennoch weiterhin, mit verschiedenen Instrumenten den Einsatz von Pflanzengiften einzuschränken. So erließ der Gemeinderat von Vallarsa im Trentin im Jahr 2014 einen Beschluss, der die Bio-Landwirtschaft zur Regel erklärt. Wer dennoch konventionell weitemachen möchte, muss eine Versicherung abschließen, um den benachbarten Biobauern im Fall der Kontamination ihrer Felder mit Chemikalien Schadenersatz leisten zu können.
Und Melpignano im süditalienischen Apulien stellt Arbeitslosen Ländereien zur Verfügung – jedoch nur, wenn sie sich zu Bio-Bewirtschaftung verpflichten. Das toskanische Carmignano dagegen verzichtet auf den Pestizid Einsatz auf kommunalen Grünflächen, es verbietet zudem den Einsatz von Chemie in Wohngebieten und untersagt generell die Nutzung von Glyphosat. Insgesamt 70 Gemeinden von Südtirol bis nach Sizilien haben in Italien den Weg eingeschlagen, mit kommunalen Verfügungen den Gifteinsatz in der Landwirtschaft wenigstens einzuschränken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen